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Die Césars 2015 ganz im Zeichen von Yves Saint Laurent

31.01.2015 - 16:01 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Mann der Césars 2015: Yves Saint Laurent
EuropaCorp / Académie des arts et techniques du cinéma
Mann der Césars 2015: Yves Saint Laurent
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Gleich zwei Biopics über den französischen Modeschöpfer Yves Saint Laurent gehen beim Französischen Filmpreis 2015 ins Rennen um die begehrten Césars. Die Romantische Komödie Les combattants und Oscarkandidat Timbuktu haben ebenso hohe Gewinnchancen.

Winterzeit ist Filmpreiszeit, so auch in einer der traditionsreichsten Kinonationen der Welt, in Frankreich. Das zurückliegende Filmjahr dort war geprägt von der filmischen Würdigung des international bekannten französischen Modeschöpfers Yves Saint Laurent, der bereits 2008 verstarb. Als Kind einer während des deutsch-französischen Krieges 1870/1871 aus Elsass-Lothringen nach Nordafrika ausgewanderten Familie wuchs er in der französischen Kolonie Algerien auf und sollte später in den Augen der Fachwelt zum stilbildenden Revolutionär des Modedesigns werden, der den Begriff der Haute Couture wie kein anderer prägte und noch heute als Koryphäe auf dem Gebiet der gehobenen Damenmode gilt. Das Leben und Schaffen des begeisterten Kunstsammlers wurde 2014 nun selbst in irgendeiner Weise zu Filmkunst und beschert dem Französischen Filmpreis eine selten gesehene Kuriosität. Wie unter anderem Deadline  berichtet, wurden vergangenen Mittwoch, den 28. Januar 2015, die Nominierungen für die diesjährige Jubiläumsausgabe der Césars bekannt gegeben. Gleich zwei biografische Dramen über Yves Saint Laurent liegen im Wettstreit miteinander, wie z.B. in der durch die besondere Personalie sehr interessanten Hauptdarstellerkategorie, und können auf insgesamt 17 Preise hoffen. Die Verleihung der 40. Césars wird am 20. Februar 2015, traditionell zwei Tage vor der Vergabe der Oscars, im Théâtre du Châtelet in Paris abgehalten. Die Schirmherrschaft über die Zeremonie übernimmt der Komiker Dany Boon während Édouard Baer, der diesen Job schon 2001 und 2002 innehatte, die Veranstaltung moderieren wird. Eine Liveübertragung des Events findet unverschlüsselt via Canal+  statt.


Ein kurzer, völlig unzureichender filmgeschichtlicher Abriss

Frankreich ist das Mutterland des Films, das Land, wo einst die Bilder laufen lernten, als die aus der Fotoindustrie stammenden Brüder Auguste und Louis Lumière 1895 erstmals mit ihrem auf der 1892 patentierten Erfindung von Léon Bouly basierenden Kinematographen selbst gedrehte Dokumentarfilmaufnahmen einem ausgewählten Publikum in privaten Räumlichkeiten vorführten. Während der ersten öffentlichen Aufführung ihres berühmten Einminüters Die Ankunft eines Zuges auf dem Bahnhof in La Ciotat im Januar 1896 in einem Pariser Café soll es - so zumindest einem sich hartnäckig haltenden aber unbestätigten Gerücht zufolge - zu einer Panik gekommen sein, weil die Zuschauer befürchteten, vom auf Leinwand projizierten herannahenden Zug überfahren zu werden. Die innovative Entdeckung rief sogleich einen weiteren französischen Filmpionier auf den Plan. Es war der heute als Erfinder des fiktionalen narrativen Films geltende Georges Méliès, der mit seinem Schaffen Magie und Fantasie aber auch erste Ansätze von Erzähltechnik in den Film brachte, dafür u.a. 2011 gewürdigt von Martin Scorsese in seinem Oscar-prämierten Werk Hugo Cabret. Der erste Science-Fiction-Streifen Die Reise zum Mond steht exemplarisch für die Arbeit des Wegbereiters.

Szene aus Kinder des Olymp (Poetischer Realismus)


Schnell kommerzialisierte sich der Film, die Wanderkinos verschwanden und erste Produktionsfirmen und Verleihsysteme entstanden, stellvertretend hierfür genannt die Namen Gaumont und Pathé. Filmkünstler wie Louis Feuillade versuchten sich erstmals an Seriels und waren Vorreiter für die französische Stummfilmavantgarde der 1920er Jahre mit ihren bestens bekannten Protagonisten Jacques Feyder, Marcel L'Herbier, Jean Epstein oder Louis Delluc. Der Regisseur Abel Gance setzte 1927 mit einem gigantomanischen Historienepos Napoleon ein Denkmal. Als die namhaften Innovatoren in der Übergansphase zum Tonfilm können René Clair und Jean Vigo genannt werden. Während im Unterhaltungskino der 1930er Jahre das Musical mit legendären Sängern wie Maurice Chevalier und Josephine Baker Einzug hielt, entwickelte sich der anspruchsvolle Film hin zum Poetischen Realismus. Klassiker der Filmgeschichte wie Zünftige Bande, Pépé le Moko - Im Dunkel von Algier, Die große Illusion, Bestie Mensch, Hafen im Nebel oder Die Spielregel entstanden unter der Regie von Filmemacherlegenden wie Jean Renoir, Julien Duvivier und Marcel Carné. Die schauspielerische Urgewalt Jean Gabin wurde mit einigen dieser Filme zum gefeierten Star.

Das epische Liebesdrama Kinder des Olymp aus dem Jahr 1945 schließlich wird heute als der große Nachkriegsfilmklassiker des französischen Kinos gehandelt. 1946 fanden zum ersten Mal die als Aushängeschild für die landesgrenzenübergreifende Filmaffinität Frankreichs geltenden Internationalen Filmfestspiele von Cannes statt. Der vor dem Krieg aus Deutschland emigrierte Max Ophüls und der Surrealist Jean Cocteau prägten u.a. das Bild des französischen Films in der Mitte des 20. Jahrhunderts. Die 1950er Jahre waren nicht nur vom sogenannten französischen Qualitätskino nach konventionellem amerikanischen Inszenierungsmuster geprägt, dessen Erscheinungsbild zunehmend Kritik bei der jungen cinephilen Generation hervorrief, sondern stehen auch für die beachtenswerten Arbeiten eines Robert Bresson, Henri-Georges Clouzot und Jacques Tati sowie eines frühen Jean-Pierre Melville oder Alain Resnais. Die Karrieren von bekannten Schauspielerinnen wie Simone Signoret und der "Sexgöttin" Brigitte Bardot nahmen hier ihren Anfang. Die Cinémathèque Française galt zu dieser Zeit als Mittelpunkt für die kritische Auseinandersetzung der Gesellschaft mit dem Kino und die künstlerische Reflexion von Film.

Fanny Ardant ziert das diesjährige offizielle Poster


Aus der sich dort bildenden Bewegung entstand am Ende des Jahrzehnts die wohl berühmteste Stilrichtung des französischen Kinos, die Nouvelle Vague. Mit Beginn der 1960er wurden ihre Stil bestimmenden Stammregisseure wie François Truffaut, Jean-Luc Godard, Jacques Rivette, Éric Rohmer, Claude Chabrol sowie ferner Mitglieder der Rive Gauche  wie Louis Malle, Chris Marker oder Agnès Varda national wie international von der begeisterten Filmkritik für ihr innovatives Filmschaffen als Helden gefeiert. Durch ihre Auftritte in den Werken dieser neuen Filmströmung kamen Darsteller wie Jean-Paul Belmondo, Jeanne Moreau oder Anna Karina ins Blickfeld der breiten Öffentlichkeit. Die dem Heimatfilm entstammende deutsche Schauspielerin Romy Schneider fand erst in den 60ern in Frankreich die von ihr gesuchte künstlerische Anerkennung. Zeitweise eng verbunden mit ihrem Werdegang war auch der von Alain Delon. Zusammen wurden sie als vorübergehendes Traumpaar vom Publikum frenetisch gefeiert. Ein sich seit fast zwei Jahrzehnten als wenig beachteter Kleindarsteller abmühender Komiker namens Louis de Funès schaffte endlich den Durchbruch und brachte die Welt zum Lachen. Der spanische Surrealist Luis Buñuel war zu dieser Zeit aus Mexiko nach Europa zurückgekehrt und arbeitete seine letzten Jahre in Frankreich. Durch persönliche Erlebnisse inspiriert setzte der griechische Exilant Constantin Costa-Gavras erstmals 1969 mit dem Politthriller Z - Anatomie eines politischen Mordes eines seiner Zeichen in Sachen anspruchsvoll-kritisches Spannungskino. Das Genrekino erreichte eine große Vielfalt mit einem breiten Angebot an Kriminal-, Abenteuer- und Actionfilmen.

Die 1960er und 1970er Jahre waren die Wiege oder aber die Zeit der Fortsetzung der Karrieren unvergessener Schauspielgrößen wie Catherine Deneuve, Gérard Depardieu, Isabelle Huppert, Lino Ventura, Yves Montand, Pierre Richard, Michel Piccoli, Philippe Noiret oder Jean-Louis Trintignant. In den 80ern und 90ern drückten neue Regisseure wie Bertrand Tavernier, Jean-Jacques Annaud, Jean-Jacques Beineix, Léos Carax, Jean-Paul Rappeneau, Luc Besson und schließlich Jean-Pierre Jeunet der französischen Filmgeschichte ihren stilistischen Stempel auf. Stars wie Sophie Marceau, Daniel Auteuil, Christopher Lambert, Isabelle Adjani, Jean Reno, Juliette Binoche oder Vincent Cassel fanden ihren Weg in die Herzen des Kinopublikums. Vom produktionstechnischen Gesamtoutput her gesehen schaffte es die Filmnation Frankreich letztmals 2013 anhand von Zahlen nachweisbar den beachtenswerten 5. Platz im weltweiten statistischen Vergleich  einzunehmen. Dank einer über Jahrzehnte weiterentwickelten rigorosen, staatlich initiierten Förderungs- und Reglementierungspolitik  und dem ungebrochenen, in Europa einzigartig hohen Interesse des Kinopublikums an einheimischen Filmproduktionen braucht man sich auch im neuen Jahrtausend um das französische Kino keine wirklichen Sorgen zu machen. Das Jahr 2014 endete für französische Filme international mit einem Besucherrekord .

Szene aus Jules und Jim (Nouvelle Vague)



Ein Filmpreis namens César

Ein Land, das die Filmgeschichte derart mitgeprägt hat und dessen Filme in aller Welt geliebt werden, braucht natürlich wie andere Nationen auch seine eigene prestigeträchtige Auszeichnung für das inländische Kinoschaffen. Doch bis der César das Licht der Welt erblickte und der nationale französische Filmpreis in der heutigen Form abgehalten wurde, gab es einige Vorgängerveranstaltungen zur Ehrung preiswürdiger Filmkunst aus Frankreich. Von 1934 bis 1984 wurde für den jeweils besten Film des Jahres der von Filmpionier Louis Lumière noch persönlich ins Leben gerufene Grand prix du cinéma français (Großer Preis des französischen Kinos) verliehen. Vor allem während der 1950er Jahre existierten daneben die Victoires du cinéma français, ein für herausragende Schauspielleistungen von der Zeitschrift Cinémonde ins Leben gerufener, bis 1964 ausgelobter Filmpreis. Als eigentlicher Vorgänger der Césars gilt allerdings der Étoile de Cristal (Kristallstern), den die Académie du Cinéma unter der damaligen Leitung des Filmmusikkomponisten Georges Auric ins Leben rief und den es von 1955 bis 1975 gab. Auszeichnungen mit dieser Ehrung erfolgten in sechs Kategorien, von denen sich drei allerdings an ausländische Filmemacher und Filme richteten. Deshalb ist es nur verständlich, dass die Zeit für einen richtigen französischen Filmpreis gekommen war.

Auf Initiative von Georges Cravenne hin wurde 1974 die Académie des arts et techniques du cinéma gegründet, um ein gleichwertiges französisches Pendant zum Oscar zu schaffen, mit dem ab jetzt die herausragendsten filmkünstlerischen Leistungen des Jahres geehrt werden sollten. Der Kreis der Mitglieder der französischen Filmakademie setzt sich, ganz dem US-amerikanischen Vorbild folgend, aus dem professionellen Fachpersonal der einheimischen Filmbranche zusammen. Die inzwischen mehr als 4.000 Stimmberechtigten teilen sich in 12 Zuständigkeitsbereiche auf, die für die jeweilige Auswahl der Nominierten in den entsprechenden Preiskategorien verantwortlich sind. Die regelmäßig im ersten Jahresquartal für das zurückliegende Filmjahr vergebene Trophäe wurde nach dem gleichnamigen Bildhauer César, ihrem Erschaffer, benannt. Am 3. April 1976 fand die erste Zeremonie unter dem schirmherrschaftlichen Vorsitz von Filmlegende Jean Gabin im Théâtre de l'Empire in Paris statt. Zunächst würdigte die Akademie Leistungen in 13 Kategorien, deren Anzahl sich in den darauf folgenden Jahren auf die heutige Gesamtzahl von 22 erhöhte. Zudem wird ein Ehren-César an in- und ausländische Persönlichkeiten der Filmwelt verliehen, die sich im Verlauf ihrer Karriere besonders um die Kunstform verdient gemacht haben. Unter den längst wieder verworfenen Preiskategorien befanden sich u.a. 'Bestes Filmplakat', 'Bester französischsprachiger Film' (aus dem Ausland) oder 'Bester europäischer Film'.

Dany Boon u. Édouard Baer, Präsident u. Moderator der 40. Césars


Er kam, sah und siegte (jedes Mal)! So könnte eine Schlagzeile bezüglich der Bilanz von Roman Polański beim Französischen Filmpreis lauten. Der polnischstämmige Regisseur gewann insgesamt 4 Césars als bester Regisseur, eben genauso viele wie ihm zugedachte Nominierungen. Als die höchstdekorierten Schauspieler gelten Dominique Blanc (9 Nom.) und Nathalie Baye (9 Nom.) mit je 4 Césars. Getoppt wird ihr Ergebnis nur noch von Rekordhalterin Isabelle Adjani (8 Nom.), die als Einzige aus dem Schauspielfach im Besitz von 5 Césars ist. Mit den meisten Nominierungen indes können sich Gérard Depardieu (16 Nom./ 2 Césars), Isabelle Huppert (14 Nom./ nur 1 César), Catherine Deneuve (13 Nom./ 2 Césars) und Daniel Auteuil (12 Nom./ 2 Césars) schmücken. Als bisherige Spitzenreiter bei den Filmen gelten Cyrano von Bergerac (13 Nom.) und Die letzte Metro (12 Nom.) mit jeweils 10 gewonnenen Césars, gefolgt von den zwei Jacques-Audiard-Filmen Ein Prophet (13 Nom.) mit 9 Césars und Der wilde Schlag meines Herzens (10 Nom.) mit 8 Césars. Für die sogenannten Big Five (Film, Regie, Drehbuch, Hauptdarsteller, Hauptdarstellerin) hat es bisher nur bei zwei Filmen gereicht: Die letzte Metro (1980) von François Truffaut und Liebe (2012) vom Österreicher Michael Haneke.

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