Mit Terrence Malick über den schmalen Grat

30.11.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Terrence Malick mit einem Cameo in In der Glut des Südens
Paramount
Terrence Malick mit einem Cameo in In der Glut des Südens
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Er ist einer von Hollywoods ganz Großen. Dennoch sehen wir ihn selten. Terrence Malick gilt als Poet des Kinos und als Produzentenscheu. Zum 70. Geburtstag bin ich mit ihm einmal durch seine Filme gewandelt.

Es dämmert. In einigen Minuten wird die Sonne aufgehen und ein neuer Tag beginnen. Magic Hour heißt diese Phase. Der kurze Moment von Sonnenauf- beziehungsweise Sonnenuntergang. Diese Minuten sind für dich kostbar, nicht wahr? Sie tauchen deinen Film, In der Glut des Südens, in die wunderbaren Farben. Die warmen, rötlichen Farben am Himmel. Du hast diesen Moment genutzt. Jedes Mal. Ohne zusätzliche Beleuchtung kommen die Einstellungen mit Richard Gere, Brooke Adams und Sam Shepard aus. Es war dir egal, dass dies bedeutete, jeden Tag nur maximal eine Stunde, nämlich jeweils zu den zwei Phasen, drehen zu können. Es war dir egal, dass dies Zeit in Anspruch nahm und die verantwortlichen Produzenten von Paramount argwöhnisch über dem Projekt kreisten. Du hast In der Glut des Südens zu dem gemacht, was dich heute auszeichnet: ein wahnsinnig poetischer Film mit eindrucksvollen Bildern. Selbst Martin Scorsese meinte einmal, dass jedes Einzelbild des Films vergrößert locker in einer Galerie hängen könnte.

Doch das war dir egal. Selbst das ausgefeilte Drehbuch hast du über den Haufen geworfen, sodass die Schauspieler improvisieren konnten und mussten. Die Menschen waren beeindruckt von deinem Werk. Nicht zuletzt, da du mit Badlands – Zerschossene Träume, deinem Debütfilm, alle überzeugt hast und in einem Atemzug mit dem großen Orson Welles genannt wurdest. Und du hast andere Menschen beeinflusst: Quentin Tarantino schrieb auf der Grundlage deines Films das Drehbuch The Open Road, welches später von deinen Bewunderern Tony Scott in True Romance und Oliver Stone in Natural Born Killers verarbeitet wurde. Alle hielten sie zu dir und benutzten dein Erstlingswerk für ihren Durchbruch. Schließlich hattest du, glaubt man zumindest den Worten von John Travolta, doch so deine Probleme mit der Fremdbestimmung bei In der Glut des Südens. Du hast dich zurückgezogen, bist nach Paris gegangen. Hast Journalisten, wie Produzenten gemieden. Bis in die 1990er Jahre existierte nicht einmal ein aktuelles Foto von dir. Dann kamst du wieder.

Nach 20 Jahren. 20 Jahre nach In der Glut des Südens kam erneut ein Film von dir in die Kinos. Diese Nachricht schlug weite Kreise. Die Menschen kamen zu dir. Namenhafte Schauspieler wie Kevin Costner, Brad Pitt und Johnny Depp wollten in Der schmale Grat mitspielen. Letztendlich weist der Film zahlreiche nicht weniger bekannte Darsteller wie George Clooney, Adrien Brody und Sean Penn auf. Doch Namen zählen für dich nicht. Einige Parts wurden zu wenige Minuten lange Auftritte geschnitten. Damit hast du einige Leute verärgert. Oder amüsiert. Ich erinnere mich, wie sich vor zwei oder drei Jahren Christopher Plummer einmal lustig darüber machte, dass er zu einer Szene in The New World sein Bestes gab, du aber viel lieber die Möwen im Hintergrund gefilmt hast. Du wirst dir sicherlich etwas dabei gedacht haben. Wahrscheinlich ein erneuter Anflug von Philosophie und Ästhetik. Zwei Fakten, die dir immer besonders wichtig sind.

Deine bisher letzten beiden Werke könnten unterschiedlicher nicht sein. Der eine handelt von der Unschuld, der andere von der Sünde. Spielende Kinder versammeln sich unter The Tree of Life. Der Baum des Lebens – so bezeichnete schon Peter Maffay in seinem Musical Tabaluga eine wichtige Figur. Die kindliche Unschuld, der elterliche Zwiespalt und die Vorherbestimmung auf das zukünftige Leben. The Tree of Life war alles: Epos, Naturdoku, Historienfilm, Familiensaga. Zu Recht erhieltst du für den einen Baum den anderen als Trophäe, die Goldene Palme von Cannes 2011. Ungewöhnlicherweise schufst du bereits im darauffolgenden Jahr den nächsten Film. To the Wonder brachte uns nicht nur die Liebe, sondern auch die Schuld des Betrugs nahe. Beeindruckend schufst du den zweifelnden Priester, der von Javier Bardem großartig verkörpert wurde. Wir sind gespannt, was als nächstes kommt.

Es ist abends, die Magic Hour vorbei und die Sonne verschwunden. Ich streife durch das hohe Gras und lasse meine Hände darüber fahren. Wie es Olga Kurylenko in To the Wonder tut. Oder Russell Crowe in Gladiator, nur war es dort der Weizen. Mir geht der Song Badlands von Bruce Springsteen nicht aus dem Kopf. Ich dachte früher, der entstand für deinen gleichnamigen Film. Dies zwar nicht, aber er scheint ähnliches auszudrücken: „We’ll keep pushing till it’s understood and these badlands start treating us good“. Du hast jedem bewiesen, dass man dir nicht dazwischen reden muss, um einen noch besseren Film zu kreieren. Das schaffst du auch alleine. Du bist eigenbrötlerisch, du bist vielleicht etwas kompliziert. Doch ich sehe immer nur das Resultat und das genügt mir. Du hast, lieber Terrence Malick, mit Der schmale Grat meinen favorisierten (Anti-)Kriegsfilm geschaffen. Und ich bin mir sicher, du wirst uns noch mindestens einmal verzaubern.

Bis dahin: Alles Gute zum Geburtstag!

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