Vor zwei Tagen konntet ihr euch über das Zwischenergebnis von unserem Oscar-Tippspiel informieren. Dabei habt ihr aber nicht eure eigene Meinung abgegeben, sondern euch in die Köpfe der Academy of Motion Picture Arts and Sciences versetzt. Ihr habt überlegt, wie sich die Oscar -Jury wohl entscheiden wird. Das sagt aber noch nichts über eure Favoriten beim Oscar 2012 aus. Deswegen lassen wir euch allwöchentlich bis zur Verleihung über einige wichtige Kategorien voten. Bisher konntet ihr über die Kategorien Special Effects, Bester Hauptdarsteller, Beste Hauptdarstellerin und Beste Regie abstimmen. Heute ist der Beste Film dran. Welcher würde gewinnen, wenn ihr die Oscar-Jury wärt?
Neun Kandidaten sind es dieses Jahr, von denen einige mehr, andere weniger große Chancen auf den Sieg haben – zumindest nach ihren bisherigen Kritiken und Preisen zu urteilen. The Artist läuft ganz vorne mit im Rennen. Der Film von Michel Hazanavicius wirft die französischen Hauptdarsteller Jean Dujardin und Bérénice Bejo in das Hollywood zum Ende der Stummfilmzeit. Mit einem unsichtbaren, permanenten Augenzwinkern, nostalgischen Referenzen an das frühe Hollywood und einer rührenden Geschichte um den überflüssig gewordenen Stummfilmschauspieler George Valentin eroberte der Film die Kritikerherzen im Sturm. The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten von Alexander Payne ist ebenfalls ein heißer Kandidat für den Oscar, mit seiner Geschichte um einen Vater, der im Angesicht einer Familienkatastrophe eben diese Familie zusammenhalten muss. George Clooney spielt mehrfach preisgekrönt die Hauptrolle in diesem bittersüßen Inseldrama.
In Extrem laut und unglaublich nah von Stephen Daldry (Der Vorleser) wird das neben Pearl Harbor wohl größte Nationaltrauma der amerikanischen Geschichte aufgearbeitet: 9/11. Ein Junge (Thomas Horn) verliert seinen Vater (Tom Hanks) bei dem Terroranschlag, kann aber die von diesem gelegten Spuren nachverfolgen, die dieser extra für ihn gelegt hat. Von den einen als Kitsch abgetan, von anderen als gefühlvolle Aufarbeitung eines Kollektivtraumas betrachtet, stellt sich die Frage: Was denkt ihr darüber?
The Help könnte ebensogut die Trophäe mit nach Hause nehmen, wenn die starke Konkurrenz aus The Artist oder Hugo Cabret nicht da wäre. Das Drama über zwei von Viola Davis und Octavia Spencer gespielte, schwarze Hausmädchen in den 1950er-Jahren und deren Versuch, eine Stimme zu erlangen, begeisterte insbesondere durch seine schauspielerische Leistung. Hugo Cabret wurde dieses Jahr elf Mal nominiert und der Beste Film gehört natürlich dazu. Die Adaption des Buches von Brian Selznick führt uns zurück zu den Anfängen des Kinos, zeigt uns den Filmpionier Georges Méliès und verzaubert mit hochwertigem 3D. Daneben ist es sicher die von Martin Scorsese inszenierte, rührende Geschichte des Waisen Hugo (Asa Butterfield), die die Kritiker begeisterte.
Auch Midnight in Paris wartet mit ordentlich Nostalgie und französischem Charme auf, aber auf eine andere, ganz zu Woody Allen passende Weise. Der Nostalgiker Gil (Owen Wilson) kann plötzlich jede Nacht in das Paris der Jahrhundertwende reisen und dort Berühmtheiten wie Ernest Hemingway oder F. Scott Fitzgerald (Tom Hiddleston) begegnen. Mit dem merkwürdigen Humor von Woody Allen zeigt der Film, dass es in Ordnung ist, ein wenig naiv in die Vergangenheit zu blicken.
Zwei Filme mit Brad Pitt sind ebenfalls im Rennen. Zwei Filme, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Kunst zu gewinnen – Moneyball erzählt die wahre (natürlich dramatisierte) Geschichte des Baseballtrainers Billy Beane (Brad Pitt), der sein erfolgloses Team mit der rationalen, an reiner Statistik orientierten Strategie des Yale-Absolventen Peter Brand (Jonah Hill) neu strukturiert und so zu einer Siegesserie führt. In eine ganz andere Rolle schlüpfte Brad Pitt für The Tree of Life. Als aggressiver Familienvater verliert er im visuellen Prachtwerk von The Tree of Life zunehmend den Bezug zu seinen Söhnen. Im Rückblick erfahren wir vom ältesten Sohn (Sean Penn), wie sich das abspielte und erhalten dabei einen Blick auf die Entstehung des Universums und die Natur des Lebens selbst. Das ist nicht jedermanns Bier. Aber wer weiß, wie ihr moviepiloten denkt.
Zuguterletzt ist es ein Kriegsdrama, dass der Oscar-Jury nominierungswürdig erschien. Nur, dass es bei Gefährten von Steven Spielberg nicht um Soldaten, sondern um ein Pferd und seine ständig wechselnden Reiter geht. In den Wirren des Ersten Weltkriegs versucht es, seinen besten Freund und ursprünglichen Pfleger Albert (Jeremy Irvine) wiederzufinden. Episch inszeniert, wartet Gefährten mit den typischen Merkmalen eines Spielberg-Films auf und betritt gleichzeitig für diesen ungewohntes Terrain.