Prometheus und das Gemecker über Kinostarts

18.06.2012 - 09:35 UhrVor 13 Jahren aktualisiert
Das Warten auf einen deutschen Kinostart - Erinnerung an die gute alte Zeit
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Das Warten auf einen deutschen Kinostart - Erinnerung an die gute alte Zeit
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Es herrscht Dürre im Kino. Zumindest erwecken die Lichtspielhäuser zu Zeiten der Europameisterschaft diesen Eindruck. Doch haben wir Deutschen tatsächlich Grund zum Meckern über die Kinostarts von Prometheus und Co.?

Am Anfang steht ein Datum: der 09. August 2012. Bis dahin müssen die Fans noch auf Prometheus – Dunkle Zeichen warten, das lang erwartete quasi-Prequel von Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt. Die Fans? Nicht alle. Nur ein nicht wirklich kleines Land kämpft gegen die kinematografische Aktualität der Programmvielfalt. In den Staaten läuft der Streifen von Ridley Scott seit dem 08. Juni, in Frankreich gar seit dem 30. Mai und selbst die glückseligen Cineasten in Vietnam und Kambodscha dürfen Prometheus vor den deutschen Kinozuschauern sehen. Stattdessen werden die deutschen Kinos von Perlen wie Street Dance 2 3D oder Rock of Ages heimgesucht, namentlich die zwei größten Starts der letzten beiden Wochen. Der Fall von Prometheus und die scheinbare Dürre in den Kinos schwört die Erinnerung an alte Zeiten herauf. Denn die Deutschen sind das lange Warten auf einen Kinostart anscheinend nicht mehr gewohnt.

Zahlen, Zahlen, Zahlen
Die Annäherung von amerikanischen und deutschen Filmstarts vollzieht sich seit Jahren schrittweise. Es begann kurz nach der Jahrtausendwende, als Filme wie Der Herr der Ringe: Die Gefährten und die Harry Potter-Reihe nahezu zeitgleich weltweit anliefen. Einer der wichtigsten Gründe für diesen Prozess ist die Filmpiraterie, der die Studios bei ihren richtig teuren Babies zuvorkommen wollen. Doch längst erfreuen nicht mehr nur Mega-Blockbuster ihre Fans im Rest der Welt immer früher. Um das Bauchgefühl zumindest ansatzweise empirisch zu unterfüttern, habe ich mal die Kinostarts aus den letzten drei Jahrzehnten verglichen. Vier Sommer, nämlich jeweils die Zeit zwischen Mai und August in den Jahren 1982, 1992, 2002 und 2012, also vier von Fußball-Events gleichermaßen betroffene Jahre, bilden die Basis der Auswertung. Im Mittelpunkt stehen dabei die Wide Releases in den USA in dieser Zeit, denn seit jeher gilt, dass der Sommer in den Staaten nach der Weihnachtszeit die wichtigste Saison darstellt, während in Deutschland eine allgemeine Kinoflucht vorherrscht. Diese Wide Releases, die in mehreren Tausend amerikanischen Kinos auf einmal anlaufen, sind in etwa kongruent mit unserer heutigen Vorstellung von Blockbustern. Schließlich ist die Verleihpolitik von Independent-Filmen noch einmal ein Thema für sich, Verzögerungen im Export sozusagen Tagesgeschäft. Außerdem wird als Vergleich stets nur der Starttermin in (West-)Deutschland herangezogen.

Zunächst gibt es ein paar interessante Auffälligkeiten, die bei der Auswertung ins Auge stachen: Die Anzahl von Kinostarts hat sich sowohl in Deutschland als auch in den USA extrem erhöht. So mussten sich die Filmfans in den USA in den 80ern teils mit vier neuen Filmen pro Woche, davon zwei in der Limited Release begnügen, und die Deutschen in manchen Sommerwochen mit ganzen zwei Neustarts (etwa die glorreiche Woche vom 23. Juli 1982, als Grease 2 und Pasolini’s Gastmahl der Liebe zur Auswahl standen). 1992 hatte sich die Zahl bereits extrem erhöht. Weiterhin wurden zwei bis drei Wide Releases in die amerikanischen Kinos gebracht, doch die Limited Realeases nahmen langsam zu. Heute befinden sich die beiden Veröffentlichungsarten in einem starken Ungleichgewicht. Statt insgesamt vier bis fünf neuen Filmen, starteten beispielsweise in der Woche vom 29. Mai 2012 zwei große neue Filme (Gottes General – Schlacht um die Freiheit und Snow White and the Huntsman) und 13 kleinere in teils nur einem Kino im ganzen Land. In Deutschland sieht es ähnlich aus. Am 31. Mai liefen 14 neue Filme an, von denen nur ein Bruchteil aus den Großstadtkinos herauskommt.

1982
Auf die potenziellen Blockbuster und Hits mussten die westdeutschen Kinozuschauer im Jahr 1982 in der Regel drei oder mehr Monate warten. Startete ein Film wie Conan der Barbar in den USA Mitte Mai, lief er in Deutschland Ende August an. Größer war der Abstand noch bei Rocky III – Das Auge des Tigers (USA: 28. Mai; DE: 12. November), E.T. – Der Außerirdische (USA: 11. Juni; DE: 9. Dezember) und Blade Runner (USA: 25. Juni; DE: 14. Oktober). Die Mehrheit der großen Releases sind 1982 von diesen Abständen betroffen. Ausnahmen, die die Regel bestätigen, heißen Grease 2, der nur knapp einen Monat nach dem US-Start in Deutschland zu sehen war, und Mrs. Brisby und das Geheimnis von Nimh, der sogar noch im selben Monat (Juli) nach Deutschland kam.

1992
Abgesehen von der stark angestiegenen Zahl von Kinostarts gab es zehn Jahre später noch keinen drastischen Wandel in der Verleihpolitik, wenn es um den deutschen Kinostart ging. So mussten die deutschen Fans auf Alien³ knapp vier Monate warten, ähnliches gilt für Lethal Weapon 3 – Die Profis sind zurück (USA: 15. Mai; DE: 27. August) und Die Stunde der Patrioten (USA: 5. Juni; DE: 22. Oktober). Abgesehen davon, dass der Kinosommer 1992 anscheinend furchtbare Kost zu bieten hatte, gab es nur wenige große Filme, die ihre deutschen Zuschauer etwas fixer beglückten. Dazu gehörten Batmans Rückkehr (USA: 19. Juni; DE: 16. Juli) und Unforgiven (USA: 7. August; DE: 24. September). Ein Monat Wartezeit war in diesen Jahren das Minimum, bis Glanzstücke wie Sister Act – Eine himmlische Karriere es nach Deutschland schafften, konnten schon einmal fünf Monate vergehen.

2002
Wir schreiben das Jahr 2002. Neue Spider-Man – und Bourne-Filme kommen in die Kinos und Men In Black 2 ebenfalls. Klar, in diese fremde Epoche können wir uns überhaupt nicht hineinversetzen. Trotzdem fällt auf, dass sich die Abstände zwischen deutschen und amerikanischen Kinostarts verringert haben. Zwar gibt es mit Filmen wie Minority Report (USA: 21. Juni; DE: 3. Oktober) immer noch Streifen, die dem Trend widersprechen, doch Star Wars: Episode II – Angriff der Klonkrieger startete im Land der Krauts gar einen Tag früher, Spider-Man nur vier Wochen später und Men in Black 2 im selben Monat. Noch betrifft die Annäherung jedoch nicht alle neuen Filme, sondern nur jene Blockbuster mit einem deutlich höheren Budget.

2012
Innerhalb von weiteren zehn Jahren hat sich die Verleihpolitik noch einmal weiterbewegt. Heutzutage laufen die amerikanischen Wide Releases in Deutschland nicht nur mindestens im selben Monat an, sondern immer öfter auch früher. Diesen Sommer betraf dies Marvel’s The Avengers, Dark Shadows, Battleship, Men in Black 3 und Der Diktator. Ein weltweit nahezu zeitgleicher Kinostart ist an der Tagesordnung, doch auch Starttermine einen Monat vor den USA häufen sich. Insbesondere in der Zeit vor der EM war dies der Fall. Von der gefühlten Kinodürre während des Fußball-Events sind einzig Madagascar 3 – Flucht durch Europa, Prometheus, Abraham Lincoln Vampirjäger und Merida – Legende der Highlands betroffen, die weiter nach hinten verschoben wurden. The Amazing Spider-Man dagegen startet in Deutschland wieder früher (USA: 6. Juli; DE: 28. Juni). Trotz der großen Euphorie um den kleinen Ball und die 22 hinterher hetzenden Männer, gibt es pro EM-Woche acht bis neun neue Kinostarts, eine Zahl von der die Cineasten in den 80er und frühen 90er Jahren nur träumen konnten.

Was lernen wir also aus dem number crunching? Vor allem unterstreicht der Vergleich über die Jahrzehnte hinweg die steigende Bedeutung des internationalen Marktes für amerikanische Spielfilme sowie die Angst vor der illegalen Verbreitung derselben und den möglichen Absatzeinbruch. In den nächsten Jahren dürfte sich der Trend noch verstärken. Fraglich ist, wie weit die Verleihe und Studios dabei gehen werden und ob die Amerikaner bald die letzten sind, die ihre eigenen Filme zu sehen bekommen. Zudem beweist die Gegenüberstellung, dass wir, wenn es um Prometheus und Co. geht, gerade auf verdammt hohem Niveau meckern.

Ansage am Rande: In den nächsten beiden Wochen macht die Zukunft Urlaub.

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