Retten die alten Meister die 3D-Technik?

24.10.2011 - 08:50 Uhr
Die Abenteuer von Tim & Struppi
Sony
Die Abenteuer von Tim & Struppi
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Mit Die Abenteuer von Tim und Struppi steigt nun auch Steven Spielberg ins 3D-Geschäft ein. Er ist eine von mehreren Regielegenden, die ihre Filme dreidimensional aufbereiten. Doch wird sich die Technik deswegen durchsetzen?

2011 war kein gutes Jahr für dreidimensionale Filme. Das steht jetzt schon fest, schließlich brachten die Einspielergebnisse die neue, alte Technik auf den Boden der Tatsachen zurück. Doch mindestens zwei große Highlights für Brillenschlangen warten in den kommenden Monaten noch auf uns. Am Donnerstag startet Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der ‘Einhorn’ von Steven Spielberg in den deutschen Kinos und im Februar folgt dessen New Hollywood-Kollege Martin Scorsese mit Hugo Cabret. Dass sich hier zwei Altmeister in die 3D-Welt vorwagen, ist gar nicht selbstverständlich. Fraglich bleibt nur, ob dies ein Schritt hin zur künstlerischen Etablierung der von vielen als Gimmick abgetanen Technik sein wird.

Herr Hitchcock, wie haben sie das gemacht?
Wenn es um das Kino geht, hängt die Durchsetzung einer neuen Technik von grob gesagt zwei Faktoren ab: den Produzenten und den Rezipienten, also den Filmemachern und uns, den Zuschauern. Studios können eine Innovation noch so sehr pushen. Wenn die Zuschauer sie nicht annehmen, waren all die cleveren Vermarktungsideen verlorene Liebesmüh’. Auf Produktionsseite bleibt eine Annahme der Technik natürlich ebenso wichtig. Zusammen bestimmen diese Variablen beispielsweise darüber, ob sich die Innovation in einzelnen Genres festsetzt oder zum allgemeinen Standard wird.

An dieser Stelle kommt Bei Anruf: Mord ins Spiel. 1954 drehte Alfred Hitchcock den Psychothriller auf Drängen des Studios in der damals hippen 3D-Technik. Doch als der Film in die Kinos kommen sollte, war der Hype längst vorbei. Was bleibt, ist der hochinteressante Ansatz, ein Kammerspiel dreidimensional zu inszenieren. Kein Massenspektakel, keine Effektorgie, sondern ein Film auf begrenztem Raum über einen Mann, der seine Frau loswerden will. Springen wir zurück ins neue Jahrtausend, blicken wir auf eine rund vier Jahre andauernde Renaissance der 3D-Technik. Dabei fällt jedoch auf, dass erstaunlich wenige der ganz großen Regisseure sich seitdem der “Innovation” angenommen haben. Ein Bei Anruf: Mord für’s neue Jahrtausend suchen wir ebenso vergebens.

Phasendrescherei
Obwohl ich die 3D-Technik nicht besonders mag, gehe ich in jeden Brillen-Streifen mit der Hoffnung, dass dem Gimmick in seiner künstlerischen Nutzung neue Akzente abgerungen werden. Gerade hier scheinen die größten Mangelerscheinungen von 3D zu sitzen, was ein Grund für die zunehmende Indifferenz der Zuschauer gegenüber der Technik sein könnte.
Die erste Phase der 3D-Renaissance war davon geprägt, dass die Technik zum neuesten Special Effect von Blockbustern und Genrefilmen wurde. In einem Akt der finanziellen Verzweiflung fütterten die Studios die Multiplexe damit so oft, dass deren Besucher nun einen Sättigungsgrad erreicht haben. Mittlerweile war so gut wie jeder Ottonormalverbraucher in einem 3D-Film und weiß, dass diese ihren Aufschlag nicht immer wert sind.

Sofern die 3D-Technik jemals ihren explosionsreichen Kinderschuhen entwächst, könnten wir dieses Jahr unwissentlich Zeugen des Umbruchs werden. So begann die Filmfestivalsaison mit 3D-Werken der Regielegenden Wim Wenders (Pina) und Werner Herzog (Die Höhle der vergessenen Träume), die ausgerechnet beide Dokumentarfilme ablieferten. Dieses Jahr drehen Baz Luhrmann (Der große Gatsby), Ang Lee (Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger), Alfonso Cuarón (Gravity) und Ridley Scott (Prometheus – Dunkle Zeichen) ihre ersten 3D-Filme.

Die Aufzählung von Namen und Filmen deutet es an. Gibt es eine Phase 2, so wird sie entscheidend für das Ausmaß der Etablierung der 3D-Technik sein. Es ist die Phase, in der “Oscar-Regisseure”, Kritikerlieblinge und Auteurs sich der Innovation annehmen. Es ist die Phase, in der am ehesten ein zweiter Bei Anruf: Mord über die Leinwände flimmert, ein 3D-Film, der sich dem Effektegewand entzieht.

Good3DFellas
Mit Steven Spielberg und Die Abenteuer von Tim und Struppi – Das Geheimnis der ‘Einhorn’ ist die 3D-Technik beim New Hollywood und der Geburt des Blockbusters angekommen. Kollege Francis Ford Coppola drehte Szenen in Twixt ebenfalls in 3D. Doch den ersten Markstein der mysteriösen zweiten Phase dürfte Hugo Cabret von Martin Scorsese darstellen, der bei uns im Februar anläuft. Immerhin ist Marty wohl Amerikas wichtigster lebender Regisseur, ein Verfechter und Bewahrer des Kinos sowie eben nicht der übliche Ansprechpartner für Blockbuster.

Während sich einige große Namen mit der Technik anfreunden, bleiben andere außen vor. Insbesondere in der Generation der 40 bis 50-jährigen Oscar-Stammgäste zeigen sich die Vertreter zaghaft. Damit sind Regisseure wie David Fincher, Darren Aronofsky, Paul Thomas Anderson, Danny Boyle, Quentin Tarantino und Christopher Nolan gemeint. Stattdessen zeigen sich dieses und nächstes Jahr vorwiegend alte Hasen von ihrer dreidimensionalen Seite. Deren Abschneiden wird mit darüber entscheiden, ob die Finchers und Nolans dieser Welt mitziehen. Erst dann wissen wir, ob es eine dritte Phase der 3D-Renaissance überhaupt geben wird.

Was denkt ihr: Könnte 3D in den Händen von “großen Regisseuren” eine Existenzberechtigung erhalten?

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