1980 – Heaven's Gate killt den Western

27.09.2011 - 08:50 Uhr
Markante Momente: Der Wester Heaven's Gate
TOBIS/moviepilot
Markante Momente: Der Wester Heaven's Gate
18
12
Es gibt Markante Momente, die etablieren eine Genre. Und dann gibt es andere, die läuten sein Ende ein oder transfomieren es zumindest auf ungeahnte Art und Weise. Ein solcher Film ist Heaven’s Gate, der heutige Markante Moment.

Der Western ist eines der ältesten Film-Genres. Zu seinen frühesten Ausprägungen gehört zum Beispiel Der große Eisenbahnraub von Edwin S. Porter aus dem Jahr 1903, in dem es – wie der Name schon sagt – um den Überfall auf einen Zug geht. Seitdem sind die Geschichten aus dem „wilden Westen“ in Hollywood nicht mehr wegzudenken. John Ford und John Wayne, das sind zwei der Namen, die mit dem klassischen US-amerikanischen Western untrennbar verbunden sind.

Der Western hat im Laufe der Jahre viele Entwicklungen durchgemacht, die nachzuzeichnen den Rahmen unserer Reihe definitiv sprengen würde. Deshalb machen wir einen große Sprung über die klassischen Western wie Höllenfahrt nach Santa Fé und die ersten selbst-kritischen Western der 60er und 70er Jahre, wie z.B. Der Mann, der Liberty Valance erschoß und The Wild Bunch – Sie kannten kein Gesetz hinweg und schauen uns das Jahr 1980 an. Denn das war das Jahr, in dem für viele Western-Kenner das Genre mit dem Film Heaven’s Gate – Das Tor zum Himmel verstarb.

Die Geschichte von Heaven’s Gate oder Wie man keinen Film macht
Regisseur Michael Cimino reichte sein Drehbuch zu Heaven’s Gate – Das Tor zum Himmel schon zu Beginn der 70er Jahre bei dem Studio United Artists ein, doch dort landete es erstmal im Regal. Erst am Ende des Jahrzehnts, als Michael Ciminos Film Die durch die Hölle gehen zwei Oscars abräumte, besann sich das Studio auf das Skript und stimmte einer Umsetzung zu. Mit Kris Kristofferson, Christopher Walken, Isabelle Huppert, Jeff Bridges, John Hurt, Mickey Rourke und Willem Dafoe in seiner ersten Filmrolle war bald ein eindrucksvoller Cast gefunden und die Dreharbeiten konnten im Frühling 1979 beginnen. Das Budget war auf 11,6 Millionen Dollar festgesetzt und der Film sollte schon Ende des Jahres in die Kinos kommen.

Aber es kam alles anders als geplant. Schon von Beginn an lag die Produktion hinter dem Plan zurück. Es gibt viele Gerüchte darüber, woran es gelegen hat, dass die Dreharbeiten nicht voran kamen. Eine große Rolle spielte in jedem Fall der Perfektionismus des Regisseurs Michael Cimino, der Szenen unzählige Male drehen, Kulissen auf- und wieder abbauen ließ und meterweise Film verschoss. Zu der Zeit übten die Studios wenig Kontrolle über ihre Regisseure aus und so ließ United Artists den Dingen seinen Lauf, in der Überzeugung, Michael Cimino werde einen großartigen Film machen, der sein Geld wert sei.

Über die Details der turbulenten Produktionsphase schrieb Produzent Steven Bach später das Buch Final Cut: The Making and Unmaking of Heaven’s Gate, das 2004 auch zu einem sehenswerten Dokumentarfilm wurde. Das Ende der langen Geschichte war, dass die Produktion schlussendlich etwa 44 Millionen Dollar kostete, der Film erst Ende 1980 in die Kinos kam und ursprünglich eine Länge von über 5 Stunden hatte. Die erste Vorführung erntete vernichtende Kritiken und so wurde Heaven’s Gate – Das Tor zum Himmel einer erneuten Überarbeitung unterzogen. Doch nun eilte dem Film seine schlechte Kritik schon voraus und so hielt sich der Western-Epos nach seinem Start im Sommer 1981 nur kurze Zeit in den Kinos.

Die Folgen von Heaven’s Gate und die Ursachensuche
Der 44 Millionen Dollar teure Film spielte in den USA nur 3 Millionen Dollar ein. Das war ein finanzieller Skandal für das zu dieser Zeit schon geschwächte Studio United Artists. Als Konsequenz verkaufte die Transamerica Corporation, der United Artists damals gehörte, das Studio an MGM. Doch auch über das eigene Studio hinaus hatte das Fiasko Folgen für die Filmwelt. Während die Studios in den 70er Jahren jungen, aufstrebenden Regisseuren wie Francis Ford Coppola und William Friedkin weitgehend freie Hand ließen und diese ihr Budget gnadenlos überschreiten durften, besannen sich die Produzenten in den 80ern nun wieder auf eine stärkere Regulierung des Geldhahns.

Heaven’s Gate – Das Tor zum Himmel war außerdem ein Beispiel dafür, dass der klassische Western mit seinem Idealismus und Gerechtigkeitssinn in der Realität nicht mehr funktionierte. Das Publikum konnte keine Verbindung mehr zu den tradierten Geschichten des Genres herstellen. Der Glaube an die amerikanische (moralische) Überlegenheit war während der 70er Jahre auf Grund des Vietnamkriegs stark in Frage gestellt worden, aber die neue kritische Stimmung wie sie in Heaven’s Gate – Das Tor zum Himmel präsent ist, passte nicht mehr zur traditionellen Westernerzählung. John Cawelti spricht in seinem Buch The Six-Gun Mystique Sequel von einer “mythischen Dialektik des Multikulturalismus”, die sich mit den Genre-Mustern des Westerns nicht mehr überzeugend darstellen ließ.

Seitdem befindet sich das Genre, das nun mit Begriffen wie Post-Western oder Revisionistischer Western bezeichnet wird, in einer Findungsphase, die wir dieses Jahr durch das Mash-Up Cowboys & Aliens sehr eindrucksvoll erleben durften. Die Themen des Genres werden in neue Settings transportiert, der Westernheld wird in seiner moralische Integrität in Frage gestellt (Erbarmungslos). Natürlich ist dies alles keine direkte und alleinige Konsequenz des fatalen Scheiterns von Heaven’s Gate – Das Tor zum Himmel, doch als völlig unschuldig kann sich Michael Cimino in diesem Zusammenhang auch nicht bezeichnen.

Heaven’s Gate – Das Tor zum Himmel, der für die Goldene Palme nominiert wurde, aber die Goldene Himbeere gewann, hat sowohl das Genre des Westerns geprägt und die Entwicklung des Post-Westerns forciert als auch das US-amerikanische Studiosystem beeinflusst. Insofern ist die Uraufführung dieses Films im Jahr 1980 ein wahrhaft Markanter Moment.

Was 1980 außerdem noch wichtig war:
Drei große Festival-Sieger waren unter anderem
Goldener Löwe – Gloria, die Gangsterbraut von John Cassavetes
Goldene Palma – Kagemusha – Der Schatten des Kriegers von Akira Kurosawa
Goldener Bär – Heartland von Richard Pearce

Drei Schauspieler, die geboren sind
18.01.1980 – Jason Segel
09.09.1980 – Michelle Williams
12.11.1980 – Ryan Gosling

Drei Schauspieler, die gestorben sind
24.06.1980 – Peter Sellers
07.11.1980 – Steve McQueen
22.11.1980 – Mae West

Die Oscars gingen unter anderem an
Bester Hauptdarsteller – Robert De Niro für Wie ein wilder Stier
Beste Regie – Robert Redford für Eine ganz normale Familie
Bester Ausländischer Film – Die Blechtrommel von Volker Schlöndorff

Drei Ereignisse der Nicht-Filmwelt
02.06.1980 – Der Zauberwürfel (Rubik’s Cube) ist in deutschen Spielwarenläden erhältlich
20.08.1980 – Reinhold Messner bezwingt als erster allein den Mount Everest ohne Sauerstoff
08.12.1980 – John Lennon wird erschossen

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News