Warum wir traurige Filme trotzdem sehen

06.10.2011 - 08:50 Uhr
Beim Leben meiner Schwester rührt das Publikum zu Tränen
Warner Bros.
Beim Leben meiner Schwester rührt das Publikum zu Tränen
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Herbstwetter macht uns melancholisch. Und selbstzerstörerisch wie wir manchmal sind, neigen wir dazu, das mit melodramatischen Filmen noch zu potenzieren. Dieser Herbst hält besonders triste Filme bereit. Aber warum tun wir uns das eigentlich an?

Als wäre es nicht schon traurig genug, dass der Sommer nun endgültig dem Herbst Platz macht, versorgt uns auch das Kino mit Filmen, die sich mit weniger erbaulichen Themen beschäftigen. Genauer gesagt spiegelt sich ein Thema besonders stark in diesem Kinoherbst: das Sterben. Gleich drei Filme, in denen der Tod der Hauptfigur kein Plot-Twist ist, sondern vielmehr das vorherrschende Thema das Films darstellt, sind in den kommenden Monaten auf der Leinwand zu sehen: Kein Mittel gegen Liebe, Restless und Halt auf freier Strecke.

In Kein Mittel gegen Liebe und Restless begeben sich Paare in eine Beziehung, obwohl von Anfang an klar ist, dass einer der beiden – jeweils der weibliche Part (Kate Hudson bzw. Mia Wasikowska) – auf Grund einer Krebserkrankung nicht mehr lange zu leben hat. Und auch Halt auf freier Strecke begleitet seinen Protagonisten (Milan Peschel) auf seinem Leidensweg, von der Krebsdiagnose bis zum Tod im Kreis seiner Familie.

Warum sind Filme eigentlich auch dann noch spannend, wenn wir doch von Anfang an wissen, wie es ausgeht? Und nicht nur das: Wir wissen auch noch, dass es traurig ausgeht und setzen uns trotzdem dem 90 minütigen Druck auf die Tränendrüse aus. Warum eigentlich? Leiden wir einfach gerne, sind wir cineastische Masochisten oder ergötzen wir uns an dem Leid anderer, um unser eigenes Leben aufzuwerten?

Dem Tod mit einem Lächeln begegnen
Wahrscheinlich ist es von allem ein bisschen. Filme über das Sterben müssen ja nicht 1 ½ Stunden Dauerheulen beinhalten. Manch ein Filmemacher schafft es auch, uns gut dabei zu unterhalten, während wir die letzten Wochen oder gar Tage einer Filmfigur erleben. So zum Beispiel in Das Beste kommt zum Schluss mit Jack Nicholson und Morgan Freeman als Krebspatienten, die gemeinsam ihre Liste der Dinge abarbeiten, die sie vor ihrem Tod noch erleben wollen. Das ungleiche Paar strahlt einen großen Witz aus und lässt uns oft vergessen, um welch todernstes Thema es eigentlich geht. Auch Big Fish – Der Zauber, der ein Leben zur Legende macht verpackt die Geschichte vom Sterben eines Vaters in eine märchenhafte Erzählung, an deren Ende nicht nur das zwangsläufige Dahinscheiden des Märchenopas steht, sondern auch eine der bezauberndsten Begräbnisszenen des Kinos.

Dem Tod mit der Symbolkraft der Fantasie begegnen
Aber es geht auch anders. So zeigen The Fountain und Synecdoche, New York die Vergänglichkeit des Lebens auf eine eher kunstvolle und weniger direkte Art und Weise. Hugh Jackman sucht in The Fountain auf drei Zeitebenen nach einem Heilmittel für seine Frau (Rachel Weisz). Die Angst vor dem Tod und dem Verlust eines geliebten Menschen wird symbolisch auf den drei ineinander verwobenen Zeitebenen dargestellt. In Synecdoche, New York vermischt sich der körperliche Verfall und die innere Vorbereitung auf den eigenen Tod eines Theaterregisseurs (Philip Seymour Hoffman) mit seinem letzten epischen Werk.

Dem Tod direkt ins Auge sehen
Es geht aber auch ganz direkt, wie in Das Meer in mir. Der Film handelt von einem Spanier (Javier Bardem), der im Alter von nur 25 Jahren auf Grund eines Unfalls beim Baden im Meer vom Hals abwärts gelähmt ist. Sein letzter Wunsch ist es, in Würde zu sterben, doch er ist selbst nicht mehr in der Lage, sein Schicksal in die Hand zu nehmen. Das Bedürfnis, den Zeitpunkt des eigenen Todes selbst zu bestimmen steht auch im Zentrum des amerikanischen Films Beim Leben meiner Schwester. Hier wird ein Mädchen von ihren Eltern quasi als menschliches Ersatzteillager für die todkranke Schwester gezeugt. Als sie sich weigert, als solches zu fungieren, wird sie zunächst für egoistisch gehalten. Tatsächlich aber unterstützt sie den Wunsch ihrer Schwester, den Qualen ein Ende zu bereiten und in Frieden dieses Leben zu verlassen.

Wenn am Ende nicht alles gut wird
Und dann gibt es da natürlich noch die Filme, von denen wir wissen, dass sie kein Happy End haben, die wir aber trotzdem ansehen. Dazu gehören zuerst einmal fast alle Verfilmungen über das Leben Jesu, wie z.B. Die Passion Christi. Aber auch Literaturklassiker, deren Ende wir schon vor ihrem Anfang kennen, wie William Shakespeares Romeo + Julia, passen in diese Kategorie. Und dann gibt es noch Geschichten auf der Leinwand, die mit der Ankündigung eines Todes beginnen. So teilt uns der Protagonist von American Beauty (Kevin Spacey) gleich zu Beginn des Films mit, dass er versterben wird. Und auch der Titel von The Virgin Suicides – Verlorene Jugend lässt keinen Zweifel am Ausgang der Geschichte aufkommen.

Das Verrückte am Menschen ist, dass er selbst in Momenten größter Verzweiflung – oder vielleicht gerade dann – seine größten Kraftreserven mobilisiert, weil er die Hoffnung nicht aufgeben will. Und auch wenn das vielleicht etwas pathetisch klingt, so ist es auch die Hoffnung, die uns Filme dieser Art immer wieder anschauen lässt. Jedes Mal, wenn ich mir William Shakespeares Romeo + Julia ansehe, hege ich diese völlig irrationale Hoffnung, Romeo werde Julias Brief erhalten, der Plan werde aufgehen und die Liebenden zueinander finden. Jedes Mal bin ich von neuem schockiert, dass dies nicht der Fall ist und trotzdem werde ich mir das Stück und die Verfilmungen immer wieder ansehen. Manchmal nämlich lohnt sich Eine Handvoll Hoffnung.

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