The Witcher bei Netflix ist ein dreister Game of Thrones-Klon

22.12.2019 - 18:00 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
The Witcher mit Henry CavillNetflix
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Mit The Witcher will Netflix sein eigenes großes Fantasy-Epos landen. Doch Game of Thrones liegt wie ein großer Schatten über der Serie, die nicht viel eigenes bietet.

Die Schlacht der Streaming-Anbieter um die nächste große Fantasyserie ist in vollem Gange und erreicht mit The Witcher gerade - zumindest potentiell - einen vorläufigen Höhepunkt. Schon die erste Folge mit dem Titel Des Endes Anfang sorgt aber für Ernüchterung, indem sie auffallend viel von Klassenprimus Game of Thrones übernimmt und dabei kaum originelle Akzente setzt.

Sei es das Setting, die Konzeption der Figuren oder die erzählerische Drastik - Game of Thrones-Fans können beim Auftakt zu The Witcher eine Strichliste führen über all die Dinge, die sie in ihrer Lieblingsserie schon (besser) gesehen haben - und dabei kommen die Drachen erst noch. Achtung, Spoiler zu The Witcher und Game of Thrones!

The Witcher auf Netflix: Ohne Schlachten geht es nicht

Wo wäre eine groß angelegte Fantasy-Produktion nur ohne epische Schlachten? Diese wurden durch Game of Thrones zwar weder erfunden noch populär, zumindest im Bereich des Fernsehens setzte die Serie auf dem Gebiet jedoch ganz neue Maßstäbe. Da will The Witcher natürlich nicht hinten anstehen und so bitten die Macher bereits in Episode 1 zum Gefecht.

The Witcher: Calanthe und Ciri

Wo die Schlachten in Game of Thrones wie eine Sinfonie strukturiert sind und weit mehr zeigen als bloßes Blutvergießen, weiß The Witcher mit seinem breit angelegten Schauplatz in dieser Folge nicht viel anzufangen.

In einer verwirrend kurzen Szene kämpfen Königin Calanthe und ihr Ehemann Eist auf offenem Feld gegen die Truppen aus Nilfgaard, bis es Eist erwischt - und das war es auch schon. Ihn einfach im Off sterben zu lassen, wäre womöglich die elegantere, in jedem Fall aber mutigere Entscheidung gewesen. So wirkt die Sequenz wie ein Versprechen, das nicht gehalten wurde.

Calanthe kehrt schwer verletzt ins Schloss zurück, während der Feind aus dem Süden immer näher rückt und sich anschickt, nun auch die Festung einzunehmen. Hier erwartet sie allerdings nur noch der Tod, den sie letzten Endes selbst herbeiführt: Ihr Fenstersturz weckt unweigerlich Erinnerungen an den Suizid von Tommen Baratheon aus Game of Thrones, ist sogar aus der selben Perspektive gefilmt. Es ist die wohl deutlichste Referenz von The Witcher auf den HBO-Hit.

Der Tod ist in The Witcher allgegenwärtig

Überhaupt fällt The Witcher durch einen ziemlich hohen und plötzlichen Verschleiß an Figuren auf, womit eine weitere Verbindung zu Game of Thrones geknüpft wird. In Des Endes Anfang sterben mit Calanthe, Eist und Renfri gleich mehrere Charaktere, die für die Geschichte zunächst wichtig erscheinen. (Dass die Serie bald drei Zeitebenen ausbreitet und die Toten so wieder "zurückbringt", weiß der Zuschauer in diesem Moment noch nicht.)

Zumindest, wer mit der Buchvorlage nicht vertraut ist, wird so auf eine falsche Fährte gelockt - ähnlich wie in Game of Thrones, wo mit Ned Stark die wichtigste Figur der ersten Staffel noch in selbiger das Zeitliche segnet. Gleichwohl fällt der Schock in The Witcher geringer aus, da wir noch weniger Zeit haben, die Protagonisten kennen zu lernen und ins Herz zu schließen.

The Witcher: Ciri hat das Zeug zum Publikumsliebling

Die Belagerung des Schlosses durch die Armee von Nilfgaard provoziert obendrein ein Gefühl der Beklemmung und Ausweglosigkeit ähnlich wie für Cersei Lannister im Game of Thrones-Finale, als Daenerys Königsmund in Schutt und Asche legt. Viele Bewohner Cintras wählen den Freitod, weil dieser immer noch angenehmer ist als dem kompromisslos mordenden Feind in die Hände zu fallen. Damit präsentiert uns The Witcher ganz zu Beginn eine Episode, die wie ein Endpunkt anmutet. Zugegeben: Diesen Kniff finden wir bei George R.R. Martin nicht.

The Witcher: Ist Ciri die neue Arya Stark?

Geralts spätere Schülerin Ciri empfiehlt sich derweil als geistige Nachfolgerin von Arya Stark (Maisie Williams). Beide haben in jungen Jahren ihre Eltern verloren und stehen vor der Herausforderung, allein durch die Welt zu ziehen, während sich ihre Familien in einem blutigen Konflikt befinden.

Genau wie Arya erweist sich Ciri als verdammt zäh, schüttelt Verfolger ab und trotzt Gefahren in einer gefährlichen Umgebung. Mutig begibt sie sich auf die Suche nach Geralt, doch hat sie auch noch viel zu lernen und manchmal steht einfach auch das Glück auf ihrer Seite. Speziell für junge Zuschauer taugt sie ohne Weiteres als Heldin, zu der man gerne aufschaut.

Sex in The Witcher: Geralt lässt nichts anbrennen

Hauptfigur Geralt offenbart sich schnell als Lebemann und wird von Renfri in Folge 1 verführt. In den The Witcher-Romanen gibt es nicht allzu viele - geschweige denn explizit beschriebene - Sex-Szenen, das Videospiel The Witcher 3 kommt schon etwas verruchter daher. Die Serie macht bei dem Thema keine Gefangenen und lässt Geralt im Verlauf der 1. Staffel mit mehreren Frauen anbandeln.

Das erotische Potenzial der Bücher wie auch der Spiele voll auszuschlachten, ergibt für The Witcher natürlich absolut Sinn, schließlich machten Nacktheit und Sex bei Game of Thrones ebenfalls einen Teil der Faszination aus. Jedoch spielte dort in dem Zusammenhang häufig auch Gewalt eine Rolle, weshalb die HBO-Produktion mitunter heftige Kritik auf sich zog.

The Witcher: Henry Cavill als Geralt

The Witcher fällt in dieser Hinsicht weit weniger kontrovers aus: Geralt weiß die Freuden des Lebens zu schätzen, behandelt andere aber regelmäßig mit Respekt und ist vor allem kein Vergewaltiger. Dass die Serie ähnliche Diskussionen auslösen wird wie Game of Thrones, ist daher zu bezweifeln. An die Qualitäten des Ausnahmephänomens reicht The Witcher allerdings auch nicht heran.

In unserem Podcast gehen die Meinungen zu The Witcher weit auseinander

Wir gehen in der neuen Podcast-Folge von Streamgestöber den gespaltenen Meinungen zu The Witcher auf den Grund:

Während Ines viele Argumente gegen The Witcher findet, haben unser Kollege Dennis von GamePro und Max gemischte Gefühle und Andrea kommt bei der Serie ins Schwärmen. Wir können uns immerhin einigen, dass nach der 1. Staffel The Witcher ein Musical-Spin-off von Rittersporn angebracht wäre.

Hat euch The Witcher auch stark an Game of Thrones erinnert?

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