The Witcher: Netflix' Epos ist ziemlich trashig und unfreiwillig komisch

21.12.2019 - 15:30 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
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Ich habe mich in die Welt von Netflix' The Witcher gestürzt. Wie die Serie ohne jegliches Vorwissen zu den Büchern und Spielen wirkt, erfahrt ihr in meinem Seriencheck.

Im Jahr 2019 konnten sich Fantasyfans wirklich nicht beklagen. Nach dem Ende von Game of Thrones warteten Carnival Row, Der dunkle Kristall, His Dark Materials und nun endlich auch The Witcher darauf, den Durst der Fans zu stillen. Aber kann Netflix mit The Witcher der großen Konkurrenz standhalten?

Der Hype um die Hexer-Romane und die erfolgreiche Videospielereihe ist leider an mir vorbeigegangen. Daher habe ich mir die Frage gestellt, wie es, ist die heiß erwartete Adaption ohne jegliche Vorkenntnisse zu sehen. Kann The Witcher dem Hype gerecht werden? Und schafft es Henry Cavill eine ganze Serie zu tragen?

Das erwartet euch in Netflix' The Witcher

  • The Witcher ist ein wilder Mix aus Fantasy-Trash, Humor, Sex und blutiger Gewalt.
  • Die 1. Staffel folgt den drei Hauptfiguren Geralt, Yennefer und Ciri in drei separaten Handlungssträngen, die sich erst später überschneiden.
  • Die eindrucksvollen Actionszenen begeistern, täuschen aber nicht über die unnötig komplizierte Inszenierung und teilweise grausige Schauspielleistung hinweg.

The Witcher überfordert mit einer riesigen Fantasywelt

Ohne Vorkenntnisse fühlte ich mich etwas aufgeschmissen, als mich The Witcher gleich zu Beginn in die unbekannte Welt voller Fremdwörter, Namen und Monster hinein warf. Wer die Serie im englischen Originalton sehen will, sollte unbedingt die Untertitel einschalten, um die zahlreichen Begriffe verstehen zu können.

Henry Cavill in The Witcher

Ich kann mir vorstellen, dass Fans der Bücher viel Spaß daran haben, wenn ständig auf Personen, Orte und Ereignisse verwiesen wird, die allerdings wenig für die aktuelle Handlung beitragen. Für Nichtkenner wie mich macht das Worldbuilding den Einstieg jedoch eher anstrengend. Und so wird The Witcher für Neulinge zu einer komplett anderen Seherfahrung.

Gleich in der ersten Folge betritt der Hexer und Monster-Auftragskiller Geralt das kleine Dorf Blaviken. Die Menschen hier halten wenig von seiner Spezies und entgegnen ihm so sehr mit Hass wie die Fans den ersten Testaufnahmen von Henry Cavill als Geralt. Ob er seiner Vorlage gerecht wird, kann ich nicht sagen. Mich stören allerdings andere Faktoren gewaltig.

The Witcher wirkt nicht wie eine Hochglanzproduktion

Der Look der Serie hat mich zu Beginn überrascht. Seltsame Filter, schlechte CG-Effekte aus den 2000ern und die teilweise viel zu stark ausgeleuchteten Szenen lassen The Witcher an manchen Stellen wie eine Direct-to-Video-Produktion aussehen.

Gerade in den ersten Folgen zerstören die befremdlich billigen Kontaktlinsen der Darsteller und sichtbaren Perückenansätze die Illusion einer greifbaren Fantasywelt. Für eine derart teure Netflix-Produktion wirkt The Witcher leider ziemlich trashig und unfreiwillig komisch.

The Witcher

Als Beispiel sei ein Treffen zwischen Geralt und dem Zauberer Stregobor (Lars Mikkelsen) genannt. Während die beiden sich inmitten eines stark ausgeleuchteten Paradieses unterhalten, hüpfen im Hintergrund nackte Frauen herum und streicheln ungeschickt Äpfel an Bäumen.

Die schlechten Computereffekte fallen auch direkt in der Pilotfolge bei einer gewaltigen Schlacht auf, wenn sich Hunderte von Soldaten über ein Schlachtfeld bewegen und diese Masse merkbar am Computer dupliziert und in eine Szene hineingesetzt wurde. Glücklicherweise werden die Effekte in den späteren Folgen besser und eine finale Schlacht am Ende weiß dann doch visuell zu beeindrucken.

The Witcher auf Netflix: Eine simple aber viel zu komplizierte Handlung

Wer nach den Trailern dachte, The Witcher handelt nur von Geralt von Rivas Monsterjagd, der wird überrascht sein. Denn in den ersten Folgen ist The Witcher eigentlich 3 Serien in einer. Gleichwertig folgt die Serie drei unterschiedlichen Figuren.

  • Geralt von Riva: Der Hexer erlebt in jeder Folge ein neues Abenteuer, in dem er ein "Monster der Woche" jagt.
  • Yennefer: Zu Beginn folgt die Serie ihren Erlebnissen an einer Hexenakademie mit Hogwarts-Anleihen und ihrer Wandlung vom buckeligen Mauerblümchen zur attraktiven Zauberin.
  • Prinzessin Ciri: Ihr Handlungsstrang führt uns an den Königshof von Cintra. Nach einer großen Schlacht mit dem Königreich Nilfgaard, befindet sich die junge Thronfolgerin auf der Flucht. Haben wir diese Story nicht schon in Game of Thrones mit Arya Stark erlebt?
The Witcher: Geralt, Ciri und Yennefer

Wie sie ihre Handlungsstränge irgendwann überschneiden, soll an dieser Stelle nicht gespoilert werden. Doch im Grunde ist The Witcher eine sehr simple und geradlinige Story, die durch die Aufteilung in drei Handlungsstränge unnötig verkompliziert wird.

Denn die Ereignisse in The Witcher spielen alle in unterschiedlichen Zeitebenen, was sich erst nach 4 Folgen heraus kristallisiert und für einige Zuschauer verwirrend sein dürfte. Die Aufmerksamkeit der Zuschauer wird vorausgesetzt, um den unterschiedlichen Zeitsprüngen folgen zu können, die oft nur in Nebensätzen erklärt werden.

The Witcher auf Netflix: Wie gut sind die Darsteller?

Angeführt wird The Witcher von Hollywoodstar Henry Cavill als emotionsloser, mutierter Hexer. Auch wenn eine tiefe Stimme manchmal wie eine Batman-Imitation wirkt, ist es sein trockener Humor, der die düstere Stimmung immer wie aufheitert.

Mehr als ein paar coole Sprüche und packende Kampfszenen hält das Drehbuch in den ersten Episoden leider nicht für ihn bereit. Am besten funktioniert Geralt, wenn er mit anderen Hauptfiguren interagiert. So gehören die Szenen mit seinem Sidekick, dem Barden Rittersporn (Joey Batey), zu den witzigsten der Serie. Jetzt weiß ich, warum dieser ein Fanliebling aus den Spielen ist.

An dieser Stelle muss ich auch kurz meine Liebe zu Rittersporn äußern, dem Barden mit der behaartesten Brust der ganzen Serie. Nach der 2. Folge war er schon mein Lieblingscharakter und brachte mir durch seine ständigen Gesangseinlagen den schrecklichsten Ohrwurm-Horror des Jahres: "Toss a coin to your witcher!"

Auch Ciri (Freya Allan) und Yennefer (Anya Chalotra) werden von ihren Darstellerinnen gut verkörpert. The Witcher leidet jedoch unter sehr schwachen Nebenfiguren, die teilweise von schlechten Laiendarstellern gespielt werden und uns sämtliche europäische Dialekte präsentieren. Wenn ein Elf Englisch wie Arnold Schwarzenegger spricht, ist der Gipfel der Fremdscham erreicht.

The Witcher ist ein Genre-Mischmasch, das mächtig Spaß macht

Auch wenn Netflix' The Witcher oft trashig wirkt, macht die Serie mächtig Spaß. Denn mit jeder Folge und jedem Handlungsstrang schlägt sie neue Genre-Richtungen ein und bleibt immer überraschend. Es gibt Comedy, Drama, Horror und auch die ein oder andere Orgie.

Fantasyfans bekommen in The Witcher alles zu sehen was das Genre hergibt: egal ob Elfen, blutige Schlachten, Magie, verzauberte Prinzessinnen und neu interpretierte Märchengestalten. Gerade dieses Genrewechselspiel lässt die 60-minütigen Folgen wie im Flug vergehen und The Witcher wird von Folge zu Folge besser.

Geralt kämpft in The Witcher

Das Highlight in The Witcher sind jedoch die Kampfszenen. Bereits in der 1. Folge schnetzelt sich Geralt so stylisch durch die Straßen von Blaviken, als hätte Guy Ritchie hier kurz die Regie übernommen.

Der blutige Kampf gegen eine sogenannte Striege und eine nervenaufreibende Flucht durch magische Portale sind nur einige Beispiele der spannend inszenierten Actionszenen, die all die trashigen Elemente und zahlreichen Game of Thrones-Vergleiche vergessen lassen.

Die 1. Staffel von The Witcher umfasst 8 Episoden, die am 20. Dezember 2019 bei Netflix erschienen sind. Als Grundlage für diesen Seriencheck diente die komplette Staffel.

Konnte euch The Witcher als Fantasyserie begeistern?

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