Drei Folgen lang offerierte uns die 8. Staffel von The Walking Dead Non-Stop-Action, ehe letzte Woche zum ersten Mal die Saviors wieder die Oberhand über die Geschehnisse gewannen. Ausgerechnet - bzw. natürlich! - Ezekiel (Khary Payton) und seine Truppe mussten dran glauben. Nachdem der Anführer des Kingdoms bisher mit realitätsfernen Motivationsansprachen zur unglücklichsten Figur der aktuellen Runde avancierte, bekommt er nun die Quittung dafür. Dabei prahlte er eben noch mit ausgestelltem Lächeln, denn selbst im Angesicht des Weltuntergangs vermag den tapferen Krieger nichts zu erschüttern. Doch nun hört er seinen Untergang - in Form von unzähligen Gewehrsalven. Some Guy, die 4. Folge der 8. Staffel, schließt nahtlos an dieses schockierende Ereignis an und verwandelt in einem geschickten Schachzug Ezekiel in eine vollwertige Figur, die endlich ihren Panzer ablegt und ihr wahres Gesicht offenbart.
Bevor die große Charakterwandlung erfolgt, erinnert uns Drehbuchautor David Leslie Johnson an den unerträglichen Ezekiel, der geschwollen redet und vor Hochmut geradezu überquillt. In einem sonnigen Flashback streift er durch die eigenen Reihen. Regisseur Dan Liu inszeniert eine Abschiedsszene voller Zeitlupen und emotionaler Umarmungen. Dann reißt der König das Wort an sich, während die Musik im Hintergrund dermaßen pathetisch anschwillt, dass der Sprung zum Transformers-Sequel nur noch ein minimaler ist. "And yet I smile", posaunt Ezekiel ein letztes Mal in die Menge, bevor einer der gewaltigsten Schnitte der gesamten Serie die Illusion des Sieges gnadenlos zerstört. Auf grüner Wiese liegen die Leichen seiner Mitstreiter. Zerfetzte Körperteile und Innereien erinnern an jene verstörende Eröffnungssequenz aus Der Soldat James Ryan, wenn die Alliierten Omaha Beach stürmen und nichts als Leid und Tod im chaotischen Gemetzel erfahren.
Some Guy überspringt zwar den Akt des Tötens, die Auswirkungen sind jedoch nicht weniger vernichtend. Ein erschütternder Anblick, der nicht mit Close-ups geizt und Ezekiel dem härtesten Realitäts-Check unterzieht, den er in dieser Welt bekommen kann. Nicht nur sorgt eine Verletzung am linken Bein dafür, dass der König nicht mehr stehen kann. Nein, gebrochen kriecht er durch den Schlamm der Toten und zieht sich über die leblosen Körper seiner Verbündeten, in der Hoffnung, rechtzeitig aus der Schusslinie des Feindes zu gelangen. Die Niederlage ist entsetzlich, nicht einmal Munition ist übrig geblieben, um sich der drohenden Beißer-Flut zu entledigen. Schon bald rudert Ezekiel in einem Zombie-Meer ums Überleben, während ihm die gefallenen Kollegen an die Gurgel gehen. Ein Albtraum, der von Minute zu Minute schlimmer wird. Selbst im Angesicht der Rettung erschüttert ein weiterer Schuss die Umgebung. Nun findet er sich in den Händen eines Saviors wieder.
Gunther ist der Name des schießwütigen Gegenspielers, der hinsichtlich seiner Äußerlichkeiten wahrlich aus der Zeit gefallen ist. Frisur, Kleidung und Accessoires wirken, als hätte sich jemand in der Garderobe von The Americans verirrt. Gepaart mit dem merkwürdigen Verhalten des Neuankömmlings sorgt dieser Umstand für Irritation und unfreiwillig komische Momente. Dennoch sollten jene Szenen nicht unterschätzt werden, da sie in Ezekiel einen messerscharfen Durchblick zutage fördern. Plötzlich verschwinden die abwegigen Versprechen und entwaffnende Worte kommen zum Vorschein: "Tell me: does Negan know your name?" Zur Rettung bedarf es dennoch mehr als verbale Lanzenstiche. Jerry (Cooper Andrews) erweist sich als Held der Stunde und zweiteilt den garstigen Gunther mit seiner mächtigen Axt, bei der selbst so mancher Ork aus der Herr der Ringe neidisch werden würde. "Your majesty", sprudelt es aus Jerry eifrig vor Glück heraus.
Von dieser Anrede will Ezekiel allerdings nichts mehr wissen. Regelrecht beschämt weist er den Status von sich. Nach all dem Tod und Verderben, welches er in den letzten Minuten bezeugen musste und zu einem gewissen Teil selbst zu verantworten hat, muss ihn Jerrys ungebrochene Begeisterung und Loyalität innerlich zerreißen. Wenngleich er sich seit Anbeginn der Zombie-Apokalypse einen gewissen Ruf erarbeitet hat, ist er am Ende des Tages immer noch ein Zoowärter, der zum Held geworden ist, weil sonst kein Held vorhanden war. Ein weiterer Flashback entmystifiziert jenen Mann, der sich im Krieg mit einem Tiger brüstet und der Gefahr furchtlos ins Auge sieht. Gegenüber Carol (Melissa McBride) lässt er jedoch die Maske fallen und erzählt von der alles verändernden Entscheidung, die er im Augenblick der Not getroffen hat. Eine Entscheidung, die ihn nun zum König der Toten macht. Aber immerhin hat er sie getroffen - genauso wie Carol.
In einem unerwarteten Moment spannt Some Guy den Bogen über die gesamte Serie, erinnert an eine Zeit, in der Carol unscheinbar im Hintergrund agierte, bevor sie sich ihre Badass-Attitüde angeeignet hat, mit der sie nun im Alleingang durch den Saviors-Stützpunkt marschiert und dutzende Gegner ohne mit der Wimper zu zucken eliminiert. Selbst am Ende aller Tage sind es also Entscheidungen, die den Menschen definieren - und das ist grundsätzlich eine hoffnungsvolle Perspektive. So entscheidet sich Carol nicht nur später dazu, ihre Mitstreiter zu retten, anstelle ihrem Tötungstrieb nachzugeben, genauso wie sich Ezekiel dazu entscheidet, die Wahrheit zu sagen: "No! I'm not your king. I'm not your majesty." 45 Minuten lang hat sich diese Eruption der Gefühle angedeutet, jetzt sprudelt es aus Ezekiel heraus. Er erträgt es nicht länger, sich zu einer Person zu stilisieren, die einen aufrichtigen Weggefährten wie Jerry bloß ins Unheil stürzt. "I'm just some guy."
Dan Liu verlagert diese entscheidende Sequenz der Erkenntnis in einen matschigen Waldabschnitt, der vom Dunst der Ungewissheit überlagert wird. Es fühlt sich so an, als würde hier der Tod brodeln, und tatsächlich dauert es nicht lange, bis Zombies die Grube stürmen. Shiva ex machina! Opferbereit stürzt sich der treue Tiger in die hungrige Meute, ehe er selbst als Hauptgericht auf der Speisekarte landet. Tragik und Epik befinden sich im Einklang in diesem packenden Episodenfinale, das hervorragend an die zuvor gezeigte Verfolgungsjagd mit Rick (Andrew Lincoln) und Daryl (Norman Reedus) anschließt. Inszenatorisch hebt sich Some Guy deutlich vom ruppigen Geballer der letzten Episoden ab und schafft eine dynamische Actionsequenz mit Geschwindigkeit, wie sie in The Walking Dead nicht alle Tage zu sehen ist. Subtil mag dieses Kapitel nicht gewesen sein. Dafür aber überaus effektiv und durchaus mitreißend.
Die 8. Staffel von The Walking Dead wird Sonntags in den USA auf AMC ausgestrahlt und ist hierzulande auf FOX zu sehen. Wer noch mehr über den Staffelauftakt erfahren will, kann heute um 17:00 Uhr bei unserem Livestream auf Youtube vorbeischauen.
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Was bisher geschah:
- The Walking Dead - Staffel 8, Folge 1: Gnade über Zorn
- The Walking Dead - Staffel 8, Folge 2: Wir kommen, um zu töten
- The Walking Dead - Staffel 8, Folge 3: Monster ohne Gewissen