The Walking Dead - Staffel 8, Folge 1: Gnade über Zorn

24.10.2017 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
The Walking Dead - Staffel 8, Folge 1: MercyAMC
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The Walking Dead meldet sich mit einem actiongeladenem Staffelauftakt zurück. Die 100. Episode zelebriert das Vergangene, verliert sich im Gegenwärtigen und blickt in eine ungewisse Zukunft während und nach dem Krieg gegen Negan.

Das Timing hätte wohl kaum besser sein können: Der Auftakt der 8. Staffel von The Walking Dead markiert auch die 100. Episode der Zombieserie, die seit 2010 auf AMC regelmäßig Rekorde bricht und sich neben Game of Thrones wohl zur populärsten Geschichte gemausert hat, die im Kabelfernsehen von Woche zu Woche erzählt wird. Diesen Umstand haben sich Showrunner Scott M. Gimple und Greg Nicotero, der den Staffelauftakt inszenierte, zum Anlass genommen, um ein actionreiches Feuerwerk zu veranstalten, das sämtliche Facetten des apokalyptischen Dramas gleichermaßen feiert wie zur Schau stellt. Mercy, die 1. Episode der 8. Staffel, protzt mit beachtlichen Spezialeffekten und zelebriert die Fortführung der beliebten All Out War-Storyline, die seit der 6. Staffel vorbereitet wird und nun endlich in die Gänge kommt. Dank starker Motive geraten auch die abgründigen Aspekte der Erzählung nicht in den Hintergrund.

Seit 100 Episoden müssen wir den kräftezehrenden Überlebenskampf in der Zombie-Apokalypse bezeugen. Ewig streunen die Untoten durch die Gegend und sorgen für Chaos, ebenso diverse Bösewichte, deren Körper noch nicht zu modern begonnen haben, wenngleich ihr Verstand im Jenseits verschwunden scheint. Außerdem sind da die Konflikte innerhalb der verschiedenen Gruppen an Überlebenden, die schlussendlich den Menschen als größte Gefahr im Angesicht des Weltuntergangs erklären. Gleichzeitig sind exakt diese Menschen womöglich der einzige Grund, warum Rick (Andrew Lincoln) nach 100 Episoden immer noch am Leben ist. Je dringlicher ihn ein Antagonist wie Negan (Jeffrey Dean Morgan) über den Jordan schicken will, desto entschlossener wird sein Überlebenswille. The Walking Dead hat sich unlängst in ein persönliches Drama verwandelt - und trotzdem geht es hier nicht (nur) um Rick.

Gabriel (Seth Gilliam), der Mann Gottes in einer Welt, die der vermeintliche Schöpfer offenkundig verlassen hat, ist es, der Rick auf den Boden der Tatsachen zurückholt und an die Prioritäten der bevorstehenden Auseinandersetzung erinnert. Nachdem die Saviors zuletzt in Alexandria ein Blutvergießen sondergleichen angerichtet haben, bereitet sich Rick zusammen mit seinen Verbündeten aus dem Kingdom und der Hilltop Colony auf den Gegenschlag vor. Ein taktisches Manöver, eine umfangreiche Aktion: Es herrscht Krieg, so brutal und unerbittlich, wie das Wort alleine im Klang seiner Aussprache zur Geltung kommt. Im morgendlichen Nebel wird die Gefolgschaft mit einer packenden Ansprache aufgepeitscht. Entgegen der kürzlichen Niederlage lodert in Rick ein beängstigendes Feuer, das ihn zur Rache verleitet. Zu siegessicher fühlt sich der Anführer durch Dwights (Austin Amelio) Informationen. Die Zukunft gehört uns, verkündet er im Kreis seiner Anhängerschaft.

Was folgt, ist ein Ticken, das in seiner nervenaufreibenden Geste direkt aus Christopher Nolans Dunkirk entkommen sein könnte. Mercy gestaltet sich als einziger Countdown der seinen Höhepunkt allerdings schon bei Sieben erlangt. Eine Explosion jagt die nächste und leitet eine gewaltige Zombie-Horde Richtung Negan, der anfangs noch glucksend Gregory (Xander Berkeley) als jämmerlichen Verräter vorführt, ehe sein Ass im Ärmel an der unerschütterlichen Überzeugung der Kontrahenten zerschellt. Greg Nicotero gewährt dem mordlustigen Psychopathen die meiste Zeit über lediglich einen kleinen Spalt durch metallene Barrikaden, die ihn wie die Zielscheibe einer Schießbude isolieren, ja, regelrecht als Hampelmann ausstellen, der genauso fluchtartig wie seine Handlanger die Bühne verlässt. Die Negan-Show ist vorbei - oder zumindest hat Rick gelernt, diese rechtzeitig mit Pistolenschüssen zu unterbrechen, ehe sie ihr einschüchterndes Ausmaß erreicht.

Mercy strahlt trotz der im Titel kolportierten Vergebung einiges an Aggression aus, was unter anderem in der aufregenden Inszenierung zur Geltung kommt, die der rohen Gewalt direkt ins Auge blickt und besonders in der zweiten Hälfte die Zombie-Apokalypse noch eine Spur apokalyptischer wirken lässt als sonst. Zwischen all den peitschenden Gewehrsalven und röchelnden Beißer-Geräuschen ist im Auftakt der 8. Staffel allerdings ebenso große Unsicherheit zu vernehmen, die aufkeimt, sobald die tickende Bombe hochgegangen ist. Dann schwankt The Walking Dead plötzlich zwischen niederschmetternden Augenblicken und strahlenden Aufnahmen einer friedlichen Zukunft in Alexandria. Ganz egal, was davon echt und was davon erträumt ist: Entscheidend ist die Sehnsucht nach einem Ende, die ausdrücklich durch die gesamten 45 Minuten von Mercy dringt, als würde Rick gleich unter der ihm aufgeladenen Last zerbrechen.

Erst Gabriel erinnert Rick wieder daran, was der wahre Grund ist, der ihn zur Waffe greifen ließ. In der Serie, in der Rick seit 100 Episoden um sein Leben kämpft, geht es nicht um ihn, sondern um die Gruppe. Das Miteinander genießt in The Walking Dead einen bemerkenswert hohen Stellenwert, weil es alles andere als selbstverständlich ist. Der Gemeinschaftsgedanke geht sogar so weit, dass Gabriel zum Schluss sein eigenes Leben aufs Spiel setzt, um Gregory trotz seines erbärmlichen Handelns zu retten. Den Preis dafür, muss der Gläubige jedoch selbst zahlen, als er sich wenige Minuten später im Dunkeln wiederfindet, wo er genüsslich von Negan in Empfang genommen wird. Eine böse, eine bittere Pointe, die den Kontrast von Ricks Fantasie einer heilen Welt zutage fördert. Bevor sich The Walking Dead jenem Happy End mit "Weird Al" Yankovics Queen-Parodie Another One Rides the Bus nähert, müssen die Figuren unbeschreibliche Qualen erleben.

Besonders interessant in diesem Kontext ist ein Moment zwischen Carl (Chandler Riggs) und seinem Vater, als dieser einen fremden Mann (Avi Nash) mit den gleichen Pistolenschüssen davonscheucht, wie er sie zuvor auf Negan abgefeuert hat. Das Risiko, dass der Fremde aus dem feindlichen Lager stammt, will Rick auf keinen Fall eingehen. Tödlich verletzt hat er ihn trotzdem nicht, um somit wenigstens die Chance des Überlebens offen zu lassen. Das ist aber nicht genug, meint Carl, ehe er auf Ricks Nachfrage an die Hoffnung in jener düsteren Stunde appelliert, die sein Vater trotz erträumtem Paradies aufgegeben hat. Gekonnt lässt The Walking Dead zwei Weltanschauungen aufeinandertreffen, wie sie unterschiedlicher (und gewissermaßen naiver) kaum sein könnten, obwohl beide aus den gleichen grauenvollen Erlebnissen resultieren. "My mercy prevails over my wrath." Wir dürfen gespannt sein, ob Rick daran festhalten wird.

Die 8. Staffel von The Walking Dead wird Sonntags in den USA auf AMC ausgestrahlt und ist hierzulande auf FOX zu sehen. Wer noch mehr über den Staffelauftakt erfahren will, kann heute um 17:00 Uhr bei unserem Livestream auf YouTube vorbeischauen.

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