König der Löwen und Co.: Disney rast mit Vollgas in eine kreative Sackgasse

22.07.2019 - 17:30 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Der König der LöwenDisney
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Der König der Löwen ist bereits das dritte Disney-Remake, das dieses Jahr in die Kinos kommt. Wenn das Studio so weitermacht, gibt es in ein paar Jahren keine Stoffe mehr, die neu aufgelegt werden können.

Disney schwimmt aktuell auf einer unglaublichen Welle des Erfolgs. Kaum ein Wochenende vergeht, an dem das Studio mit seinen Filmen nicht einen der vorderen Plätze der Kinocharts belegt - und dafür sind nicht nur Marvel, Star Wars und Pixar verantwortlich. Nein, auch die Remakes des eigenen Klassiker-Katalogs zünden seit einigen Jahren regelmäßig an den Kinokassen und kommen in stetig höherer Frequenz ins Kino.

Nach Dumbo und Aladdin markiert Der König der Löwen den dritten Film, den Disney dieses Jahr beruhend auf auf einem seiner alten Zeichentrickfilme in die Kinos bringt - und ein Ende ist nicht in Sicht. Kaum blickt Simba in den Sternenhimmel, kündigt sich das nächste Update am Horizont an, dieses Mal in Form von Mulan und The Little Mermaid, von einem Cruella-Film mit Emma Stone ganz zu schweigen.

Die wichtigsten Beobachtungen zu Disney und seinen Remakes

  • Seit dem Erfolg von Tim Burtons Alice im Wunderland baut Disney zielstrebig sein Remake-Geschäft aus.
  • Momentan befinden sich zahlreiche Projekten in der Pipeline, doch irgendwann geht Disney der Stoff aus.
  • Disney muss daher einen Weg finden, um dem eigenen Vermächtnis zu entkommen und etwas Neues zu schaffen.

Springen wir kurz zurück in die frühen 2000er Jahre, als die Filmlandschaft noch ganz anders aussah, insbesondere mit einem Blick auf die Dominanz von Disney am Box Office. Die war nämlich so gut wie nicht vorhanden - heutzutage kaum vorstellbar, aber in der Zeit nach der Jahrtausendwende für niemanden in Hollywood eine Überraschung, denn Disney strauchelte mit seinen Animationsfilmen.

Dazu kam der Umstand, dass Disney die entscheidende Idee fehlte, um von seinem hauseigenen Katalog an beliebten Geschichten und Figuren Gebrauch zu machen, sodass sich das Studio in den nächsten Jahren darauf fokussierte, Marken einzukaufen. Zuerst Pixar, dann Marvel und Star Wars in Form von Lucasfilm: Es dauerte nicht lange, da trug die Strategie erste Früchte und befeuerte Disneys Aufstieg zum mächtigsten Studio.

Im Zuge dieses Aufstiegs ist es Disney ebenfalls gelungen, seine erste große Live-Action-Adaption in Stellung zu bringen, die eine neue Ära an Disney-Filmen einläuten sollte: Alice im Wunderland. Ein Test-Ballon, der sich einen durchaus bekannten und beliebten Zeichentrickfilm ausgesucht hatte, jedoch so gewählt wurde, dass er im Fall eines Misserfolgs nicht gleich das behütete Erbe der Disney-Klassiker beschädigte.

Disney entdeckt die Verwaltung des eigenen Erbes als Geschäftsmodell

Beflügelt vom durch Avatar - Aufbruch nach Pandora ausgelösten 3D-Hype passierte Alice im Wunderland 2010 die Milliarden-Marke und öffnete damit eine Schatztruhe, die Disney seit einer Dekade nicht mehr angerührt hatte. Kein Vergleich zu den 101 Dalmatiner-Filmen mit Glenn Close und erst recht nicht zu Stephen Sommers Das Dschungelbuch-Verfilmung: Alice im Wunderland ging komplett durch die Decke.

Der Rest ist Geschichte: Disney staubt seitdem beständig die sogenannte Meisterwerke-Reihe ab und erweckt eine vertraute Geschichte im neuen Glanz zum Leben - als aufwendige Familien-Blockbuster mit kostspieligen Spezialeffekten und Stars wie Angelina Jolie, Emma Watson und Will Smith. Ewig kann das aber nicht so weitergehen, was in erster Linie darin liegt, dass Disney die großen Klassiker bald alle abgegrast hat.

Die ersten Probleme, die aus dieser Entwicklung resultieren, sind bereits erkennbar: Während die Nostalgie für die 1990er-Jahre-Stoffe wie Die Schöne und das Biest, Aladdin und Der König der Löwen am größten ist, neigen sich die noch ausstehenden Remakes jener Ära bald dem Ende zu. Mulan startet nächstes Jahr und für die Neuverfilmung von Arielle, die Meerjungfrau wird auch schon fleißig gecastet.

Auch der Der Glöckner von Notre Dame wird in naher Zukunft ein Update erfahren, sodass nur noch Pocahontas, Hercules und Tarzan übrig bleiben, ehe Disney die zuverlässigste Ecke seines Fundus erschöpft hat. Klar, auch The Jungle Book kratzte an der Milliarden-Marke, obwohl die Vorlage ein paar Dekaden weiter in die Vergangenheit zurückreicht. Dafür zeigte Dumbo erst Anfang des Jahres, wie schwer sich eine solche Adaption tun kann.

Die großen Herausforderungen kommen erst noch auf Disney zu

Nach Alice im Wunderland sollte Tim Burton den neben Bambi wohl ikonischsten Disney-Film aus den 1940er Jahren zurück in die Kinos bringen. Im Vergleich zu den anderen Remakes fällt Dumbo aber deutlich ab, was das weltweite Einspielergebnis angeht. In den USA konnte er nicht einmal sein Budget einspielen. Es eignen sich folglich nicht alle Disney-Klassiker - erst recht nicht die, die bis dato noch unberührt sind.

Sollte Der König der Löwen das Publikum überzeugen, steht einem neuen Bambi-Film zumindest aus technischer Perspektive nichts im Weg. Ob die Nostalgie des Publikums mitspielt, ist jedoch fraglich. Spannend wird es auch in der Liga von Robin Hood, der Tiere in die Rolle von menschlichen Figuren steckt und damit einer der paradoxesten Filme in der Liste möglicher Live-Action-Remakes sein dürfte. Oder wie wäre es mit einer fotorealistischen Version von Micky Maus in einem Fantasia-Remake?

Dazu kommt Disneys im November startender Streaming-Dienst Disney+, der ebenfalls beständig mit neuen und vor allem exklusiven Inhalten gefüttert werden will, angefangen mit dem Susi und Strolch-Remake Lady and the Tramp. Dennoch wird es schwerer, altbekanntes Material neu zu verwerten, und Fortsetzungen sind bisher ein großes Fragezeichen in Disneys anhaltender Remake-Schleife. Hier versteckt sich viel Potential, aber auch einige Herausforderungen.

Schien Alice im Wunderland: Hinter den Spiegeln ein sicherer Erfolg, entpuppte sich das Sequel als finanzieller Flop, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass es mindestens drei Jahre zu spät in die Kinos kam. Mit Maleficent 2: Mächte der Finsternis erwartet uns dieses Jahr eine weitere dieser verspäteten Fortsetzungen und wir dürfen gespannt sein, wie Angelina Jolies zweites Abenteuer als gute böse Hexe einschlagen wird.

Fortsetzungen und Seiteneinstiege als Schlüssel zum langfristigen Erfolg

Waren die Fortsetzungen der Zeichentrickfilme bei Disney früher ein lukratives, wenn auch liebloses Geschäft, das vorzugsweise Direct-to-Video abgewickelt wurde, gilt es nun, diese auch für die große Leinwand salonfähig zu machen. Mit Aladdin wurde erst jüngst ein solides Fundament geschaffen, das zur eigenen Filmreihe ausgebaut werden kann, auch ein zweiter Teil von The Jungle Book ist längst in Arbeit.

Um gegen etwaige Franchise-Müdigkeit anzukämpfen, könnte derweil Mulan ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung sein. Wenngleich der Abenteuerfilm auf einem Disney-Klassiker basiert, deutet momentan alles darauf hin, dass sich der von Niki Caro inszenierte Film keineswegs sklavisch an seinem Vorbild abarbeitet, sondern neue Wege geht und damit womöglich sein potentielles Publikum erweitern kann.

Auch Seiteneinstiege wie Maleficent - Die dunkle Fee und Cruella, die uns vertraute Geschichten aus einer anderen Perspektive zeigen, könnten in Zukunft sehr wertvoll für Disney werden, auch wenn das Studio damit seinem eigenen Vermächtnis nicht entkommt. Selbst wenn minimale Kursveränderungen für einen kleinen Lichtblick sorgen, bleiben sie am Ende des Tages genau das: minimale Kursänderungen.

Die Verwaltung des eigenen Erbes bleibt Disneys Priorität für die nächsten Jahre. Eine völlig neue Geschichte mit unbekannten Figuren suchen wir trotz Erfindungsreichtum vergebens. Der König der Löwen ist das perfekte Sinnbild dafür: Mit modernster Technologie rennt das Studio in eine kreative Sackgasse. Selten lagen beeindruckende Innovationen und ermüdende Wiederholungen so dicht zusammen.

Der Ausbruch aus diesem Kreislauf des Lebens scheint unmöglich. Gewissermaßen ist Disney gerade zu erfolgreich mit dem, was das Studio tut. Die Remake-Druckmaschine kann nicht mehr gestoppt werden, bis die Tinte ausgeht.

Was glaubt ihr, wie lange die Disney-Remakes noch das Kino dominieren werden?

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