Dude gegen Duke - True Grit als Original & Remake

10.02.2011 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Berlinale Countdown 2011: True Grit
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Berlinale Countdown 2011: True Grit
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Heute feiert True Grit seine Deutschlandpremiere als Eröffnungsfilm der Berlinale. Bereits vor 42 Jahren feierte allerdings ein Film Premiere, der auf dem selben Buch basiert: Der Marshall mit John Wayne als Rooster Cogburn.

Wer hätte das gedacht: Als Charles Portis seinen Roman Die mutige Mattie veöffentlichte, ahnte er nicht, dass er damit sogleich die Basis für zwei Oscar-Kandidaten schuf. 1970 gelang John Wayne bereits diese Meisterleistung, als er für seine Rolle des “Rooster” Cogburn in Der Marshal (OT: True Grit) seinen einzigen Oscar für die Beste Hauptrolle entgegennahm. 40 Jahre später könnte der Film True Grit, der heute die Berlinale eröffnet, dieses Kunstwerk wiederholen – er ist bereits nominiert für 10 Oscars. Grund genug für uns, beide Filme miteinander zu vergleichen.

Dabei stellen wir vor allem eines fest: Bei guten Filmen ist nicht die Handlung das Auffallende, sondern die Inszenierung durch den Regisseur. So weisen beide Filme exakt den gleichen Plot auf, einige Dialoge sind wörtwörtlich übernommen und selbst das Finale – so viel sei verraten – ist identisch. In beiden Filmen ist Marshall Rooster Cogburn ein heruntergekommener Trinker und sowohl Jeff Bridges als auch John Wayne brillieren in ihrer Rolle. Trotzdem handelt es sich bei Der Marshal und dessen Remake True Grit in ihrer Stimmung und Aussage um grundverschiedene Filme. Wie kommt das?

Der Spätwestern mit dem einäugigen Fettsack
Als Der Marshal 1969 erschien, hatte der amerikanische Western seine Blütezeit schon überschritten. Der Italo-Western lief den patriotischen US-Streifen den Rang ab und der “Duke” John Wayne hatte seine besten Jahre im Sattel bereits hinter sich. Dies spiegelt auch seine Rolle wieder: Wie in vielen der späteren Western ist der Held gebrochen, ein heruntergekommener, dickbäuchiger Säufer, der nur noch vom Ruhm vergangener Tage träumt. Anders jedoch als die Italiener, die ihre zweifelhaften Helden hart und unerbittlich zeichnen, beweist Der Marshal vor allem eines: Humor und Selbstironie.

John Wayne ist zweifellos das Zentrum des Filmes und kommentiert sowohl die frechen Sprüche der jungen Mattie Ross (Kim Darby) als auch die Missgeschicke seines Gefährten La Boeuf (Glen Campbell) mit einem herzhaften Lachen. Auch sonst wird die Trunksucht und die Schießwütigkeit des alten Haudegen vor allem feixend betrachtet. Dies spiegelt auch die Musik wieder, welche vor allem aus klassischen, gutgelaunten Westernmelodien besteht. Wütent wird der Duke nur in einer Situation: Wenn seine Todes-Drohung an die Banditen mit einem gleichgültigen “I call that bold talk for a one eyed fatman” abgetan wird. Unterm Strich bleibt allerdings ein vergnüglicher Western über ein willensstarkes Mädchen, einen alten Schlawiener mit dem Herz am rechten Fleck und eine große Freundschaft unter den Generationen.

Die Apokalypse in Lederhosen
Selbstironie und Humor – dies, so würden wir vermuten, sind doch klassische Zutaten für die Filme der Brüder Joel Coen und Ethan Coen. Doch weit gefehlt. Auch wenn wir im neuen True Grit von Zeit zu Zeit ein kleines Funkeln des tiefschwarzen Coen-Witzes erkennen können, bleibt der Film vor allem für die Figuren düster bis tiefschwarz. So wundert es nicht, dass wichtige Teile dieses Filmes im eisigen Winter und in der Dunkelheit angesiedelt sind.

Zentrum dieses Filmes ist nicht länger Rooster Cogburn, sondern seine minderjährige Auftraggeberin Mattie (Hailee Steinfeld), welche hier dem Dude Jeff Bridges und Matt Damon gehörig die Schau stiehlt. Doch während in Der Marshal ihr Plan, den Mord an ihrem Vater zu rächen, ganz selbstverständlich umgesetzt wird, beginnen wir im Remake schnell zu zweifeln: Wenn nach einiger Zeit die Cowboys aus ihren Satteln fallen wie Schießbudenfiguren, fragen wir uns, ob die Rache an einem einzelnen Mord überhaupt diese Strapazen wert ist. Immerhin führen uns die Coens eine Welt vor Augen, in der ein menschliches Leben noch weniger Wert ist als in den Mad Max-Filmen.

Auch die Musik ist hier düsterer, das Lachen bleibt dem Dude im Halse stecken und selbst die Bösewichter sind bestenfalls bemitleidenswert. Am Ende haben wir einen fast schon apokalyptischen Anti-Western, der uns unerbittlich wie selten zuvor die Frage nach dem Sinn von Rache angesichts eines allgegenwärtigen Mordens stellt, aber der auch den Kampf um das Leben eines Einzelnen umso größer erscheinen lässt.

Einen Unterschied in der Handlung der beiden Filme gibt dann aber doch noch: Sowohl Der Marshal als auch True Grit enden mit einem Prolog. Diese sind jedoch grundverschieden und fassen die Quintessenz der Filme noch einmal in Schlussbilder, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Welche? Schaut euch die Filme an! Sie sind – eine weitere Gemeinsamkeit – beide hervorragend.

Der Berlinale-Countdown läuft!
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Tag 4: Unsere Berlinale Highlights und Erwartungen
Tag 3: Gewinner des Goldenen Bären & eure Bewertung
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Einen Eindruck von der unterschiedliche Grundstimmung bieten schon die Trailer

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