Süd-Korea als Filmland und die Berlinale

02.02.2011 - 08:50 Uhr
Berlinale Countdown 2011
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Hollywood, Bollywood, Babelsberg & Cinecittà – die Studios stehen für große Filmnationen. Doch mittlerweile sind andere Länder in Sachen Filmkultur auf dem Vormarsch, allen voran Südkorea, dessen Filme zu den Publikumslieblingen der Berlinale gehören.

Spätestens seit bei der letzten Berlinale der koreanische Film Mother den Publikumspreis gewann und das Racheepos Oldboy auf fast jeder moviepilot-Empfehlungsliste zu finden ist, hat Südkorea den Ruf, hervorragende Filme am Fließband zu produzieren. Neben anderen aufstrebenden Filmnationen wie der Türkei, Thailand, Argentinien oder Belgien hat sich das kleine gespaltenene Land in den letzten zehn Jahren zum Mekka für die Freunde raffinierter Erzählstrukturen, avantgardistischem Mainstream-Filme und bizarrer Dramen entwickelt.

Zensur und Renaissance
Die Gründe für den Erfolg des koreanischen Kinos sind vielfältig. Lange war es still in Korea, dessen Filmkultur nach einem kurzen Aufschwung in den 1950ern durch das Propagandaministerium im Keim erstickt wurde. Dies änderte sich erst 1996 mit der Wahl von Kim Dae Jung zum Präsidenten und der einhergehenden Demokratisierung der ehemaligen Militärdiktaur. Damit fielen auch große Teile der Zensur weg, die eine kritische Filmkultur in Korea im Keim erstickte. Ein anderes altes Gesetz blieb allerdings in Kraft: Seit 1962 reglementierte die Militärdiktatur den Anteil koreanischer Filme in Kinos auf 40% der Gesamtspielzeit. Diese Propagandamaßnahme eines paranoiden Systems kommt nun jungen koreanischen Filmemachern zugute. Diese sahen sich wiederum in der Lage, Filme zu produzieren, da die boomende koreanische Wirtschaft auch das Kino als Investitionsfläche für sich entdeckte. So finanzierten Firmen wie etwa Samsung Kinoprojekte, um dann wieder mit dem entstandenen Ruhm von Schauspielern und Figuren werben zu können.

Von Korea lernen, heißt Siegen leren
Wichtigster Faktor war aber das Zusammenspiel zwischen Regisseuren und Publikum. Anfangs wollte Letzteres kaum etwas von koreanischen Produktionen wissen. Doch die koreanischen Filmemacher wussten die Herzen ihrer Landsleute zu erobern. Sie boten frische Ideen und zeigten einen ausgeprägten Sinn für die Sorgen und Probleme der koreanischen Gegenwart. So erkämpften sich die koreanischen Produktionen immer höhere Positionen in den Kinocharts, bis sie schließlich die ausländischen Filme fast komplett verdrängten. Außerdem sind die Koreaner ein Volk von cineastischen Feinschmeckern, die auch an anspruchsvollen und kontroversen Filmen Gefallen finden und nicht genug von Filmen bekommen. Willst du in Korea einen Film im Kino sehen, ist zunächst Planung gefragt, denn wer spontan ein Ticket für den Abend erstehen will, hat meistens Pech. Selbst Matinee-Vorstellungen von Filmen, die bereits mehrere Wochen Spielzeit hinter sich haben, sind oft ausverkauft. So können auch in diesem kleinen Land selbstproduzierte und qualitativ hochwertige Filme oft die magische Grenze von einer Million Kinozuschauern knacken und legen so den Grundstein für weitere Investitionen. Hier können sich die Deutschen etwas abschauen, denn so würden auch hier nicht mehr nur die Namen Til Schweiger und Uwe Boll für ein Kino stehen, dass auch unabhängig von Fördermillionen Gewinn abwirft.

Das Land der Brudermörder
Bei Filmen aus Korea stellt der Zuschauer oft beeindruckende Gemeinsamkeiten fest. So spielt in der Regel das Thema Familie eine große, aber unrühmliche Rolle. Von Inzest ist da die Rede (Oldboy, Mother), von Gewalt (A Tale of Two Sisters) und zerrütteten Verhältnissen (The Host). Familie und Gemeinschaft sind hier nicht nur meist bedroht, sondern selbst die Ursache der Bedrohung. Gekuschelt wird wenig. Doch woran liegt dies? Korea ist selbst ein zerissenes Land, dessen Grenze zu Nordkorea am 38. Breitengrad nicht nur Clans und Familien spaltet, sondern auch eine stete Gefahr für erneute Gewaltausbrüche in sich birgt, wie erst vor wenigen Wochen der nordkoreanische Angriff auf die kleine Insel Yeonpyeong zeigte. Schlägt sich diese nationale Zerissenheit und die Bedrohung durch den Norden auch in den Filmen und deren Fixierung auf unheilvolle Verwandschaften wieder? Auch der politische Konflikt selbst ist Gegenstand einiger koreanischer Produktionen, die so erst nach dem Wegfall der Zensur möglich wurden. So berichten Joint Security Area und Brotherhood von gegenseitiger Annährung und deren Gefahren. 684 – Eine Einheit kämpft um ihr Leben wiederum wirft ein Licht auf die eignene unrühmliche Geschichte Südkoreas.

Auch dieses Jahr laufen wieder mehrere koreanische Filme in den verschiedenen Berlinale-Sektionen. Dabei wandern die koreanischen Filme auch stärker aus den Exotenregionen wie dem Forum in den Berlinale-Wettbewerb, wie dieses Jahr Kommt Regen, kommt Sonnenschein. Qualität spricht sich eben herum. Wir hoffen, dass sich auch unter ihnen der eine oder andere zukünftige Klassiker verbirgt.

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