Die Top 7 der aufreibendsten Kammerspiele

22.11.2011 - 08:50 Uhr
Der Gott des Gemetzels
SBS Productions
Der Gott des Gemetzels
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Heute läuft Der Gott des Gemetzels an. Roman Polanski sperrt in seiner Verfilmung des Theaterstücks von Yasmin Reza Christoph Waltz, Kate Winslet und Co. in eine Wohnung und schaut zu, was passiert. Welche aufreibenden Kammerspiele gibt es noch?

Der Mensch ist ganz eigentlich ein Raubtier. Wir rennen zivilisiert durch die Gegend, verfolgen unsere Jobs, setzen Kinder in die Welt und lösen alle Probleme wie Erwachsene. Doch sperrt uns jemand, z.B. ein Regisseur, nur lange genug in einen Raum, dann werden Strukturen erkennbar, die weitaus grundlegender sind, als unser geregeltes Leben vorzugeben scheint. Das macht Roman Polanski in seinem neuen Film Der Gott des Gemetzels deutlich. Kate Winslet, John C. Reilly, Christoph Waltz und Jodie Foster durchbrechen die Oberflächenstruktur der grinsenden Verbalwelt und lernen schnell, dass unter aller Organisation immer noch lechzende Raubtiere stecken.

„Der Gott des Gemetzels“ – die Dynamik des Films stammt aus dem Theater. Die Einheit von Raum und Zeit, in diesem Fall heißt das: Vier Leute in einer Wohnung für die Länge eines Films. Wir haben uns überlegt, in welchen Filmen ein ähnliches Prinzip verfolgt wird. Welche Filme bestechen ebenso durch den begrenzten Raum und die steigende Spannung? Welche Filme lassen ihre Protagonisten in eng begrenzter Welt aufeinander los? Wir präsentieren euch unsere Top 7 der aufreibendsten Kammerspiele. Hierbei ist v.a. das Thriller-Element bedeutend, die steigende Spannung und die aufreibende Psychologie. Wann wird im Kammerspiel, das zweite, das wahre Gesicht offenbart? Daher nicht enttäuscht sein, wenn ihr manche Kammerspiel-Highlights, wie z.B. Die zwölf Geschworenen nicht wiederfindet. Wir haben versucht keinen Film ähnlicher, früherer Top-Listen zu wiederholen.

7. 8 Frauen – Catherine Deneuve und die teuflischen Acht
Zwar witzig und musikalisch, aber mindestens genauso spannend und abgründig. Außerdem lebt diese Krimikomödie von ihrem unsterblich guten Ensemble, das einfach so viele Top 7-Erwähnungen verdient wie möglich. Catherine Deneuve und die weibliche Crème de la Crème des Schauspiels sind alleine im Landhaus, der Hausherr ist ermordet und eines der Weiber muss es gewesen sein. Ein pervers-herziges Verwirrspiel um Mord, Lust, Begehren und Filmzitate beginnt.

6. Abwärts – Im Fahrstuhl mit Götz George
Freitagabend. Worauf du keine Lust hast, ist im Lift stecken zu bleiben und deine flüchtig bekannten Arbeitskollegen besser kennenzulernen, als sie es deiner Meinung nach verdient hätten. Doch genau das müssen Götz George und Hannes Jaenicke in diesem Film von Carl Schenkel über sich ergehen lassen. In runden 90 Minuten Fahrstuhl-Kammerspiel steckt alles, was der gut inszenierte Thriller braucht: ein bisschen Sex, ein bisschen Eifersucht, Geldgier und zu wenig Sauerstoff.

5. Persona – Zwei Schönheiten, ein Regisseur und ein Wahnsinnsfilm
Ich weiß. Dieser Film von Ingmar Bergman spielt weder durchgängig nur in einem Raum, noch ist er ein Thriller. Trotzdem gehören die Szenen im Sommerhaus zwischen Bibi Andersson und Liv Ullmann zum aufreibendsten und spannendsten, was mir zwischen zwei Menschen in einem Raum einfällt. Der schwedische Meister sprengt mit seiner Inszenierung jegliche Rahmen, den psychologischen, den persönlichen, den räumlichen, den materiellen. Persona ist für mich ein geniales Thriller-Kammerspiel, genauso technisch-kühl wie gleichzeitig spirituell-universell.

4. Doctor Who – Psycho-Suspense im Serien-All
Hier ein kleines Schmankerl in Sachen Suspense-Thriller und Kammerspiel-Kultur: In der Episode Midnight, der zehnten Episode von Staffel vier der neuen Serie, beweist die britische Science-Fiction-Show Doctor Who einmal mehr ihr Gespür für richtig gute Fernsehkultur. David Tennant, der zehnte zeitreisende Doktor, befindet sich auf dem Planeten Midnight und bleibt während einer Besichtigungstour mit dem Shuttle-Cruiser hängen. Die Passagiere können den Cruiser nicht verlassen, weil die Planetenoberfläche zu gefährlich ist. Draußen treibt sich irgendetwas Unheimliches um, und drinnen beginnt ein Passagier psychologisch höchst beunruhigende Auffälligkeiten zu zeigen. Die Episode strotzt vor genialen Einfällen und einzigartiger Who-Stimmung, trotz relativ Continuity-gelöster Stellung.

3. Mord mit kleinen Fehlern – Eloquenter Kleinkrieg unter Briten
Pointenreich schaukelt sich dieser Film von Joseph L. Mankiewicz auf, bis hin zum letzten Twist. Laurence Olivier gibt den exzentrischen Krimiautor und Michael Caine den Friseur, der eine Affäre mit der Frau des Schreibers pflegt. Der gehörnte, doch gefasst eloquente Olivier läd den ebenso schlagfertigen Michael Caine zu sich ein, um die Lage zu besprechen. Es beginnt ein genialer Kleinkrieg zweier begabter Kontrahenten.

2. Cocktail für eine Leiche – Filmwunder gefällig?
Alfred Hitchcock übertraf sich mit diesem Kammerspiel einmal mehr selbst. Ein ebenso abgründiges wie filmisch puristisches Meisterwerk. Die Kamera verlässt nach der Einstiegssequenz nicht mehr den Raum, sie entfernt sich auch durch keinen einzigen wirklichen Schnitt mehr vom Geschehen. In Echtzeit beobachten wir die unmoralischen Machenschaften zweier Männer vor, während und nach eine Cocktail-Party in ihrer eigenen Wohnung. Alfred Hitchcock dirigierte mit Cocktail für eine Leiche ein filmisches Wunder. Regeltechnisch müsste dieser Film aufgrund seiner Reinheit und seiner Perfektion auf Platz 1 stehen. Doch er tut es nicht. Da hilft auch James Stewart in seiner göttlichen Rolle als nihilistischer Professor nicht weiter.

1. Wer hat Angst vor Virginia Woolf?Be careful Martha. I’ll rip you to pieces.
Der Theatermann Mike Nichols hat mit seinem Debüt die Qualitäten der Bühne mit in eine filmisch genauso innovative wie auch stabil wirksame Inszenierung gebracht. An einem einzigen Abend lässt er Richard Burton und Elizabeth Taylor über ihre zivilisierten Hülsen hinauswachsen und macht sie zu zwei unsterblichen Leinwand-Furien. An diesem Werk hat Polanski sich zu messen. Hier wachsen die Enge des Settings und die psychologische Spannung der wenigen Protagonisten zu einem explosiven Gemisch der Sonderklasse. Wer hat Angst vor Virginia Woolf? ist die Nummer 1 des Kammerspiels, noch beengender, abgründiger und impulsiver als der virtuose Platz 2.

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