Der Hollywood-Streik erklärt: Zum ersten Mal seit 63 Jahren gibt es einen Doppelstreik und diese Serien und Filme sind betroffen

09.11.2023 - 08:13 UhrVor 1 Jahr aktualisiert
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Die Hollywood streiken zwei der größten Gewerkschaften: Autor:innen und Schauspielende. Wir erklären die Forderungen und Hintergründe des Doppelstreiks.

Update vom 9.11.: 118 Tage nach Beginn des Schauspieler-Streiks hat sich die Gewerkschaft SAG-AFTRA mit den Studios auf einen neuen Deal geeinigt. Der Streik steht vor dem Ende.

Update vom 27.9.: Nach 148 Tagen hat die Gewerkschaft WGA den Drehbuch-Streik für beendet erklärt.

Hier der ursprüngliche Artikel:

Seit Monaten steht Hollywood still. Filmdrehs wurden unterbrochen, Premieren verlassen, Interviews gecancelt. Eine dermaßen umfassende Niederlegung der Arbeit in der amerikanischen Filmindustrie gab es seit 63 Jahren nicht mehr.

Das hat massive Auswirkungen, auch auf Film- und Serien-Fans in Deutschland. Dieser Artikel erklärt den Doppelstreik und beantwortet folgende Fragen:

  • Was ist die einfache Erklärung für den Doppelstreik?
  • Warum streiken die Schauspieler:innen und die Autor:innen?
  • Was ist die Position der Studios und von Firmen wie Netflix und Amazon?
  • Welche Filme und Serien sind betroffen?

Die einfache Erklärung: Darum streiken die Stars in Hollywood

Die US-Gewerkschaften der Autor:innen und der Schauspielenden haben die Arbeit niederlegt, nachdem die Verhandlungen über eine Anpassung der Gehälter mit den Studios und Streaming-Diensten gescheitert sind. Hintergrund ist die Popularität von Streaming-Diensten, die das traditionelle TV-Geschäft verdrängen, aber die Kreativen nicht so bezahlen, wie es im TV-Bereich üblich war.

Es geht bei den Streiks nicht um eine bessere Bezahlung der großen Stars. Diese verhandeln ihre Gehälter mithilfe von Agenten und sind nicht auf Mindestlöhne angewiesen. Letzteres betrifft dagegen die große Mehrheit der Streikenden.

Bis auf Weiteres werden keine Drehbücher geschrieben, keine Filme und Serien gedreht oder Interviews gegeben. Das gilt aber nur für Mitglieder der US-Gewerkschaften und Produktionen, die deren Regeln unterliegen. Deutsche Filme sind nicht betroffen.

Grundlöhne, Tantiemen, KI: Die Forderungen der Gewerkschaften

Die Writers Guild of America (WGA) rief am 2. Mai zur Niederlegung der Arbeit auf. Im Juli scheiterten die Verhandlungen zwischen Schauspielenden (SAG-AFTRA) und Studios. Deshalb traten gleichzeitig zwei Gewerkschaften mit insgesamt über 170.000 Mitgliedern in den Streik.

In vielen Punkten ähneln sich die Forderungen der Autor:innen und der Schauspielenden. Hier haben wir drei Themengebiete, die für SAG und WGA relevant sind, herausgesucht:

  • Mindestlöhne: Anpassung der Löhne an die Inflation, aber auch die veränderte Produktion, da zum Beispiel mehr Serien produziert werden, aber pro Staffel weniger Episoden.
  • Tantiemen: Im klassischen TV-Geschäft erhielten Schauspielende und Autor:innen noch Jahre später Tantiemen ("residuals"), weil ihre Serien und Filme im Fernsehen wiederholt wurden. Bei weniger bekannten Filmemachenden (die überwiegende Zahl der Streikenden) war das ein beträchtlicher Anteil des Einkommens, der über Phasen der Arbeitslosigkeit hinweghalf, die in der Branche üblich sind. Werden Serien und Filme für Streaming-Dienste produziert oder lizenziert, fallen diese Tantiemen sehr geringfügig aus oder sie fallen ganz weg. Die Gewerkschaften bemängeln die fehlende Transparenz bei Abrufzahlen der Streaming-Dienste und fordern gerechtere Residuals.
  • Künstliche Intelligenz: Beide Gewerkschaften fordern eine Minimierung und Regulierung des Einsatzes von KIs bei der Kreation von Bildern und Text. Die Autor:innen wollen verbieten lassen, dass erzählerische Inhalte mithilfe von KIs erzeugt werden. Die Schauspielenden wollen verhindern, dass ihre Gesichter ohne ihre Zustimmung oder Entlohnung verwendet werden.

Beide Gewerkschaften haben weitere spezifische Forderungen, etwa was die Größe von Autorenstäben oder die Verwendung von Tapes fürs Casting angeht.

In einem Statement der SAG-AFTRA  heißt es, die veränderten Umstände "erschweren es unseren Mitgliedern zunehmend, einen mittelständischen Lebensstil als Künstler zu erreichen und aufrechtzuerhalten."

Was ist die Position der Studios und von Firmen wie Netflix und Amazon?

Die Allianz der Film- und Fernsehproduzenten (AMPTP) vertritt Studios wie Disney und Warner sowie Streaming-Dienste wie Netflix und Amazon. Sie führt schwächere Absätze seit der Coronavirus-Pandemie sowie sinkende Einnahmen im Streaming-, Fernseh- und Kinogeschäft als Argumente gegen die geforderten Mindestlohnerhöhungen an. Die AMPTP hat nach Angaben der WGA Vorschläge für die KI-Regulierung, Mindestzeiten für die Anstellung von Autor:innen und die Reduzierung von unbezahlter Arbeit abgelehnt. Eine Übersicht der Forderungen und der Gegenangebote gibt es in einem Dokument der WGA .

Die Angebote an die Schauspielenden sollen laut AMPTP "substanzielle Erhöhungen der Pensionen und Krankenversicherungen" und eine Erhöhung des Mindestlohns enthalten, wie es in einem offiziellen Statement bei Deadline  heißt. Bei den Streaming-Tantiemen beharren die Studios größtenteils auf dem Status quo. Ein Dokument der Screen Actors  Guild stellt die Positionen gegenüber.

Die Folgen des Doppelstreiks: Mehr als nur Dreh-Stopps

Seit dem 2. Mai 2023 dürfen Autor:innen nicht mehr an Serien oder Filmen mitarbeiten. Deswegen wurden bereits zahlreiche Filme und Serien, die in der Vorproduktion sind, gestoppt. Durch den Streik der Schauspielenden seit dem 14. Juli werden auch laufende Dreharbeiten eingefroren.

Während des Streiks gelten für Schauspielende folgende Verbote:

  • Schauspielen, Tanzen, Performance Capture-Arbeit, Proben, Synchronisation
  • Promo-Arbeit, darunter Interviews, Festival-Besuche, Conventions, Podcast-Auftritte, Social-Media-Werbung
  • Vertragsverhandlungen für zukünftige Projekte (Quelle: SAG-Dokument )

Neben der Pausierung von Dreharbeiten werden folglich Casting-Prozesse für kommende Projekte (zum Beispiel Superman: Legacy) eingefroren. SAG- und WGA-Mitglieder dürfen bei Events wie der San Diego Comic-Con im Juli oder dem Filmfestival Venedig im September nicht auftreten, sollten die Streiks so lang dauern.

Stranger Things, Deadpool 3 und mehr: Diese Serien und Filme stehen still

Die Streiks kommen nicht überraschend und einige Firmen haben sich in den letzten Monaten darum bemüht, Drehbücher vorzuproduzieren, Verträge abzuschließen und Dreharbeiten zu beenden. Sollte die Arbeitsniederlegung jedoch länger dauern, werden sich neue Staffeln von Serien verspäten und geplante Kinostarttermine verschoben.

Die Arbeit an folgenden Serien wurde bis auf Weiteres eingestellt:

Die Arbeit an folgenden Filmen wird bis auf Weiteres eingestellt:

Der letzte Streik der Drehbuchautor:innen fand 2007/2008 statt und dauerte 100 Tage. Für den letzten Doppelstreik von SAG und WGA muss man dagegen bis ins Jahr 1960 zurückgehen.

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