Warum Blockbuster immer unprofitabler werden

20.04.2016 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Fragiler Stützpfeiler: Batman v Superman – Dawn of Justice
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Fragiler Stützpfeiler: Batman v Superman – Dawn of Justice
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In Hollywood läuft etwas grundsätzlich falsch, wenn Einspielergebnisse knapp unterhalb der Milliardengrenze schon als Enttäuschungen gelten. Dem Selbstanspruch, eine vielfältige Filmindustrie zu stützen, werden Blockbuster und Tentpoles kaum noch gerecht.

Etwa 830 Millionen Dollar hat Batman v Superman: Dawn of Justice mittlerweile an den internationalen Kinokassen eingespielt, aber glücklich ist das verantwortliche Studio deshalb nicht. Der Film rückt mit diesem Ergebnis nämlich gerade einmal in die Nähe seines break even: Dem Branchenmagazin Deadline  zufolge müsse er allein während der aktuellen Kinoauswertung ungefähr 925 Millionen Dollar einspielen, um diesen zu erreichen, und würde Warner Bros. erst nach großzügig prognostizierten TV- und VOD-Lizenzierungen sowie Einnahmen aus DVD- und Blu-ray-Verkäufen am Ende einen Gewinn von 200 Millionen Dollar bescheren.

Magische Grenzen als Industriestandard

Glaubt man den Analysten, hat der Film rund 600 Millionen Dollar an Herstellungs-, Distributions- und Marketingkosten verschlungen. Während das reine Produktionsbudget auf "nur" 250 Millionen Dollar geschätzt wird, sei ein Großteil dafür ausgegeben worden, die Vorraussetzungen für dessen – freilich gigantischen – Vertrieb zu schaffen. Außerhalb der USA startete Batman v Superman: Dawn of Justice vor allem in China erfolgreich, aber vom dortigen Box Office gehen lediglich 25 Prozent  der Einnahmen ans Studio zurück. Schon die simple Faustregel, dass ein Film mindestens das 2,5-fache seiner Kosten einspielen müsse, um keine Verluste zu machen, führt zu einer ernüchternden Bilanz.

Grund für solche absurd anmutenden Zahlenspiele ist eine neuer- wie schlechterdings von den Studios selbst abgesteckte Hürde (Chimäre?), die den Erfolg ihrer kostspieligen tentpole pictures  daran bemisst, ob sie eine Milliarde Dollar und mehr einspielen. Was am internationalen Box Office einst als magische Grenze galt, wird längst wie ein Industriestandard verhandelt – unterhalb zehnstelliger Summen ist franchise building kein lohnenswertes Geschäft mehr. Die Konzeption entsprechend aufgeblasener Kinoserien, deren Filme und Helden beliebig fortgesetzt und miteinander kombiniert werden sollen, ist demnach von hohen Risiken begleitet.

Das DC Extended Universe

Zuständige Konzerne hoffen dabei offenbar auf eine Nivellierung der eigenen Misskalkulationen: Wenn ein cinematic universe nicht sofort durch die Decke gehen sollte, werde es sich früher oder später vielleicht doch noch rentieren (oder vielmehr: rentieren müssen) – ungeachtet des eigentlichen Anspruchs besagter "Zeltstangen"-Filme, die einmal gedacht waren, das gesamte Produktionssystem und damit auch kleinere Filme in schwierigen Zeiten abzusichern.

Dieser Aufgabe kann ein tentpole picture wie Batman v Superman: Dawn of Justice allerdings gar nicht nachkommen: Es ist für Warner Bros. keine Stütze, sondern eine Belastung. Als zweiter Film im sogenannten DC Extended Universe (DCEU) soll er die nach Marvel-Vorbild errichtete Franchise-Fabrik zum Laufen bringen, um dem Studio mit kontinuierlich produzierten Superheldenfilmen gute Jahresbilanzen zu garantieren. Doch schon Man of Steel, der den Grundstein für diese Fabrik legte und 670 Millionen Dollar einspielte, galt als ein unter Erwartung laufender Film.

Die Pläne für das DCEU wurden daraufhin nicht etwa korrigiert (sprich: in ein vernünftiges Verhältnis zum realistisch prognostizierten Profit gesetzt), sondern mit weiteren Hunderten Millionen Dollar ausgebaut. In der augenscheinlichen Hoffnung, dass es beim dritten bzw. vierten Versuch endlich klappen möge, sind die an Suicide Squad und The Justice League Part One gestellten Erwartungen entsprechend hoch: Wenn sie nicht wenigstens an der Milliardengrenze kratzen, wird das Studio sich als Erstes auf den von Steven Spielberg prophezeiten Paradigmenwechsel  einstellen dürfen.

Teufelskreis Tentpole

Strukturell ähnlich, wenn auch überwiegend erfolgreicher verfährt das traditionsreiche Studio Disney. Mit Filmen eingegliederter Marken (Pixar, Marvel, Lucasfilm) und ständigen Neuauflagen des eigenen Backup-Katalogs (Maleficent, Cinderella, The Jungle Book) läuft dem Konzern ein Hit nach dem anderen übers Fließband. Der Tentpole-Gigant produziert sogar derart viele Zeltstangen, dass offenbar gar keine Zeit bleibt, sie auch mit Zelten zu bespannen: Mid-Budget-Filme, die über einst sehr produktive Tochtergesellschaften wie Miramax und Touchstone für einen vielfältigen Studio-Output jenseits stabiler Blockbuster sorgten, scheinen aus dem Programm von Disney vollkommen verschwunden.

Man muss sich daher fragen, was es angesichts zahlloser Tentpoles überhaupt noch zu stützen gibt, wenn franchisekompatible und auf breite Zuschauerbedürfnisse abgestimmte four-quadrant movies  alles sind, woran Disney noch Interesse hat. Zugleich ist es bedauerlich, dass sich das Studio nach millionenschweren Superflops wie John Carter - Zwischen zwei Welten, Lone Ranger oder A World Beyond in diesem Kurs bestätigt sehen dürfte: mehr Superhelden und Sternenkriegsabenteuer, und weniger von allem, was interessant sein könnte.

Diese und ähnliche Misserfolge mögen jedenfalls der Grund sein, warum Tentpoles mittlerweile nach einem Teufelskreisprinzip funktionieren. Statt Konsequenzen aus gescheiterten Franchise-Bemühungen zu ziehen (nämlich die Filmproduktion einerseits auf verlässliche Blockbuster und Kinoserien, andererseits eine rentable Masse halbwegs origineller und sich kommerziell organisch entwickelnder Filme zu konzentrieren), werden brüchige Zeltstangen entweder erneuert (die x-te origin story irgendeines Superhelden) oder schlicht so viele weitere aufgebaut, bis sich niemand mehr an Battleship, Jack and The Giants und R.I.P.D. - Rest in Peace Department erinnern wird.

Erfolgreich, aber nicht profitabel

Sony Pictures, dessen exorbitante Budgetplanungen man eindrucksvoll in geleakten E-Mails und anhand von James Bond 007 - Spectre nachvollziehen konnte, hat aus dem mit mehr als 700 Millionen Dollar Einspiel zwar erfolgreichen, aber finanziell überveranschlagten The Amazing Spider-Man 2: Rise of Electro einen bei Deadline errechneten Gewinn  von 70 Millionen Dollar erwirtschaften können. Die Figur wenigstens eine Weile lang ruhen zu lassen, kommt für das Studio aber trotzdem nicht Frage – es dreht den nächsten Spider-Man-Film einfach mit neuen Darstellern und alter Geschichte.

Wenn hohe Einspielergebnisse nichts über den tatsächlichen Erfolg eines Films aussagen, trifft das natürlich besonders auf die Jahresbilanz am amerikanischen Box Office zu. Mit Universal und Disney profitierten lediglich zwei der sechs großen Hollywood-Studios vom 2015 aufgestellten 11-Milliarden-Dollar-Rekord an hiesigen Kinokassen (bei selbstredend erneut gestiegenen Ticketpreisen), während 20th Century Fox, Sony und Paramount herbe Umsatzeinbrüche  verbuchen mussten (eine Übersicht der jährlichen Ticketverkäufe und Einspielergebnisse seit 1995 findet sich hier ).

Die Tentpole-Verengung des Angebots führte im vergangenen Jahr dazu, dass einige wenige teure Filme sehr viel, die meisten aber sehr wenig bis gar keinen Gewinn machten. Es gab wesentlich mehr Tentpoles und Blockbuster, die ins Wanken gerieten (Terminator 5: Genisys, Arlo & Spot, Chappie) oder gar spektakulär zusammenkrachten (Jupiter Ascending, Fantastic Four, Blackhat, Pan, Seventh Son, Point Break, Im Herzen der See, Strange Magic), als solche, die die Bezeichnung auch wirklich verdienten. Aus der Franchisierung der US-Filmindustrie hat sich eine Art Selbstverpflichtung ergeben, die längst nicht mehr nur generische, sondern vor allem unprofitable Filme produziert.

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