Die Berlinale bewegt sich langsam, aber sicher auf ihr Ende zu. Während die letzten Wettbewerbsfilme ihre Premiere feiern, gibt es auch in den anderen Sektionen noch ein paar spannende Highlights zu entdecken. Dazu gehört definitiv die Netflix-Serie The Eddy, die im Rahmen der Berlinale Special Series gezeigt wird und vor Jazz und Drama strotzt. Inszeniert wurden die ersten zwei Folgen von Damien Chazelle.
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Da sind die Erwartungen natürlich hoch. Damien Chazelle überzeugte in den vergangenen Jahren mit einem starken Film nach dem anderen, wobei vor allem die Verschmelzung von Musik und Bildern einen großen Reiz seines Schaffens ausmacht. Bei dem Schlagzeug-Drama Whiplash und dem großen Hollywood-Musical La La Land liegt diese Verbindung auf der Hand. Schlussendlich inszeniert Damien Chazelle aber selbst die erste Mondlandung wie einen atemberaubenden Tanz.
Die wichtigsten Fakten zur Netflix-Serie The Eddy
- Die Netflix-Serie The Eddy wurde von Jack Thorne kreiert, der neben diversen britischen Fernsehserien das Theaterstück Harry Potter and the Cursed Child geschrieben hat.
- Damien Chazelle fungiert als Regisseur der ersten zwei Episoden. Die sechs verbleibenden Episoden der Miniserie wurden von Houda Benyamina (3-4), Laïla Marrakchi (5-6) und Alan Poul (7-8) inszeniert.
- André Holland führt das Ensemble an, das sich weiterhin aus Joanna Kulig, Tahar Rahim, Leïla Bekhti, Adil Dehbi, Benjamin Biolay und der aus Die Tribute von Panem bekannten Amandla Stenberg zusammensetzt.
Nachdem er in La La Land mit der Nostalgie eines längst vergangenen Hollywoods spielte und Aufbruch zum Mond direkt in die Vergangenheit eintauchte, um die Zukunft zu entdecken, findet sich Damien Chazelle im Zuge von The Eddy im Paris der Gegenwart wieder. Dabei handelt es sich allerdings um keine verträumte Version der französischen Metropole, sondern um eine unerwartet raue Stadt.
Kein La La Land: The Eddy entführt in ein raues Paris
Der Jazz klingt zwar durch die Straßen, ein Schlendern ist jedoch nicht möglich. Würden Emma Stone und Ryan Gosling hier das Steppen anfangen - der von André Holland verkörperte Clubbesitzer und Jazzmusiker Elliot hätte sie schon längst aufgrund der fehlenden Disziplin gerügt. Entspricht die dargebotene Leistung der Band nicht seiner exakten Vorstellung, spricht Elliot das deutlich an.
Von J.K. Simmons' Whiplash-Wüterich ist Elliot aber immer noch weit entfernt ist, auch wenn sich Jack Thorne ein "rushing" und ein "dragging" im Drehbuch nicht verkneifen kann. Elliot wird von einer großen Ungeduld getrieben, wenn er Potential vor sich sieht. Er ruht nicht, bis das letzte Quäntchen ausgeschöpft wurde. Sein Idealismus ist der Musik verschrieben, alles andere muss sich hinten anstellen.
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Dadurch stauen sich für Elliot einige Probleme an, allen voran ein Streit mit seinem Partner Farid (Tahar Rahim), der offenbar in kriminelle Geschäfte verwickelt ist, um den Laden am Laufen zu halten. Dazu kommt die schlechte Stimmung in der Band, zerbrochene Beziehungen, ruppige Geldeintreiber, ein unzuverlässiges Mofa - und dann steht plötzlich auch noch Elliots Tochter Julie (Amandla Stenberg) aus New York vor der Tür.
Vibrierende Bilder und die Unmittelbarkeit des Jazz
Das Idyll vom Jazzclub in Paris zerbricht schneller, als es überhaupt Form annimmt. Bereits in der allerersten Szene fängt Damien Chazelle die Rastlosigkeit, von der Elliot getrieben wird, mit seiner vibrierenden Kamera ein. Die 16-mm-Aufnahmen erinnern an die unruhige Stimmung in Aufbruch zum Mond, während die kräftigen Farben und formvollendeten Bewegungen von La La Land kaum zu entdecken sind.
Damien Chazelle will die Unmittelbarkeit der (Live-)Musik einfangen, der wir in ausführlichen Sequenzen bei ihrer Entstehung auf der Bühne zuschauen können. Vor allem begeistert der Jazz, wenn wir durch ihn die Figuren kennenlernen. Sei es ein intimes Stück auf dem Klavier oder ein spontanes Trompeten-Solo: The Eddy erzählt uns sehr viel über seine Welt, wenn Elliot und Co. zu ihren Instrumenten greifen - oder eben auch nicht.
Insgesamt acht Episoden umfasst die Miniserie. Jede rückt eine andere Figur in den Vordergrund, die der entsprechenden Folge dann auch den Titel verleiht. Mit Elliot steigen wir in die Geschichte ein, danach folgt die Perspektive seiner Tochter. Viele ungeklärte Konflikte existieren hier und The Eddy wird nicht müde, die Situation von Minuten zu Minute zu verkomplizieren, sodass schon bald mehr Improvisation als beim Musizieren gefragt ist.
The Eddy fesselt mit einen Figuren und der Musik
Manchmal wackelt die Kamera dabei zu sehr, um das rastlosen Unsicherheit und den aufwühlenden Ereignissen Ausdruck zu verleihen. Dennoch komponiert Damien Chazelle immer wieder einnehmende Passagen, in denen er zwischen den dissonanten und den harmonischen Tönen wechselt und eine fesselnde Dynamik auf die Leinwand bannt, die das Musikalische mit den zwischenmenschlichen Konflikten verschmelzen lässt.
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In diesen Momenten ist The Eddy richtig stark, gerade weil der Tonfall ein rauer, ein rastloser ist. Damien Chazelle führt uns durch die Hektik im Jazzclub und anschließend in die Unterwelt von Paris. Der zweite Teil dieser Reise entpuppt sich bisher aber als schwächstes Element der Serie. Bleibt zu hoffen, dass sich die nachfolgenden Episoden wieder mehr der Musik und den Menschen widmen, die sie zum Leben erwecken.
Die Miniserie The Eddy umfasst insgesamt acht Episoden und wird am 8. Mai 2020 auf Netflix veröffentlicht. Als Grundlage für diesen Seriencheck dienten die ersten zwei Episoden, die auf der Berlinale zu sehen waren.
Was erwartet ihr euch von Damien Chazelles Netflix-Serie The Eddy?