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Keine Schnapsidee: Eine Reise zum Subgenre "Trinkerdrama"

23.05.2022 - 18:12 Uhr
Prost, Mister Birnam
Paramount Pictures
Prost, Mister Birnam
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Wer bei den Namen Gorbatschow oder Jelzin zuerst an die Wodka-Marken denkt und nicht an ost-europäische Politiker hat vielleicht nur eine kleine Bildungslücke. Wenn die besten Freunde Johnny (Walker) und Jim (Beam) heißen, könnte das schon eher zum Risiko werden. Möglicherweise liegt doch ein Problem mit dem Alkohol vor. Dabei kann man sich dem sensiblen Thema auch ungefährlicher nähern und gleichzeitig einige Lücken im Film-Kanon schließen: Schließlich gibt es die sogenannten "Trinker-Dramen", mehr oder weniger emotional aufwühlende Einblicke in die Abgründe gescheiterter Existenzen, bedauernswerter Individuen und warnender Negativ-Beispiele. Gehen wir auf einen kleinen "Trip" und schauen uns mal ein paar spannende Vertreter an, die Erwähnung finden sollten und vielleicht auch einen Schubs auf die Merkliste.

Was macht eigentlich ein "Trinker-Drama" aus? Was sind die klassischen Merkmale und Kennzeichen? Nun, in erster Linie sollte man das Genre Drama unterstreichen: Wir haben kein Feel-Good-Movie zu erwarten, keine beschönigende Darstellung einer hinterhältigen Sucht - um es plakativ zu sagen, kein "Hangover". Vielmehr eine möglichst sensible Darstellung eines zerbrochenen Lebens, sei es von Anfang an auf dem Weg in den Sumpf oder auch schon mitten drin, spontan eintauchend in das bestehende Chaos des oder der Protagonisten. Was unterscheidet das Trinken, also den exzessiven Alkoholgenuss, von anderen Süchten und Verlockungen? Hier könnte die Antwort darin liegen, dass dieses Laster fast schon alltäglich ist, uns allen bekannt und sicher auch nicht unbedingt verpönt. Ein kleiner Schluck kann ja schließlich nicht schaden, oder?! Anders als Cannabis oder härtere Drogen ist Alkohol legal zu erwerben und wird in der Öffentlichkeit konsumiert, gehört manchmal sogar zum guten Ton dazu. Tabak ist bestimmt schädlich und gesundheitsgefährdend, aber versetzt nicht in so einen Rausch, den viele Menschen suchen. Glücksspiel ist auch eine Sucht, natürlich, aber ganz anderer Natur, es ist keine manifestierte Droge. Also haben wir im Alkohol den wunderbaren nicht-menschlichen, aber brandgefährlichen Bösewicht, warum nicht auch Film-Bösewicht. Ein perfekter Antagonist, ein alter Bekannter, mit dem nicht wenige Zuschauer auch eine (Hass-)Liebe verbindet. Und zudem ist die Alkoholsucht als Film-Thema auch ein wichtiger Beitrag zur Sensibilisierung der Massen, wenn man nicht die Holzhammer-Verteufel-Schiene fährt. Bestimmt gibt es auch einige Produktionsfirmen, die aus Kalkül so einen Reißer aus dem Boden stampfen, um als umsichtig zu gelten, um Preise einzufahren, Lob und Anerkennung oder auch schlicht und simpel den schnöden Mammon, das liebe Geld - eine andere Droge... aber das ist ein anderes (Film-)Thema, das zwar auch interessant zu beleuchten wäre, aber hier geht es jetzt um unser gutes, altes Trinkerdrama. "Gut und alt" - das trifft den Nagel auf den Kopf: Denn wir werden gleich sehen, wie weit die Wurzeln zu diesem Subgenre zurückreichen. Und immer gilt die Regel: Das Werk soll belehren und Gefahren aufzeigen, aber wir sind immer noch im Kino. Und da ist die oberste Priorität, dass man zu unterhalten hat, zu gefallen. Doch zum Glück schaffen es viele unserer Beispiele Anspruch, Auftrag und Unterhaltung zu kombinieren - im Zweifel kann sich gerne ein Jeder selbst sein Urteil bilden. Vorhang auf für die Lokalrunden...


DAS ultimative Trinkerdrama - Ein Horror-Trip mit Oscar-Weihen

Star-Regisseur Billy Wilder ist auch dem heutigen Publikum noch ein Begriff, in erster Linie aber wohl bekannt für seine Komödien (Manche mögen's heiß, Das verflixte 7. Jahr) - auch wenn er mit ernsten und tiefgründigen Filmen überzeugen konnte, aber doch immer wieder wie zu Beispiel in Das Appartement humoristische Elemente einfließen lassen konnte. In einem seiner vielen, vielen Meisterwerke, Das verlorene Wochenende, ist das aber nicht der Fall. "Das verlorene Wochenende" ist womöglich DAS ultimative Trinkerdrama schlechthin - und ein wahrer Klassiker, schließlich datiert das Produktionsjahr auf 1945! Ray Milland ist der (Anti-)Held der Geschichte, er spielte den Alkoholsüchtigen so gut, dass er von der Academy vollkommen zurecht mit einem Oscar als Bester Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde.

Milland ist Don Birnam, ein Schriftsteller aus dem Moloch New York, der krankhaft trinkt und dafür in seinem Bekanntenkreis auch berüchtigt ist. Um ihn wenigstens vorübergehend von der Flasche und unter Kontrolle zu bekommen, will sein Bruder mit ihm aufs Land fahren - über das Wochenende. Doch unter einem Vorwand wird Don ihn los, bleibt daheim mit sich und seinen feuchten Plänen und verliert ein harmonisches Wochenende, um sich auf einen Höllentrip zu begeben, an dessen Ende nach langer Odyssee durch Kneipen und Liquor Stores, die Klinik steht inklusive effektvoll inszenierter Horror-Show eines Delirium tremens, den Folterknecht des Entzuges.
Für seine Entstehungszeit war das Thema ziemlich gewagt, die Darstellung erst recht - aber der Erfolg gab Wilder Recht. Nicht nur Milland konnte bei den Academy Awards triumphieren, es gab zudem auch Auszeichnungen für den Besten Film, das Beste Drehbuch und den Besten Regisseur, womit Wilder in beiden letztgenannten Kategorien gleich zwei Statuen mit nach Hause nehmen konnte.

Wer diesen wertvollen Beitrag zur Filmgeschichte noch nicht gesehen hat, sollte das nachholen. Ein Thriller, ein Drama, ein Horror, eine Romanze - alles kondensiert auf 100 Minuten, die man unbedingt investieren muss, wenn man Filme und große Geschichten liebt. Und mal im Ernst: Muss man nicht wirklich schlucken, wenn Don - der Schriftsteller - seine Schreibmaschine versetzt, nur um einen Schluck Alkohol abzustauben?


Noch ein US-Klassiker - mit einer wunderbaren Besetzung

Sagte ich gerade, dass man Billy Wilder wohl am ehesten mit Komödie verbindet? Dann trifft das auch auf Jack Lemmon zu, der sich einen Namen mit "Manche mögen's heiß" (mit Wilder, siehe oben) und "Ein seltsames Paar" gemacht hat. Er spielt die männliche Hauptrolle im nächsten Tipp, dem im Vergleich zu "Das verlorene Wochenende" nicht minder berührende Die Tage des Weines und der Rosen, im Gespann mit Lee Remick und unter der Regie von Blake Edwards (noch ein Komödien-Spezialist!). Hier wird das Trinkerdrama gleich verdoppelt, denn sowohl Lemmon alias Joe und Remick in der Rolle der Kirsten sind dem Alkohol verfallen. Die Tragik erreicht ein noch größeres Ausmaß, alldieweil Joe zwar vorbelastet ist, Kirsten jedoch absolut jungfräulich und von ihrem Mann in den Sumpf mit hinein gezogen wird. Das gut situierte Paar mit einem ordentlichen Stand im Leben, rutscht derbe ab und verliert Arbeit und Wohnung. Ein harter Kampf steht Beiden bevor, den sie - mit Hilfe von Kirstens Vater - offensichtlich auch meistern; nur um umso grandioser zu scheitern.

Eine Schlüsselszene, voller bittersüßer Tragikomik, zeigt Joe auf der Suche nach einer versteckten Flasche Hochprozentigen. Als er sie nicht finden kann, zerlegt er im Eifer der Jagd ein ganzes Gewächshaus samt Pflanzen und Töpfen. Man weiß als Zuschauer nicht, ob man weinen oder lachen soll - Lemmon schafft es mit seinem Talent dem Geschehen eine humoristische Note zu verleihen, doch vor dem Fernseher fühlt man sich gleich schuldig, wenn man über diese arme Kreatur ein Lachen verliert.
Joe erkennt mit der Zeit den Teufelskreis und wagt den Absprung. Er will auch Kirsten retten, doch ausgerechnet die im Grunde Unschuldige, die abstinent war, ist nun ein noch größeres Wrack und ein Opfer des Schicksals.
Ein beklemmendes, aber leider sehr realistisches Ende - effektvoll und erschütternd. Da darf auch mal eine Träne rollen...

"Die Tage des Weines und der Rosen" staubten ebenfalls einen Goldjungen ab (Bester Song), zudem gab es vier weitere Nominierungen, unter anderem für beide Hauptdarsteller, und vier Nominierungen bei den Golden Globes.


Der möglicherweise bekannteste Trinkerfilm - mit einer Paraderolle!

Der womöglich bekannteste Vertreter ist insbesondere unter den jüngeren Generationen ein Kultfilm - und wieder einmal: oscarprämiert. Erneut für den Besten Hauptdarsteller, der hier seine erste richtig große Glanzleistung ablieferte und in der Folge zu einem der Superstars in Hollywood aufstieg. Die Rede ist natürlich von Nicolas Cage und seinem gewohnt ekstatisch-exzentrischen Schauspiel in Leaving Las Vegas - Liebe bis in den Tod.

Ben Sanderson, gespielt von Cage, ist ein gescheiterter Autor (wir lernen: ein gesundheitlich gefährlicher Beruf, wenn wir nur an Don Birnam denken!), der sich in Las Vegas zu Tode trinken möchte und dabei alle möglichen Alkoholika konsumiert und en passant ein paar Einrichtungsgegenstände demoliert. Hollywoodtypisch gibt es natürlich auch noch eine Lovestory, die selbstverständlich zum Scheitern verurteilt ist - erst recht, wenn man die Entschlossenheit sieht, mit der Sanderson seine Selbstzerstörung willentlich herbeiführt. Das übrigens im Gegensatz zu den beiden vorangegangenen Beispielen Birnam und das Pärchen Joe & Kirsten, die alle mehr oder minder der Sucht (passiv) unterliegen und sie nicht noch (aktiv) provokativ heraufbeschwören.
Ein wenig Abwechslung macht aber den Reiz aus und kennzeichnet die Daseinsberechtigung.

Einer der zentralen Punkte in "Leaving Las Vegas" - jedenfalls für mich persönlich: Das Geschenk von Sandersons Herzdame Sera, einen Flachmann. Damit unterstützt sie das Vorhaben des Todessehnsüchtigen und respektiert also seine Entscheidung. Eine Voraussetzung, die Sanderson schon zu Beginn unterstrichen hat.

Ist "Das verlorene Wochenende" eher eindringlich, "Die Tage des Weines und der Rosen" fast schon griechisch-antik tragisch, so ist "Leaving Las Vegas" von einer Melancholie durchzogen. Weil wir wissen, wie es enden wird, nur nicht wann und in welcher Art. Wir werden Zeuge einer gewollten Selbstdemontage, einer gezielten Auto-Aggression. Wir können das Handeln kritisch hinterfragen, gleichzeitig aber doch mit Cage und seiner Figur in den Sonnenuntergang reiten...

Wert zu wissen: Dieser Film basiert lose auf einer Niederschrift von John O'Brien, einem alkoholkranken Autor, der seine eigenen Erfahrungen verarbeiten wollte - mit nur 33 Jahren nahm er sich das Leben.


Es lebe die Gleichberechtigung - endlich mal eine Frau am Glas

Frau am Glas, Frau am Steuer, Unfall - es liegt wohl nicht am Geschlecht und dem Vorurteil, dass Frauen kein Autofahren können. Vielmehr ist die Ursache wohl wieder im Alkohol zu suchen. Wer hätte es gedacht...
Sandra Bullock läutet mit 28 Tage im Jahr 2000 das neue Millenium für die Trinkerdramen ein. Und wer jetzt widerspricht und anmerkt, dass es nicht nur um Alkohol geht, dem gebe ich Recht. Es ist vielmehr ein gewaltiger Cocktail aus Alkohol, Kokain und anderen Drogen, dennoch bleibt eben der Alkohol ein zentrales Thema und womöglich auch die Ausgangsdroge, mit welcher der Film in die Gänge kommt.

Bullock's Rolle Gwen Cummings ist ein echtes Partygirl, das auf einer Hochzeit allzu viel Hochprozentiges konsumiert und in einer fixen Idee die Hochzeitslimousine kapert, davonfährt und einen Unfall baut. Um dem Gefängnis zu entgehen, wählt sie alternativ den Weg in eine Entziehungsklinik, in der sie - titelgebend - 28 Tage ein Programm absolvieren muss. Natürlich wird sie auch hier immer wieder mit dem Verführer in Verbindung gebracht, in Person ihres Freundes Jasper (Viggo Mortensen), der sie mit illegalen Mitteln versorgt. Die Frage ist, ob Gwen genügend Rückgrat beweisen kann, um von ihrer Sucht und auch von Jasper loszukommen.

Kritisiert wurde "28 Tage" oftmals für einen zu oberflächlichen Umgang mit den Süchten und einem unausgeglichenen Verhältnis von Komödie und Tragödie, die keine echte Verbindung findet. Dennoch habe ich mich persönlich dazu entschieden, diesen Film als Beispiel mit aufzunehmen, um die Bandbreite zu verdeutlichen, nicht um zu werten, ob es jetzt ein ganz besonders gutes oder eben schlechtes Werk ist. Ja, politisch korrekt ging es auch um "Diversität", sei es in der weiblichen Hauptrolle oder dem Jahrgang, denn schließlich wollt ihr nicht nur die ganz alten Klassiker angeboten bekommen...

Ebenfalls möchte ich noch betonen, dass - wie schon erwähnt - der Fokus nicht nur auf dem Trinken liegt und daher einen fließenden Übergang zu anderen Sucht- und Drogenfilmen bietet, wenn man eine kleine private Themen-Tage-Sichtung plant - es gibt schließlich auch noch andere gute "Drug Addicted Movies", angeführt von Requiem for a Dream, ebenfalls Jahrgang 2000. Aber zurück zu den Trinkerdramen, denn dafür sind wir doch hier...


Der Älteste der Runde - ein Stummfilm-Titan macht's in Worten

Ohne Worte? Nein, nicht so ganz. Das Trinkerdrama ist so alt, dass es (fast) bis in die Stummfilmzeit hinein reicht. Möglicherweise einer der ersten Vertreter ist Der Kampf aus 1931 von D.W. Griffith. Der Regisseur sollte allen Filmfreunden ein absoluter Begriff sein, gilt er doch als einer der Allergrößten im Stummfilm-Gewerbe und schuf Meilensteine wie "Intoleranz", "Geburt einer Nation", "Gebrochene Blüten" und und und...

Mit "Der Kampf" (The Struggle) wagte sich Griffith aber an seinen zweiten Tonfilm und zudem an ein heikles Thema, bestimmte die Alkoholsucht doch auch sein eigenes Leben. Ob er persönliche Dämonen damit austreiben wollte, einen Beitrag zur Sensibilisierung leisten oder einfach nur einen Film drehen - es bleibt ungelöst. Die Kritiker waren aber gnadenlos im Urteil und schmähten sein Werk - das damit der letzte vollendete Film dieser Hollywood-Größe bleiben sollte. Jahre später erhielt "Der Kampf" eine Neubewertung und wurde von der Fachwelt rehabilitiert, blieb dennoch relativ unbekannt, obwohl er einen historischen Wert hat, als Abschiedsvorstellung von D.W.Griffith.

Die Geschichte ist simpel, im Mittelpunkt steht der einfache Mann von der Straße, ein Arbeiter, der durch seine Alkoholsucht nicht nur sein eigenes Leben zerstört, sondern auch die seiner Ehefrau und seiner Schwester, die sich ebenfalls um ihn sorgt und ihn weitaus mehr unterstützt, als sie müsste.
Wer sich von einigen Mängeln an Ton und Bild nicht abschrecken lässt und auch in der Sprache (englisch) keinen Hinderungsgrund sieht, kann diesen Film online auf diversen Plattformen kostenfrei und völlig legal sehen, da es die rechtliche Grundlage durch Ablauf der Rechte zulässt!


Abseits von Hollywood - von Affen, Irrlichtern und Engeln

Doch nicht nur in Hollywood widmet man sich den Trinkerdramen, ein allgemeines Problem bietet auch international Gesprächsstoff und findet Interesse in verschiedenen Ländern, Kulturen und Kreisen.

Einer meiner persönlichen Lieblinge - tut mir Leid, wenn ich subjektiv werde - ist der französische Vertreter Ein Affe im Winter, der bei mir durch einen meiner Lieblingsregisseure, Henri Verneuil, und zweien meiner Lieblingsschauspieler, Jean Gabin und Jean-Paul Belmondo, punkten kann - vor allem aber auch wegen der wunderbaren Geschichte, die man zu sehen bekommt und die gekonnt Leichtigkeit und Tragik, Komödie und Drama verbindet.

Es ist eine Reise der Protagonisten in die Welt der Träume, der Wünsche, es ist Eskapismus, es ist ein melancholisches Sinnieren über die Vergangenheit, über nicht erreichte und verlorene Ziele - und der Wegbegleiter oder gar Wegbereiter in diese Welten ist der gute, alte (falsche) Freund Alkohol. Wir sehen zwei Typen, die unterschiedlicher nicht sein könnten:
Jean Gabin, der knorrige Haudegen, ist ein trockener Kerl. Trocken in seiner Art - und zu seinem Leidwesen auch im Glas. Denn durch ein Gelübde rührt der ehemals starke Trinker keinen Tropfen mehr an, allerdings nicht ohne Wehmut und einer Träne im Knopfloch. Als mit Jean-Paul Belmondo ein junger Lebemann auf den Plan tritt, fühlt sich Gabin's Charakter an seine Heldenjahre erinnert und zusammen wird aus den Beiden ein gefährliches Duo, das Feuerwerke abschießt, im sprichwörtlichen wie auch im wortwörtlichen Sinn. Unvergessen bleibt ein heißer Steptanz von Belmondo auf den Tischen einer Kneipe.

Bei aller oberflächlichen Witzigkeit, erkennt man auch den Anspruch und die Tiefe in der Handlung. Beide Protagonisten müssen sich ihren Problemen stellen, die über den Alkoholgenuss hinausgehen. Gabin versinkt desöfteren in Selbstmitleid und sinniert über seine Vergangenheit, wenn er in Tagträumen exotische Flüße bereist, die er früher befahren hat. Belmondo muss sich seiner Veranwortung seiner Tochter gegenüber bewusst werden. Ein wirklich intensiver Film, der sicherlich allzu unbekannt ist, aber als Geheimtipp glänzen kann. Wer sich nun fragt, was es denn eigentlich mit den "Affen im Winter" auf sich hat, der muss bis zur allerletzten Einstellung warten und wird dann für die Geduld belohnt.


Noch ein französischer Beitrag auf meiner kleinen Liste für euch ist Das Irrlicht von Louis Malle. Zwar kein reinrassiger Trinkerfilm, aber wie zum Beispiel auch das weiter oben angeführte "28 Tage", bietet der Alkohol dem Irrlicht aber die Grundlage. Auch hier spielt eine Entziehungsklinik eine zentrale Rolle, der Film entwickelt sich im Laufe der Minuten aber mehr zu einem Suizid-Drama und ausgerechnet der Alkohol wird das Leben und die Entscheidung der Hauptperson, gespielt von Maurice Ronet, in eine Richtung treiben.


Der letzte Beitrag kommt aus Japan und zwar von keinem Geringeren als Meister-Regisseur Akira Kurosawa. In seinem Frühwerk "Der Trunkene Engel" - auch unter dem Alternativtitel "Engel der Verlorenen" bekannt - präsentiert uns Kurosawa die Geschichte eines aufrechten Arztes, der mitten im Sumpf einer zerstörten Welt, geprägt von den Nachwehen des Zweiten Weltkrieges und Bandengewalt, ein Retter in der Not wird. Aber auch er hat seine Geister - und die liegen in der Flasche oder auf dem Boden eines Sake-Bechers. Dennoch kämpft er um die Gesundheit seiner Patienten, aber auch um ihre privaten Belange, damit sie ein rechtschaffenes und gutes Leben führen können. Als er an einen Gangster, gespielt vom jungen Toshirô Mifune, gerät, nimmt das Unheil seinen Lauf...

Auch hier ist das Trinkerdrama ein Element, wenn auch nur eines von mehreren. Ebenso wichtig ist der Konflikt, der zwischen dem Arzt und dem Gangster entsteht - ein sensibles Drama mit einem guten Schuss an Spannung und Moral. Kurosawa zeigt hier schon früh, was in seinem ungeheuer bedeutenden Werk noch folgen soll: Berührendes Drama und knallharte Action, die in seinen Samurai-Filmen gipfeln wird.



Die Tipp-Liste kompakt:

Das verlorene Wochenende
Die Tage des Weines und der Rosen
Leaving Las Vegas - Liebe bis in den Tod
28 Tage
Der Kampf
Ein Affe im Winter
Das Irrlicht
Der Trunkene Engel

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