Die ungebrochene Faszination der Malerei im Kino

20.03.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Das Bildnis des Dorian Gray
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Das Bildnis des Dorian Gray
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Am 21. März 2013 startet The Best Offer hierzulande. Weit über seinen Beruf als Auktionator hinaus kultiviert dort Geoffrey Rush eine äußerst exzessive Leidenschaft für Gemälde. Aus diesem Anlass wollen wir einen Blick auf das Verhältnis zwischen Bewegtbild und Malerei werfen.

In The Best Offer von Giuseppe Tornatore – hierzulande ab dem 21. März 2013 im Kino – verfällt der Auktionator Virgil Oldman (Geoffrey Rush) der undurchsichtigen Claire Ibbotson (Sylvia Hoeks). Die Dame bittet das exzentrische Genie, den Wert ihrer Kunstsammlung zu schätzen, welche sie jüngst von ihren verstorbenen Eltern geerbt hat. Der Fachmann findet eine Villa voller Gemälde und anderer Kunstgegenstände vor. Aufgrund einer mysteriösen Krankheit zeigt sich ihm die Erbin jedoch nicht von Angesicht zu Angesicht. Ein mannigfaltiges Aufgebot an Kunst bildet hier den Hintergrund für eine Geschichte um obsessive Leidenschaft. Virgil Oldmans sexueller Fetischismus, der insbesondere auf Gemälde zielt, bildet den Kern des Thrillers und soll für uns der Anlass sein, die ungebrochene Faszination von Malerei im Film genauer unter die Lupe zu nehmen.

Durch seine Natur ist der Film in der Lage jedwede Kunstform, sei es Musik, Tanz, Theater oder Literatur, abzubilden. Dabei bedienten sich die bewegten Bilder schon zu Beginn ihrer mittlerweile über hundertjährigen Geschichte bei der wesentlich älteren Malerei, was spannende Wechselwirkungen zur Folge hatte. Gemälde hielten in unterschiedlicher Form Einzug in die Welt des Kinos. Beispielsweise erlaubten sie in Gestalt von Matte Paintings, jene oftmals äußerst kunstvoll gemalten Hintergrundkulissen, den Rahmen der Fiktion kontinuierlich auszudehnen. Fritz Lang nutzte sie bereits in Metropolis (1927) und auch Rick Deckard (Harrison Ford) aus Blade Runner hätte ohne die Hintergrund-Kunstwerke nie eine derart fulminante Sci-Fi-Metropole erblickt.

Filmemacher wie Pier Paolo Pasolini bannten in ihren Geschichten des Weiteren häufig Tableaux vivants auf Zelluloid. Dabei handelt es sich um die Nachstellung von Gemäldemotiven durch Menschen und Gegenstände. Fernab des Films kam diese Praxis einige Jahrhunderte zuvor bei gesellschaftlichen Anlässen in Mode und wurde nun im jüngeren Medium oftmals dazu benutzt, um weitere Bedeutungsebenen zu schafffen. Abseits der zudem obligatorischen Künstler-Portraits, die sich beispielsweise Jan Vermeer (Das Mädchen mit dem Perlenohrring), Jackson Pollock (Pollock), Frida Kahlo (Frida) und Francisco de Goya (Goyas Geister) widmen, steht Malerei in Spielfilmen häufig im Kontext von düsteren Erzählungen, die mitunter menschliche Abgründe erforschen.

Zur Zeit des Zweiten Weltkriegs bereicherte beispielsweise Arnold Böcklins Die Toteninsel zwei Filme, deren dunkler Tenor maßgeblich durch die physische Präsenz des Gemäldes geprägt ist. Die Werke Ich folgte einem Zombie und Die Todesinsel, beide vom Kult-Produzenten Val Lewton, integrieren das Motiv der Felseninsel mit dichtem Zypressenbewuchs in ihre Erzählungen. In Letzterem bricht Anfang des 20. Jahrhunderts eine gefährliche Seuche auf einer Mittelmeer-Insel aus. Als Handlungsort wurde zuvor explizit das Böcklin-Eiland etabliert. Einerseits bedingt das mystisch-schaurige Motiv unmittelbar die Atmosphäre des Films, andererseits weist die Verwendung des Kunstwerks über den filmischen Raum hinaus und schafft uns Anknüpfungspunkte für Assoziationen. Zudem sind Künstler und ihre Werke meist mit bestimmten Konnotationen aufgeladen, die hier zusätzliche Ebenen eröffnen.

Weitere filmische Beispiele, die in besonderem Maße von der dunklen und mitunter drastischen Natur ihrer verwendeten Gemälde profitieren, finden wir in Das Bildnis des Dorian Gray und The House with Laughing Windows. Speziell die vielfache adaptierte Geschichte des Lebemanns Dorian Gray betont den Kontrast zwischen den beiden unterschiedlichen Künsten. Interessanterweise invertiert die Erzählung die gängigen Betrachtungen zu Film und Malerei. Wir wissen, dass Film im europäischen Raum durch die Wiederholung von 24 bzw. 25 Bildern pro Sekunde definiert ist. Er besitzt räumliche wie zeitliche Ausdehnung. Die Malerei hingegen friert einen zuvor gewählten Moment ein. Dorian Grays Leidensweg zeichnet sich durch umgekehrte Vorzeichen aus. Während die filmische Figur in ihrer physischen Entwicklung stagniert, weist das gemalte Abbild Anzeichen von Leben auf und altert zusehends an seiner statt. Das Gemälde gleicht einem schaurigen Gefängnis. Der Insasse wird durch die Rahmung von seiner Außenwelt isoliert.

Oftmals spricht das Drehbuch dem Gemälde im Film eine besondere Anziehungskraft zu, die sich vielleicht am besten mit dem Begriff Aura umschreiben lässt. Nicht selten schlägt dieses verborgene Potenzial ins Negative um und beginnt alsbald die Protagonisten psychisch zu verfolgen. Die Prämissen können wie in Vertigo – Aus dem Reich der Toten, Laura und Das Stendhal Syndrom vollkommen unterschiedlich sein. Wie die jeweiligen Protagonisten erliegen jedoch auch die Filmemacher der Faszination des Gemalten – und das offensichtlich nur allzu gerne. In Gestalt von Matte Paintings, Tableaux vivants und auch physisch präsenten Gemälden begegnet uns eine der ältesten Kunstformen im noch jungen Medium Film.

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