Die Droge Spin-off-Serie oder: Verschwende nicht deine Lebenszeit

08.07.2018 - 08:50 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Grey's Anatomy & Walking Dead / Fear the Walking Dead & Seattle Firefighters
ABC / AMC
Grey's Anatomy & Walking Dead / Fear the Walking Dead & Seattle Firefighters
10
3
Ich glaube, ich lasse mich beim Serien-Schauen zu leicht von Marketing-Strategien verführen: Warum kann ich die Finger nicht von Serien-Ablegern lassen, obwohl ich eigentlich nur die Mutterserie mag?

Wenn eine Serie, die ich gerne schaue, so erfolgreich ist, dass sie einen Ableger, also eine Spin-off-Serie, hervorbringt, dann gebe ich dem Format meistens eine Chance und schaue mir die erste Folge an. So weit, so nachvollziehbar, hoffe ich. Doch wenn ich eine solche Schwesterserie über den Piloten hinaus weitergucke und die Serie in meiner Wahrnehmung im Vergleich zu der geliebten Mutterserie nur mittelmäßig bleibt, habe ich häufig trotzdem Probleme, mich wieder davon zu lösen. Doch warum schaue ich schlechte Spin-off-Serien, obwohl sie mir nicht gefallen?

Serien-Spin-offs: Das Dranbleiben der Couchpotato als Strategie

Dass Serien-Spin-offs überhaupt produziert werden, ist natürlich pure Berechnung. Wenn eine Serie erfolgreich ist, viele Zuschauer hat und folglich Geld in die Kassen spült, setzt bei dem produzierenden Sender früher oder später der dollargrüne Gedanke ein, dass da doch mehr herauszuholen wäre. Also werden Spin-offs ins Leben gerufen, die als Trittbrett-Fahrer auf die Wertschätzung für die Originalserie aufspringen und die Zuschauer abgreifen wollen, die sowieso schon Fans des ersten Formats sind.

Um das zu bewerkstelligen, werden beide Serien häufig nacheinander am selben Abend ausgestrahlt. Für die eigene Lieblingsserie hat das TV-Publikum eingeschaltet, aber wenn das Spin-off gleich im Anschluss läuft und es auf dem eigenen Sofa bequem genug ist, gestaltet sich das Dranbleiben und Weiterschauen als keine große Sache. Mit dieser Masche werden die Zuschauer an die neue Show herangeführt, gewöhnen sich daran und bleiben im Idealfall auf Dauer kleben.

Grey's Anatomy trifft Seattle Firefighters: Hauptfiguren Andy und Meredith

Diese Strategie fahren US-Sender ebenso wie deutsche Sendestationen, wie sich erst unlängs mit der Meldung zeigte, dass Grey's Anatomy und seine neue Spin-off-Serie Seattle Firefighters ab Mitte August auf ProSieben im Doppelpack ausgestrahlt werden. The Walking Dead und Fear the Walking Dead funktionieren in den USA hingegen so, dass sie an ihren Staffelenden nahtlos aneinander anschließen, sodass es in der nächsten Woche im gewohnten Wochentakt mit der nächsten Serie weitergehen kann. Dennoch ist es natürlich nicht nur die Faulheit oder Gewohnheit, die Menschen wie mich zum Weiterschauen verleitet.

Serien-Spin-offs und der verflixte Anspruch auf Vollständigkeit

Für mich ist es der zweite Anlass zum Einschalten einer Spin-off-Serie, der mir das Genick bricht: Mutter- und Tochter-Serien spielen häufig mit Handlungs-Überschneidungen. Und wenn ich die Originalserie liebe, will ich alles von ihr mitbekommen, auch wenn es nur ein kurzer Ausflug beliebter Figuren in die verwandte Serie ist. In Seattle Firefighters pilgern Ärzte aus Grey's Anatomy zum Beispiel derart häufig in die Feuerwache des Spin-offs, dass der Zuschauer sich zurecht fragen darf, ob die Serienschöpfer ihrer eigenen Kreation nach dem hoperigen Start so gar keine Eigenständigkeit zutrauen.

Bei Fear the Walking Dead habe ich mich durch jede Staffel gequält. Warum? Wegen der Annahme, dass früher oder später ein Crossover mit der Mutterserie stattfinden würde - was nun, in der 4. Staffel, nach dem ganzen Durchhaltevermögen die Mühe wahrlich nicht wert war. Von den ganzen Marvel-Serien auf Netflix und darüber hinaus, die einen Menschen mit MCU-Alleskenner-Ambitionen zur Verzweiflung treiben können, will ich gar nicht erst anfangen.

Fear the Walking Dead bekommt Verstärkung von einer Walking-Dead-Figur: Morgan & Nick

Wenn dann aber die erste mittelmäßige Staffel von mir geschafft wurde, habe ich das Gefühl, eine Investition in die jeweilige Spin-off-Serie erbracht zu haben. Die Serie zu diesem Zeitpunkt, nach einer Staffel, abzubrechen, fühlt sich wie eine halbe Sache an, wenn noch eine 2, 3, 4 Staffel folgt. (Ist es falsch, dass ich insgeheim froh bin, dass Supernatural: Wayward Sisters nicht bestellt wurde?) Nüchtern betrachtet, ist mir durchaus bewusst, dass ich mir durch diesen Vollständigkeits-Trieb unnötige Qualen auferlege und trotzdem komme ich von der Droge Spin-off-Serie nicht so einfach los.

Ein schwerer Schritt: Der Mut zur Serien-Lücke

Um das an dieser Stelle klarzustellen: Ich behaupte nicht, dass ich alle Spin-off-Serien schlecht sind. Der Ableger Better Call Saul macht zum Beispiel meiner Meinung nach alles richtig, indem er zeitlich zwei Jahre Abstand zum Breaking Bad ließ und inhaltlich wie stilistisch seitdem sein eigenes Ding dreht. Die Frage ist also nicht, ob es auch gute Serien-Spin-offs gibt, sondern, warum ich die (in meinen Augen) schlechten trotzdem schaue. Es ist definitiv an der Zeit, mein Konsum-Verhalten kritisch zu reflektieren. Wenn alle Seriengucker Menschen wie ich wären, die auch schlechte Formate zu Ende schauen, gäbe es nicht das Phänomen, dass Serien besser bewertet werden als Filme. Außerdem werden Serien ständig wegen ausbleibender Zuschauerzahlen abgesetzt - es gibt sie also durchaus, die furchtlosen Abbrecher.

Big Bang Theorys Sheldon & Young Sheldon

Auch ich bin kein hoffnungsloser Fall: Dem Arrowverse schwor ich mit einem radikalen Schnitt aller Serien ab, als von mir indirekt verlangt wurde, neben Arrow und The Flash auch noch Legends of Tomorrow zu schauen, obwohl die Ausgangsserien für mich bereits immer schlechter geworden waren. Young Sheldon und The Originals schaute ich nach den Piloten nicht weiter, obwohl ich weiterhin The Big Bang Theory und Vampire Diaries konsumierte. Dennoch fällt mir der Schritt zum Abbruch häufig schwer. Doch das muss ich wohl oder übel mit mir selbst ausmachen, indem ich Mut zur Unvollständigkeit beweise. Denn letztendlich ist es ja meine Lebenszeit, die ich mit ungeliebten Spin-off-Serien verschwende, wenn ich stattdessen eine bessere Serie schauen (oder gar nach draußen gehen) könnte.

Habt ihr gleiche Erfahrungen beim Schauen von Spin-off-Serien gemacht? Fällt es euch leichter, die Ableger eurer Lieblingsserien zu ignorieren?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News