Der Doktor als Detective im Dorfkrimi Broadchurch

04.06.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Broadchurch
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Mein Herz für Serie geht heute an Broadchurch, die ganz England für acht Wochen in Atem hielt und David Tennant beweisen ließ, dass er nicht bloß den zweiherzigen Timelord von Gallifrey spielen kann. Das Ende wird natürlich nicht gespoilt.

Ende April erst ging die letzte Folge der 8-teiligen Miniserie Broadchurch über den Äther. Wer wie ich von der Überlegenheit britischen Fernsehens gegenüber US-Serien überzeugt ist, sollte sich dieses runde Sache vermutlich vormerken. Wer noch nicht der grad erwähnten Meinung ist, könnte durch diesen liebevoll produzierten Kleinstadtkrimi bekehrt werden. David Tennant, die zehnte Inkarnation des Doktors aus der seit 50 Jahren bestehenden Science Fiction-Institution Doctor Who, darf hier als ungewohnt-grummeliger Detective in Erscheinung treten, dem die Dorfluft komplett gegen den Großstäderstrich geht. Allein das sollte als Argument genügen.

Kleinstadt-Cluedo
Als Detective Inspector Alec Hardy untersucht er in der titelgebenden Kleinstadt den Mord am elfjährigen Danny Latimer, der zu Beginn tot am Fuße des örtlichen Kliffs gefunden wird. Der Tod des Jungen erschüttert die Küstenidylle, während sich mehrere Einwohner in bester Whodunnit-Manier verdächtig machen. Dannys Vater Mark hat zum Beispiel kein Alibi für die Nacht des Verbrechens, der Kioskverkäufer Jack Marshall (wieder einmal großartig gespielt von David Bradley) wird als registrierter Sexualstraftäter geoutet, die unheimliche Susan Wright ist irgendwie im Besitz von Dannys Skateboard, der Computerkurs-gebende Pastor ist auch nicht ganz koscher und und wieso löscht Dannys bester Freund Tom all die Nachrichten aus seinem Mobiltelefon?

“With respect, sir, walk away from me now, or I will piss in a cup and throw it at you”
An Tennants Seite ermittelt Detective Sergeant Ellie Miller, die als bodenständiges Gegenstück zum abgehobenen Londoner auftritt. Eigentlich war ihr bereits die Stelle als Inspector versprochen, was die Beziehung nur noch angespannter gestaltet. Gespielt wird sie von Olivia Colman, die einige vielleicht bereits aus der englischen Sitcom Peep Show oder ihrer Nebenrolle in Hot Fuzz – Zwei abgewichste Profis kennen. Die Rolle der etwas überforderten Normalopolizistin ist ihr wie auf den Laib geschrieben und besonders gegen Ende der Serie zeigt sie, wie sehr sie den Platz im Zentrum einer Primetime-Show verdient hat.

Who killed Danny Latimer?
Der Vergleich mit David Lynchs Twin Peaks, welcher häufig in den Raum geworfen wird, hält nur solange Stand, wie im weitesten Sinne von Krimiserien im Kleinstadtmilieu gesprochen wird. Bis auf einen verschrobenen Kerl, der sich der Polizei als Medium anbietet, geht es in Broadchurch ganz und gar weltlich zu, ohne dass metaphysische Wesen aus dem Wald hinzugezogen werden. Das Ende kommt dann zum Glück mit einer befriedigenden, wenn auch nicht ganz unoffensichtlichen, aber emotional erstaunlich komplexen Lösung daher und macht vor allem eine Sache richtig: Die Verarbeitung nach der Offenbarung des Killers. Viele Krimis gehen viel zu früh nach Auflösung in den Abspann über und versäumen die Auseinandersetzung mit diesem Schock, der mindestens genauso wichtig sein sollte, wie die Momente nach dem Fund der Leiche.

Nach dem Mord ist vor dem Mord
Möchten wir etwas kritischer mit Broadchurch ins Gericht gehen, müsste gesagt werden, dass ich mir von Anfang an mehr versteckte Hinweise auf den Täter / die Täterin / die Täter gewünscht hätte. Auch kommt Tennants Charakter im Gegensatz zu den anderen Figuren, die realitätsnaher dargestellt sind, als Abziehbild des runtergekommenen, grummeligen Ermittlers daher. Den sonst so knuddeligen Doktor in dieser Rolle zu sehen ist dennoch ein Vergnügen, besonders weil er endlich seinen schottischen Akzent auspacken darf.

Trotz der deutlich abgeschlossenen Story um den Fall Danny Latimer wurde bereits eine zweite Staffel angekündigt, die kommendes Jahr produziert werden soll. Diese soll ganz neue Wege beschreiten, wird sich aber ohne Namensänderung kaum jenseits der Stadtgrenzen von Broadchurch begeben können. Ob Charaktere aus der ersten Staffel wiederkehren werden ist bisher nicht bekannt. Vielleicht hat ja Matt Smith, der aktuelle Doctor Who-Star, Lust auf Krimi, wenn er den Sonic Screwdriver nun endlich an den Nagel hängt.

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