Anfang der Woche wurden die Oscar-Nominierungen 2023 bekannt gegeben. Unter den Nominierten befindet sich der Publikumsliebling des vergangenen Jahres Everything Everywhere All at Once, die deutsche Oscar-Hoffnung Im Westen nichts Neues und der neue Film von Steven Spielberg. Außerdem vorne mit dabei: The Banshees of Inisherin und das Elvis-Biopic, das seit Cannes für Aufsehen sorgt.
Prestigekino trifft auf Indie-Überraschungen: Mit Top Gun: Maverick und Avatar: The Way of Water haben sogar zwei waschechte Blockbuster ihren Weg in den diesjährigen Oscar-Zirkel gefunden. Dass ausgerechnet der inspirierendste Blockbuster der Saison keine einzige Nominierung erhalten hat, verblüfft dann aber doch. Nope, der neue Film von Jordan Peele, könnte fast in jeder Kategorie mitspielen.
Science-Fiction trifft Horror trifft Western: Die Oscars haben den aufregendsten Blockbuster 2022 vergessen
Vor fünf Jahren war Peele ein großer Name im Kreis der Academy. Mit seinem gefeierten Regiedebüt Get Out legte er einen Siegeszug in Hollywood hin, der ihn bis zu den Oscars brachte. Die satirische Horrorkomödie wurde in vier wichtigen Kategorien nominiert (Bester Film, Beste Regie, Bestes Originaldrehbuch und Bester Hauptdarsteller), was für einen unabhängig produzierten Genre-Film keineswegs selbstverständlich ist.
Hier könnt ihr den Trailer zu Get Out schauen:
Am Ende des Abends ging Peele mit dem Oscar für das Beste Originaldrehbuch nach Hause und bewies mit seinem nächsten Film, dass er diesen völlig zurecht erhalten hat. In dem 2019 erschienen Wir behauptete er sich erneut als spannender Filmemacher, der gerade erst anfängt, die Möglichkeiten des Kinos für sich zu entdecken. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung markiert der wilde Genre-Mix Nope.
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Stellt euch einen Sci-Fi-Horrorfilm vor, der sich gleichzeitig als Western, Komödie und Meta-Kommentar auf Hollywood versteht. Der weiße Hai trifft in einem Mystery-Plot auf Unheimliche Begegnung der dritten Art, während Peele seinen Film mit eigenwilligen Figuren bevölkert und um exzellente Dialoge erweitert. Das Drehbuch von Nope ist witzig, verspielt und besitzt viele Ebenen, die erst mit der Zeit zum Vorschein kommen.
Oscars 2023: Nope wäre ein klarer Kandidat für Bestes Drehbuch, Beste Regie und Bester Film gewesen
Hätte mich Anfang der Woche jemand gefragt, welcher Film definitiv für das Beste Originaldrehbuch nominiert wird, hätte ich ohne mit der Wimper zu zucken Nope geantwortet. Kaum ein anderer Film sprudelte letztes Jahr so sehr vor Ideen und stellte uns ein frisches Blockbuster-Kino in Aussicht. So sehr ich Avatar: The Way of Water und Top Gun: Maverick liebe: Mit der Entdeckungslust von Nope können sie nicht mithalten.
Nope wäre ein Kandidat für den Besten Film und die Beste Regie gewesen. Gerade als Regisseur hat Peele einen bemerkenswerten Sprung gemacht. Mehr noch als bei Get Out und Wir kommt in Nope seine Ambition zum Vorschein, großes, neugieriges und reflektiertes Kino zu schaffen. Sein Film beschäftigt sich etwa eingehend mit der Frage nach dem Preis des Spektakels und findet darauf unerwartete wie clevere Antworten.
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Ein wichtiger Verbündeter bei diesem Spektakel ist Kameramann Hoyte Van Hoytema, der für die atemberaubenden Bilder der jüngsten Nolan-Blockbuster verantwortlich ist, namentlich Interstellar, Dunkirk und Tenet. Dass seine herausragende Arbeit bei der diesjährigen Oscarverleihung keine Rolle spielt, ist unfassbar – gleiches trifft auf den tollen Cast rund um Keke Palmer, Daniel Kaluuya und Steven Yeun zu.
Keine einzige Oscar-Nominierung für Nope: Das ist ein bitterer Rückschritt für die Academy
Bester Schnitt, Bester Ton, Beste visuelle Effekte: Ich will nicht jede Oscar-Kategorie durchgehen. Eine liegt mir aber am Herzen: die Beste Filmmusik. Der Score von Michael Abels ist die größte Überraschung von Nope und bündelt den Ideenreichtum von Regie und Drehbuch auf musikalischer Ebene. Besonders gelungen ist das Spiel mit vertrauten Western-Klängen, die alles andere als angestaubt daherkommen.
Als Get Out 2018 bei den Oscars triumphierte, wirkte es, als hätte sich der Blick der Academy auf Genre-Kino verändert. Stattdessen befinden sich aber unter den aktuellen Nominierten bis auf wenige Ausnahmen nur Filme, für die es in der Oscar-Geschichte zahlreiche Vorbilder gibt. Die Frische von Nope ist höchstens in Everything Everywhere All at Once vorhanden. Und da ist Nope in jeder Hinsicht der bessere Film.
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