Avatar 2-Dreh: Wie der gigantische Sci-Fi-Blockbuster entstanden ist

05.06.2023 - 14:00 UhrVor 11 Monaten aktualisiert
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Avatar: The Way for Water sorgt in wenigen Tagen bei Disney+ für Staunen. Doch wie ist der Sci-Fi-Blockbuster entstanden? Ein Blick hinter die Kulissen enthüllt graue Hallen und riesige Wassertanks.

Wo eben eine dichte Nebeldecke die Wunder von Pandora verhüllte, kommen gigantische Bäume und schwebende Berge zum Vorschein. Dringen wir noch tiefer ein in diesen faszinierenden Ort, entdecken wir eine unglaubliche Vielfalt an Pflanzen und Tieren – und das nicht nur zu Land und in der Luft. Auch unter Wasser offenbaren sich atemberaubende Panoramen, wie sie selten im Kino zu sehen sind.

Avatar: The Way of Water verleitet mit jedem neuen Bild zum Staunen. 13 Jahre nach dem erstem Na'vi-Abenteuer mit Jake Sully, Neytiri und Co. hat der blau-grüne Planet Pandora nichts von seiner Faszination verloren. In der lang erwarteten Fortsetzung wirkt die Fantasiewelt noch greifbarer, noch ausformulierter. Beim Blick hinter die Kulissen sieht der epochale 3D-Blockbuster jedoch geradezu trostlos aus.

Sci-Fi-Blockbuster: Das Avatar 2-Set sieht aus wie eine Sporthalle mit Barren und Trampolin

Die Entstehungsgeschichte von Avatar: The Way of Water führt uns an das abstrakteste Set in der gegenwärtigen Filmlandschaft. Keine sonnigen Sandstrände und Wälder: An die Stelle der blauen Na'vis, wie wir sie von der Leinwand kennen, treten Schauspielende in merkwürdigen Anzügen, die sich wahlweise durch große Hallen und Wassertanks bewegen, als wären sie im Sportunterricht.

Im Video könnt ihr einen Blick hinter die Kulissen von Avatar 2 werfen:

Avatar: The Way of Water - Featurette Acting in the Volume (English) HD
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Avatar: The Way of Water hat eine lange Produktionsgeschichte hinter sich. Seit Anfang der 2010er Jahre spricht Regisseur James Cameron über die Fortsetzung. Frühe Konzeptzeichnungen reichen bis 2014 zurück. Nach einer umfangreichen Vorproduktion fiel 2017 die erste Klappe der ungewöhnlichen wie herausfordernden Dreharbeiten. 18 Monaten filmte Cameron seinen Cast im sogenannten Volume.

Achtung, Verwechslungsgefahr: Das Wort Volume ist derzeit im Filmbereich mit zwei verschiedenen Arten von Studioumgebung belegt. Auf der einen Seite haben wir das Volume, das durch die Star Wars-Serie The Mandalorian bekannt geworden ist. Hier finden sich Schauspielende vor riesige LED-Wänden ein, die – im Gegensatz zu Green- und Bluescreens – bereits mit fertigen Hintergründen aufwarten.

Nicht die Technik: Der Kern von Avatar 2 ist das Schauspiel von Sam Worthington und Co.

Im Fall von Cameron umschreibt das Volume die Studioumgebung, in der die Avatar-Fortsetzungen in Neuseeland gedreht werden. Konkret haben wir es mit einer großen Halle zu tun, in der diverse Objekte aufgestellt werden, über die sich die Cast-Mitglieder in Performance-Capture-Anzügen hinwegbewegen. Im weiter oben eingebundenen Making-of-Video bekommt ihr einen Eindruck vom Alltag im Volume.

Was ist Performance-Capture? Hierunter versteht man ein Verfahren zur Erfassung von Bewegungen. Durch Tracker werden Mimik und Gestik vom Computer festgehalten und auf digitale 3D-Modelle übertragen. Diese Tracker sind in Anzüge integriert. Darüber hinaus befinden sich zahlreiche Referenzpunkte in den Gesichtern der Schauspielenden, die von kleinen, vorgespannten Kameras aufgenommen werden. Das Verfahren wurde durch Andy Serkis' Gollum in den Herr der Ringe-Filmen salonfähig gemacht.

Avatar: The Way of Water

Bevor das blühende Pandora mit all seinen fantasievollen Pflanzen und Tieren zum Leben erwacht und die drei Meter großen Na'vis in Erscheinung treten, existiert nur das Schauspiel. Hauptdarsteller Sam Worthington umschreibt diesen Prozess im Interview mit Moviepilot:

Wir haben beim ersten Teil gemerkt, dass die Performance-Capture-Technik sehr schauspielfreundlich ist. Wir denken gar nicht viel über die Technik dahinter nach. Wir denken nur über uns gegenseitig nach. Und wir können die virtuelle Welt ja wirklich sehen, während wir filmen. Das ist der Unterschied zwischen uns und anderen Filmen, wir sind bereits in die Welt eingesunken, auch wenn wir uns auf einem grauen Set befinden.

Völlig orientierungslos sind die Schauspielenden also nicht. Verschiedene Objekte stehen stellvertretend für Pandoras Landschaften im Volume. Dazu haben Cast und Crew die Möglichkeit, sämtliche Aufnahmen in Echtzeit auf dem Computer in der Umgebung zu anzuschauen, in der sie später auch im fertigen Film auftauchen. Dieses Simulcam-System wurde bereits für Avatar – Aufbruch nach Pandora entwickelt.

Aus den gesammelten Aufnahmen entsteht der Performance Edit.

Komplexer Entstehungsprozess: James Cameron muss jeden Avatar-Film zweimal schneiden

Was ist der Performance Edit? Cameron schaut sich mit seinen Cuttern unmittelbar nach dem Dreh die täglichen Aufnahmen an, filtert die besten Darbietungen heraus und fügt diese zu einer – wirklich noch sehr rohen – Rohfassung zusammen. Mitunter können sich in diesem Performance Edit sogar Schauspielende aus verschiedenen Takes in einer Einstellung befinden.

Avatar: The Way of Water

Geschnitten wurde Avatar: The Way of Water in Büros in Neuseeland und Los Angeles. Zusammen mit Cameron sind vier Cutter in Abspann des Films gelistet. Dazu kommen viele weitere Assistent:innen, die das gesammelte Material sorgfältig durchgehen, archivieren und aufbereiten. Der Film, den wir im Kino sehen, entsteht jedoch erst Monate später, wie Cameron gegenüber IndieWire  verrät:

"[Die Entstehung eines Avatar-Films] ist sehr schnittintensiv. Der Grund dafür ist, dass man den Film im Grunde zweimal schneidet."

Das, was Cameron im Volume einfängt, sind wirklich nur die schauspielerischen Leistungen. Gerade bei einem Blockbuster, der sich auf den ersten Blick fast ausschließlich über seine Technik definiert, ist das ein wichtiges Detail. Cameron verbringt unglaublich viel Zeit damit, die bestmöglichen Performances aus den Stars herauszuholen, bevor er anfängt, den Film in Form zu bringen.

The Way of Water: Das Komplizierteste an Avatar 2 waren die Dreharbeiten unter Wasser

Wie sieht das alles bei den Unterwasserszenen aus? Avatar: The Way of Water entführt uns in die Tiefen des Ozeans. Wasserlastige Filme wie Aquaman greifen auf Bluescreens und Seile zurück, an denen Jason Momoa und Co. hängen und so tun, als würden sie schwimmen. Für den langjährigen Tauchexperten Cameron war dagegen von Anfang an klar, dass er das zweite Avatar-Kapitel zu großen Teilen unter Wasser drehen will.

Für Avatar: The Way of Water wurden in den Manhattan Beach Studios von Lightstorm Entertainment in Kalifornien zwei große Wassertanks errichtet – einer für Actionszenen, einer für ruhige Momente. Bereits im Zuge von Abyss und Titanic hat Cameron in solchen Tanks gedreht. Das Problem bei Avatar: Das Performance-Capture-Verfahren und das Simulcam-System konnten nicht einfach unter Wasser eingesetzt werden.

Im Gespräch mit der Los Angeles Times  erklärt Produzent Jon Landau:

Uns wurde klar, dass das Performance-Capture-Verfahren, das über Wasser funktionierte, unter Wasser nicht funktioniert. Wir mussten daher [zwei verschiedene Systeme für] zwei verschiedene Volumes erstellen, die synchron miteinander arbeiten. Denn wenn jemand ins Wasser springt, müssen wir das sowohl von der Oberfläche als auch von unter Wasser einfangen.
Avatar: The Way of Water

Ryan Champney, der Virtual Production Supervisor von Avatar 2, sagt:

Das Infrarot, das normalerweise die Bewegungserfassung beim Performance-Capture ermöglicht, wird im Wasser absorbiert. Also mussten wir zu ultraviolettem Licht übergehen. Das wird im Wasser übertragen, wird allerdings auch vom Kamerasensor erfasst. Da es kaum Informationen zu dem Thema gab, mussten wir selbst viel ausprobieren.

Die letzte Hürde: Obwohl es dank Performance-Capture problemlos möglich gewesen wäre, die Schauspielenden mit Sauerstoffflaschen auszustatten, war das für den Dreh keine Option. Der Grund: Die vielen kleinen Luftblasen, die beim Atmen heraustreten, stören die Kamerasensoren. Der Hauptcast musste somit ein Tauchtraining absolvieren und während des Drehs bis zu sechs Minuten die Luft anhalten.

Um die mit Maschinen für Wellenbewegungen und weitere Spezialeffekte ausgestatteten Wassertanks wurden dementsprechend nicht nur Kameras für die Filmaufnahmen positioniert. Alle sich im Wasser befindenden Talente wurden über Sicherheitskameras beobachtet. Nicht zuletzt war die gesamte Wasseroberfläche von kleinen weißen Schwimmkugeln bedeckt, um ungewollte Lichtreflexionen zu vermeiden.

Der Avatar 2, den wir im Kino gesehen haben, ist Monate nach den Dreharbeiten entstanden

Nach den Dreharbeiten in den Volumes und der Fertigstellung des Performance Edits begann Cameron, sich mit einer virtuellen Kamera durch die Aufnahmen zu wühlen. Zuvor existierten keine festgelegten Einstellungen. Ob Avatar: The Way of Water nur das Gesicht einer Figur oder die gesamte Welt von Pandora zeigt, entscheidet Cameron erst in der Postproduktion beim zweiten Schnittdurchgang des Films.

Avatar: The Way of Water

Alles, was Cameron vor Ort im Volume gedreht hat, ist flexibel und kann je nach Bedarf verändert, angepasst und erweitert werden. Hier entstehen die Bildkompositionen und Kamerabewegungen, die uns nach Pandora transportieren. Oder wie es Cameron ausdrückt:

[Mit der virtuellen Kamera] versuche ich, herauszufinden, was ein Close-up und was eine Totale ist. Ich spiele mit der Beleuchtung und bewege landschaftliche Elemente hin und her. Daraus entstehen die eigentlichen Einstellungen. Und an diesem Punkt muss dann auch alles nochmal geschnitten werden.

Als diese zweite Schnittfassung endlich stimmte, ging die Reise weiter zur Wētā Workshop, wo sämtliche digitale Effekte ausformuliert und vollendet wurden. Von der grauen Sporthalle ist nun nichts mehr zu erkennen, was früher oder später die Frage aufwirft, ob Avatar: The Way of Water überhaupt noch als Live-Action-Film bezeichnet werden kann und nicht doch eher als Animationsfilm.

Schnittmeister Stephen Rivkin widerspricht dem im IndieWire-Interview eindeutig:

Es gibt einen großen Unterschied zwischen Performance-Capture und Animation. Bei einem Animationsfilm erstellt man Figuren [komplett im Computer] und für gewöhnlich kommt danach ein Schauspieler hinzu, um die Stimme eines Assistenten zu ersetzen und der Figur ihren Charakter zu geben. [Bei Avatar: The Way of Water] haben wir es aber mit Live-Action zu tun, weil alles mit den Darbietungen der Schauspieler beginnt [...].

Cameron betont immer wieder, wie wichtig ihm die Arbeit mit einem echten Cast ist, mit dem er am Set über die Entwicklungen der Figuren und ihre Beziehungen untereinander sprechen kann. Selbst wenn dieses Set alles andere als aufregend aussieht: Das emotionale Drama um Jake Sullys Familie, das Avatar 2 erst Gewicht verleiht, entsteht genau hier, zwischen Barren und Trampolin.

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