Auf Nummer sicher gehen mit Shot for Shot

14.12.2011 - 08:50 Uhr
Viele Szenen aus So finster die Nacht wurden in Let Me In orignalgetreu übernommen.
Overture/EFTI
Viele Szenen aus So finster die Nacht wurden in Let Me In orignalgetreu übernommen.
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Shot for Shot Remakes übernehmen Einstellung und Timing des Originals und ändern nur den Cast und kleine Details. Ist das alles Kommerz? Hat das überhaupt einen Sinn? Wir haben auf einige Vertreter dieses Remake-Art geschaut.

Nächste Woche kommt ein Vampirfilm der anderen Art ins Kino. Let Me In handelt von einem kleinen Mädchen (Chloë Grace Moretz), das als Vampir nicht gerade zimperlich mit ihren Opfern umgeht und schließlich Freundschaft mit einem schulischen Außenseiter (Kodi Smit-McPhee) schließt. Der Film ist nicht der erste mit dieser Prämisse. Let Me In ist zu großen Teilen ein Shot for Shot-Remake des schwedischen Films So finster die Nacht von Tomas Alfredson.

Viele Einstellungen wurden aus dem Original übernommen und nur ein paar Plotdetails, das Setting und die Schauspieler wurden für den amerikanischen Markt angepasst. Das ist durchaus nicht unüblich und auch kein jüngeres Phänomen. Mal sind es nur ein paar Szenen, mal der ganze Film. Oft weiß der Zuschauer nichtmal, dass es sich nicht um ein Original handelt. Das muss nicht zwingend schlecht sein. Sehr oft ist es aber ganz einfach sinnlos.

Classics Reloaded
Wie hätte Alfred Hitchcock wohl über die Neuauflage seines 1960er-Klassikers Psycho von Gus van Sant gedacht? Als Hitchcock-Fan übernahm dieser für Psycho (1998) sogar die Filmfehler des Originals. Aber nichtmal die Star-Power von Vince Vaughn, Viggo Mortensen und Julianne Moore bewahrte den Film vor dem Verriss. Trotz der Gleichheit fehlte die für den Kultregisseur typische Spannung und das Unbehagen. Der Film bewies, um es mit den Worten des Filmkritikers Roger Ebert zu sagen, dass das Genie zwischen den Einstellungen liegt. Der Klon ist nicht unbedingt das Original, das hatte das Experiment Psycho bewiesen. Gleiches gilt für das (fast) Shot for Shot Remake von Das Omen (Richard Donner, 1976). Das Omen (2006) blieb seinem Paten in vielerlei Weise treu und fügte nur ein paar zusätzliche Szenen ein, krönte das Ganze mit hollywoodscher Oberflächendüsternis und stürzte das Projekt mit übertriebenem Zeitdruck (Kinostart unbedingt am 06.06.06) in die untere Mittelmäßigkeit.

Drei Shot for Shot-Remakes noch zu Alfred Hitchcocks Lebzeiten waren The Barretts of Wympole Street (1934, 1957), The Four Feathers (1939, Remake 1955: Storm of the Nile) und The Prisoner of Zenda (1937, 1952). Der Grund für diese Neuauflagen war ganz einfach der Fortschritt der Technik. Technicolor statt Schwarz-Weiß, Cinemascope (Wide Screen), bessere Tricktechnik und aktuellere Schauspieler rationalisierten die Wiederverwendung derselben, bewährten Drehbücher und sollten den Filmen ihr ursprünglich angedachtes Aussehen verleihen. Für heutige Shot for Shot-Remakes gibt es in Hollywood aber auch noch ganz andere, sehr viel triftigere Gründe.

Amerikanischer Lokalisierungswahn
Im Marketing liegt der Hund begraben. Ring (2003) ist bekanntermaßen kein Original, sondern ein Remake des japanischen Films Ring – Das Original. Amerikanischen Kinogängern wurde nicht genügend Offenheit für den Besuch des fernöstlichen Originals zugetraut. Auch Untertitel und Synchronisationen machen sich gar nicht gut auf dem amerikanischen Markt. Die Lokalisierung ausländischer Filme hat in Hollywood daher Tradition. Oftmals erscheint das Original aber so gut, dass gar keine Plot-Veränderungen nötig sind. Für die Lokalisierung des koreanischen Films Ju-on: The Curse wurde deswegen dessen Regisseur Takashi Shimizu engagiert, um den Film Einstellung für Einstellung mit amerikanischem Cast (unter anderem Sarah Michelle Gellar) und Setting neu aufzusetzen. Wie in Japan war The Grudge – Der Fluch ein Erfolg und hatte in Amerika von den Originalen unabhängige Sequels, bei denen Takashi Shimizu ebenfalls auf dem Regiestuhl saß. The Grudge war ein Test des japanischen Horrors für den amerikanischen Markt, der, zumindest in den Augen der Studios, mit voller japanischer Härte nicht klargekommen wäre.

Auch [REC] (2007), der spanische Zombiehorror à la Blair Witch Project bekam ebenfalls ein rein kosmetisches Make-Over. Der amerikanische Film Quarantäne folgte als Shot for Shot-Remake nur ein Jahr später. Obwohl das Original deutlich bessere Kritiken bekam, wurde Quarantine nicht verrissen. Nur die Sinnlosigkeit des Remakes stand im Raum.

Codename: Nina (1993) war zu großen Teilen eine identische Umsetzung von Nikita (1990) von Luc Besson und das nur drei Jahre später. Ähnliches gilt für Funny Games U.S. (2008) von Michael Haneke. Wie schon bei The Grudge war der Deal hier, dass der österreichische Regisseur eine Shot for Shot-Reproduktion seines Films Funny Games aus dem Jahr 1997 mit amerikanischen Schauspielern (unter anderem Naomi Watts, Tim Roth) herstellt. Exakt genauso wie das Original spielte das Remake mit den Konventionen des Slasher-Films und stellte unterschwellig die Frage nach der Ethik des Figurenquälens. Übrig blieb am Ende des Neuaufgusses nur die Frage nach dem Warum, die sich auch viele Amerikaner stellen.

Alles Kommerz?
Remakes sollen Klassikern oder auch neuen Filmen einen anderen Blickwinkel verleihen oder den Stoff aktualisieren. In manchen Fällen sind sie besser als das Original. Noch interessanter ist es, wenn sie einfach nur anders sind. Oft sind Shot for Shot-Remakes aber nur Neuauflagen, die keiner braucht und die nur aus Lokalisierungsgründen zeitnah zum Original hergestellt werden. Manchmal birgt das grausige Resultate, gerade wenn es um Klassiker geht. Manchmal, wie im Fall von Let Me In, funktioniert es durchaus. Trotzdem haben diese Remakes einen faden Beigeschmack, mangelt es ihnen letztendlich doch an Existenzberechtigung. In Indien hat sich sogar ein ganzer Markt für Shot for Shot-Verfilmungen mit Gesangseinlage herausgebildet. Natürlich hat all das eher mit dem Glauben an das schnelle Geld, als mit der Treue zum Original zu tun. Der Genre-Blick stimmt nicht unbedingt optimistisch.

Ein schönes, die Laune hebendes Schlusswort zum Thema ist aber dennoch dieses: In den 80er-Jahren arbeiteten drei Teenager aus Mississippi sieben Jahre an einem Shot for Shot Low Budget Remake von Jäger des verlorenen Schatzes (Raiders: The Adaptation), das erst über 10 Jahre später wieder durch das Bemühen von Eli Roth an die Oberfläche gelangte. Seit einiger Zeit arbeitet Drehbuch- und Comicautor Daniel Clowes (Ghost World) an einem Drehbuch über die Entstehungsgeschichte der Indy-Adaption (Untitled Daniel Clowes Project). Und das macht, wie Raiders: The Adaptation selbst, ausnahmsweise doch mal richtig Sinn.

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