1935 - Triumph des Willens propagiert NS-Ideologie

04.02.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Triumph des Willens
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Triumph des Willens ist entgegen der Verteidigung seiner Regisseurin alles andere als ein ausschließlich ästhetischer Dokumentarfilm. Das Propagandawerk von Hitlers Lieblingsregisseurin hat trotzdem einige filmische Besonderheiten aufzuweisen.

Es war mein zweites Semester als Filmwissenschaftsstudentin, und im Rahmen einer Filmgeschichtsvorlesung saß ich in einem verdunkelten Saal vor einer Leinwand. Es stand ein Sichttermin an. Um mich herum leuchteten die für Studenten obligatorischen Smartphone-Displays, der ein oder andere hatte sich etwas Nervennahrung mitgebracht. Bei wohl keinem anderen Film, den ich in Kinoatmosphäre schaute, war es interessanter, die Reaktionen des Publikums genau zu verfolgen.

Ein beeindruckender Film – unter Vorbehalt
Triumph des Willens von Leni Riefenstahl steht nicht umsonst auf der Liste der Vorbehaltsfilme, die in Deutschland nur in wissenschaftlichem Kontext und mit Einführung und aufklärerischem Kommentar kundiger Experten gezeigt werden dürfen. Denn auch wenn nach einer Stunde des immer wiederkehrenden Marschierens die meisten Studenten gelangweilt den Saal verließen, lässt sich doch nicht leugnen, dass der Film auch eine Art hypnotisierende Wirkung auf seine Zuschauer ausströmt.

Es war Adolf Hitler persönlich, der die Schauspielerin und Regisseurin von Bergfilmen wie Das blaue Licht damit beauftragte, mit der Kamera die Feierlichkeiten um den Reichsparteitag der NSDAP im Jahre 1934 zu begleiten. Er hielt der künstlerisch durchaus sehr ambitionierten Riefenstahl das Propagandaministerium vom Hals und tauchte letztlich sogar als inoffiziell leitender Produzent im Abspann auf. Dass aus diesem Projekt keine rein dem nüchternen Dokumentarismus verpflichtete Arbeit entstehen konnte, war wohl keine Überraschung.

Der Traum vom stählernen Körper
Die Wolken lichten sich und der Schatten eines Flugzeuges zeichnet sich auf dem sonnenbeschiedenen Boden ab. Zu den Klängen der Meistersinger von Nürnberg von Richard Wagner landet Hitler auf dem Flughafen von Nürnberg, wo ihn eine jubelnde Menge empfängt. Sein Autokorso bahnt sich einen Weg durch die begeisternd winkende Bevölkerung. Der Auftakt von Triumph des Willens mutet spektakulär an, ganz besonders im Kontext seiner Zeit.

Und die Spektakularitäten reißen nicht ab. Was der Theoretiker Siegfried Kracauer anschaulich als Ornament der Masse bezeichnete, lässt sich wohl in keinem anderen Film so treffend ablesen wie in dem Propagandawerk von Leni Riefenstahl. Unaufhörlich inszeniert die Regisseurin fackelbeschienene Paraden der SA, stramme Kundgebungen der Hitlerjugend und eine vor Euphorie förmlich flammende Menschenmenge in der Luitpoldhalle während Hitlers Abschlussrede. Der stählernde Körper der Masse schluckt das Individuum.

Die Faszination des Bösen
Was für die meisten Historiker, Kritiker und Filmwissenschaftler bis heute als eines der bekanntesten Beispiele für Propagandafilme gilt, verteidigte Leni Riefenstahl bis zu ihrem Tod als ästhetischen Dokumentarfilm. „Triumph des Willens ist ein Dokumentarfilm von einem Parteitag, mehr nicht. Das hat nichts zu tun mit Politik. […] Ich habe versucht, die Atmosphäre, die da war, durch Bilder auszudrücken und nicht durch einen gesprochenen Kommentar. […] Die Bilder mussten das sagen können, was man sonst spricht. Aber deswegen ist es doch keine Propaganda.“

Dagegen hielt zum Beispiel die US-amerikanische Essayistin Susan Sontag, die jegliche Annahmen dieser Art als naiv verurteilte: „In Wirklichkeit hat die Riefenstahl, wie sie in dem schmalen Buch über die Entstehung von ‚Triumph des Willens‘ berichtet, bereits bei der Planung des Parteitags mitgewirkt – der von Anfang an als Kulisse für ein Filmspektakel angelegt war […]“, stellte sie in ihrem Text Faszinierender Faschismus 1974 fest.

Von schwarz-weißer Propaganda zu buntem Animationsspaß
Es ließen sich tatsächlich viele Filmemacher von Leni Riefenstahl beeinflussen, die man auf den ersten Blick nicht mit Hitlers Lieblingsregisseurin in Verbindung bringen würde. Massenszenen in den Filmen von Peter Jackson, George Lucas oder Ridley Scott weisen durchaus von Triumph des Willens geprägte Momente auf. Charlie Chaplin zog 1940 auf amüsante Art und Weise die Paraden in Der große Diktator durch den Kakao, und vergleichbare Einstellungen aus Uhrwerk Orange, Starship Troopers oder Gladiator haben sich im filmhistorischen Gedächtnis verewigt. Nicht einmal der Animationsfilm Der König der Löwen von Disney ist frei von entsprechenden Referenzen.

Einige Inspiration hatte sich die Regisseurin von sowjetischen Revolutionsfilmen à la Panzerkreuzer Potemkin von Sergei M. Eisenstein geholt, der innovative Einsatz des Teleobjektivs für monumentale Luftaufnahmen, ihre raffinierte Montage und der wirkungsvolle Einsatz von Musik sprechen trotz allem für ein filmisches Zeitdokument mit historischem Wert. Vor zwei Jahren in meinem Sichttermin waren die Reaktionen klar: anfängliche Faszination wich einer trägen Langeweile, denn selbst die spektakulärsten Massenaufmärsche nutzen sich nach der x-ten Wiederholung ab. Als Zeitdokument und aufschlussreiches Analyseobjekt bleibt Triumph des Willens aber bis heute unverzichtbar.

Was die Menschheit sonst noch im (Film)Jahr 1935 bewegte:

Drei Filmleute, die geboren sind
17. Juli 1935 – Donald Sutherland, Captain Hawkeye aus M.A.S.H.
08. November 1935 – Alain Delon, aufständischer Tancredi aus Der Leopard
01. Dezember 1935 – Woody Allen, Regisseur von Der Stadtneurotiker

Drei Filmleute, die gestorben sind
27. Juni 1935 – Eugène Augustin Lauste, französischer Filmtechnikpionier
15. August 1935 – Will Rogers, Farmer Frake aus Jahrmarktsrummel
16. Dezember 1935 – Thelma Todd, Lucille aus Die Marx Brothers auf See

Die großen Academy Awards-Sieger waren unter anderem
Oscars – Es geschah in einer Nacht von Frank Capra (Bester Film, Regisseur, Hauptdarsteller, Hauptdarstellerin)
Bester Ausländischer Film in Venedig – Anna Karenina von Clarence Brown
New York Film Critics Circle Award – Der Verräter von John Ford

Die drei kommerziell erfolgreichsten Filme
Meuterei auf der Bounty von Frank Lloyd
Becky Sharp von Rouben Mamoulian
Ich tanz mich in dein Herz hinein von Mark Sandrich

Drei wichtige Ereignisse der (Nicht-)Filmwelt
12. Juni 1935 – der Chacokrieg zwischen Bolivien und Paraguay endet mit einem Sieg des Letzteren
15. September 1935 – Die Nationalsozialisten erlassen die Nürnberger Gesetze auf Grundlage ihrer antisemitischen Ideologie
Oktober 1935 – In China endet der Lange Marsch der Roten Armee von Mao Zedong

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