Zum 75. Geburtstag von Harrison Ford - Der erste Blockbuster-Star

13.07.2017 - 15:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Harrison Ford als Han Solo
20th Century Fox
Harrison Ford als Han Solo
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Auf seine späten Tage spielt Harrison Ford noch einmal seine berühmtesten Figuren. Wir gratulieren dem Mann hinter Han Solo, Indiana Jones, Rick Deckard und vielen mehr zum 75. Geburtstag.

Das erste Wort, das mir beim Gedanken an Harrison Ford durch den Kopf schießt, ist Schmerz. Der gequälte, in Karbonit gefrorene Gesichtsausdruck in Das Imperium schlägt zurück. Die nicht enden wollenden Strapazen auf dem Weg zur Gerechtigkeit in Auf der Flucht. Der gellende Schrei auf dem Schiff in Jäger des verlorenen Schatzes, als Marion Indy aus Versehen einen schweren Spiegel ins Gesicht rammt. Und schließlich jede Szene, in der Ford in den vergangenen zehn Jahren mehr als zwei Meter am Stück rennen musste. Andere lassen die Schauspielerei auf der großen Leinwand leicht aussehen. Bei Ford schwingt immer die Frage mit, ob wir nichts Besseres zu tun haben. Und die grummelige Antwort: Da müssen wir jetzt eben gemeinsam durch. Das prädestinierte den ersten echten Star des modernen Blockbuster-Kinos für Han Solo, Indiana Jones und Rick Deckard, drei Rollen, die er auf seine späten Tage nochmal abklappert. Wenn Indiana Jones 5 im Jahr 2020 wie geplant in die Kinos kommt, wird Ford gerade das Konfetti für seinen 78. Geburtstag wegfegen. Oder als Pilot dehydrierte Wanderer aus der Bedrängnis retten. Gratulieren wir ihm erst einmal zum 75.!

Sprechen Stars des klassischen Hollywood-Kinos, ein Robert Mitchum beispielsweise, über Method Acting und die Kunst in der Schauspielkunst, erscheint es manchmal so, als hätte sich ein Molekularkoch in ihrer Currywurst-Bude beworben. Harrison Ford wurde im Verlauf seiner Karriere vielfach mit diesen professional actors einer vergangenen Ära verglichen. Sie begreifen die Schauspielerei als Job wie jeden anderen. Obwohl kleine Rollen in New Hollywood-Filmen wie American Graffiti und Der Dialog sein Karrieresprungbrett wurden, hat Fords Schauspielstil mehr mit den Stars des untergehenden Studiosystems gemein als einem Robert De Niro oder Al Pacino. Er scheint weder Dämonen seiner Seele für Rollen zu beschwören, noch lässt er sich als leeres Gefäß von den Eigenschaften einer Figur füllen. Insofern versteht er die Schauspielerei wie einen jener Aufträge als Schreiner, die ihn in den Anfangstagen in Los Angeles finanziell über Wasser hielten. So verkauft Harrison Ford seine Herangehensweise jedenfalls und bei seinen weniger gelungenen Filmen wird dies häufig herausgekramt, um ihm mangelnde Experimentierfreude vorzuwerfen.

Blade Runner

Harrison Ford spielt also stets auch "Harrison Ford", so wie es Cary Grant oder James Stewart vor ihm taten. Beim Erfinder in Mosquito Coast schleichen sich Anzeichen des Wahnsinns ein und Deckard aus Blade Runner ist im Vergleich zu Han Solo eher ein verschlossener Film noir-Held. Die Twists im Hitchcock'schen Schatten der Wahrheit erweisen sich als effektiv, weil wir lange glauben, Michelle Pfeiffers Claire sei eben mit "Harrison Ford" verheiratet und durch den Thrillerkram "müssen sie jetzt eben gemeinsam durch". So wie Joan Fontaine in Verdacht mit "Cary Grant" verheiratet ist. Alle drei Filme zeugten von Fords Versuchen, nach dem enormen Erfolg von Star Wars und Indiana Jones sein Repertoire zu erweitern.

Man führe sich noch einmal dieses Jahrzehnt vor Augen, die - nein sagen wir besser - Harrison Fords 80er: 1980 die Eröffnung mit Das Imperium schlägt zurück, ein Jahr später Jäger des verlorenen Schatzes, 1982 Blade Runner, '83 Die Rückkehr der Jedi-Ritter, dann Indiana Jones und der Tempel des Todes, dann die bisher erste und einzige Oscarnominierung für Der einzige Zeuge. Hits wie Die Waffen der Frauen und Indiana Jones und der letzte Kreuzzug sollten in der Dekade folgen. Was das erfolgreichste Jahrzehnt des Harrison Ford jedoch auch zeigte: Die vergleichsweise düsteren Rollen - in Blade Runner, Mosquito Coast, Frantic - fanden sich in kommerziellen Misserfolgen. Robert Zemeckis' Schatten der Wahrheit von 2000 fuhr als eines der wenigen Ford'schen Rollen-Experimente einen beträchtlichen Gewinn ein. Es sollte sein bisher letzter großer Erfolg in einer Franchise-freien Hauptrolle bleiben.

Schatten der Wahrheit

Als Krieg der Sterne ihn 1977 schlagartig berühmt machte, war der in Chicago geborene Harrison Ford 35 Jahre alt. Mit der Hoffnung auf Jobs als Radiosprecher war er nach dem College in die Stadt der Engel gezogen, verdingte sich als Statist (u. a. in Zabriskie Point) und ergatterte kleine Sprechrollen in Fernsehen und Kino. Der große Durchbruch wollte sich lange Zeit nicht einstellen. Fords Präsenz brennt sich nicht auf die Leinwand, da hören die Vergleiche zu einem Mitchum oder Grant eben auf. Und doch gibt es in der Ära des Blockbusters nur eine Handvoll Schauspieler, die dermaßen über ihren Franchises stehen wie Harrison Ford. Der sarkastische Schmuggler mit dem verschmitzten Funkeln in den Augen machte ihn weltbekannt. Trotzdem wird Ford in einer Weise immer größer als Star Wars oder Indiana Jones sein, die einem Mark Hamill, einer Carrie Fisher oder aber einem Christopher Reeve, Tobey Maguire oder Chris Evans verwehrt bleibt. Von Harrison Fords Karriere, ungeachtet ihrer Schwankungen in den späten 90er und 2000er Jahren, dürften die meisten Darsteller heute träumen, wenn sie einen Sieben-Filme-Vertrag für eine Comic-Verfilmung unterschreiben.

Ford kam das zweite große Franchise innerhalb weniger Jahre zugute. Es kam ihm zugute, dass er sich Han Solo und Indiana Jones vollkommen einverleiben konnte, ohne Vorbelastung durch Jahrzehnte Comic-Geschichte. Der Star kreierte im Verbund mit George Lucas, Steven Spielberg und anderen die Marke, nicht die Marke den Star. So teilen diese Figuren eine für Ford-Rollen typische Bodenständigkeit und Verletzlichkeit. Wir nehmen ihm den Archäologie-Professor ab, der sich in den Dschungel träumt, ebenso wie den Abenteurer, der sich vor einer tiefschwarzen Höhle fragt, warum er nicht im Hörsaal geblieben ist. Zwischen einem wie Han Solo und dem heldenhaften Vater Jack Ryan aus Die Stunde der Patrioten und Das Kartell liegen auf dem Papier Welten, die auf den Schultern Harrison Fords überwunden werden können.

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Seine schauspielerischen Mittel scheint Ford dabei kaum zu variieren. Es gibt das sarkastische Funkeln, das vielfach von einer plötzlichen Wut aufgebrochen wird. Da wird geschrien und gedroht, grimmig versteinert sich das Gemüt, von den Mundwinkeln bis zum ausgestreckten Zeigefinger. In Der einzige Zeuge kitzelt Regisseur Peter Weir eine ungeahnte Sehnsucht aus diesem minimalistischen Angebot. Wie Fords Polizist John da in der Amish-Siedlung zum Fenster von Kelly McGillis' Rachel herauf blickt, scheint das Funkeln einem sogkräftigen schwarzen Loch zu weichen - zugegeben, ein viel zu großes Bild für das schnörkellose Schauspiel des Stars.

Wie schwer diese doch eigentlich klar umrissene Star Persona des Harrison Ford zu fassen ist, zeigt denn auch das Kabinett an Schauspielern, die ihn beerben sollen oder jüngere Versionen spielen. Ein Sturm-und-Drang-Darsteller wie River Phoenix findet sich, einer wie Ryan Gosling in Blade Runner 2049 mit seinem zunehmend selbstreflexiven Spiel, und der wie aus dem Gesicht geschnittene Anthony Ingruber aus Für immer Adaline. Selbst der neue Han Solo, Alden Ehrenreich, der - so viele, wie fürs Presseheft wie geschaffene, Parallelen müssen sein - vor rund zehn Jahren von Steven Spielberg und Francis Ford Coppola entdeckt wurde, machte in Tetro und Hail, Caesar! den Eindruck eines zerebraleren Schauspielers. Wie viel Mimikry und wie viel Neuerfindung in dem Han Solo-Spin-off stecken werden, erfahren wir dann nächstes Jahr.

Star Wars Episode 7: Das Erwachen der Macht

Harrison Ford durchlebt derzeit nochmal seine alten Rollen, was er mit einigen Kollegen aus den 70er und 80er Jahren gemein hat. Sein Können zeigte er zuletzt auch in Nebenrollen, etwa in Für immer Adaline oder als Baseball-Manager im Jackie Robinson-Biopic 42 - Die wahre Geschichte einer Sportlegende. Gerade in Adaline ist Fords Präsenz als früherer Liebhaber von Blake Livelys unsterblicher Heldin eine etwas entrückte. Fords Helden machen oft den Eindruck, als würden sie vor dem Zuschauer ihr halbes Leben verbergen. Sie tragen Geheimnisse herum, frühere Liebschaften, Abenteuer, schiefgelaufene Deals mit voluminösen Schwabbel-Aliens und Träume von elektrischen Schafen. Für Adaline wird ein Geheimnis zur Abwechslung mal gelüftet. In den meisten Filmen aber bleibt uns eine Seite verschlossen.

Harrison Ford, der Star, der auch unser schreinernder Nachbar sein könnte, so unscheinbar wirkt er, bleibt dann doch ein Enigma. Sein Privatleben bricht gelegentlich per Flugzeug oder Hubschrauber in die Öffentlichkeit, Scheidungen und Hochzeiten sind bekannt. In Interviews mag der aufmerksame Beobachter an den klammernden Händen ein Angstgefühl vor öffentlichen Auftritten erkennen, das Ford nachgesagt wird. Zur Schauspielerei führte ihn nach eigenen Aussagen schließlich der Wunsch, die eigene Schüchternheit zu überwinden.

Das delikate Wechselspiel aus Distanz und Vertrautheit macht das Star-Sein aus und Harrison Ford hat es über die Jahre geradezu perfekt gemeistert, bewusst wie unbewusst. Vermutlich sind wir Han Solo und Indiana Jones und all den anderen also nie näher, nie verbundener als in ihrer Verletzlichkeit, im Schmerz.

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