Spontan fallen mir zwei Dinge ein, die ich an Udo Kier sympathisch finde. Zum einen ist ihm keine Rolle zu klein oder zu schräg und zum anderen telefoniert er auf Reisen immer mit seinen Hunden, die in seinem Haus auf ihn warten. Grund genug, dem Schauspieler, der sich selbst als Kunst bezeichnet, heute zum 70. Geburtstag zu gratulieren.
Nach beinahe 50 Jahren im Filmgeschäft kann Udo Kier, der am 14. Oktober 1944 in Köln-Mülheim geboren wurde, auf eine Filmographie blicken, die mehr als 200 Titel umfasst. Erstaunlich ist dies sicher auch, weil Udo Kier nicht über eine abgeschlossene Schauspielausbildung verfügt. In einem Interview erzählte er vor kurzem, dass er mal zum Spaß einen Kurs bei Lee Strasberg mitgemacht hat. "Ich musste ein Bär sein, der 'Oh, Tannenbaum' singt. Das war nichts", so Udo Kier. Angesichts der namhaften Regisseure, mit denen der Schauspieler bereits zusammengearbeitet hat, hat ihm die mangelnde Ausbildung offenbar nicht geschadet. Er stand für Rainer Werner Fassbinder, Gus van Sant, Christoph Schlingensief, Lars von Trier und Guy Maddin vor der Kamera. Doch auch wenn Uwe Boll an seine Tür klopft, sagt der Schauspieler nicht nein.
Das zeigt auch, dass sich Udo Kier während all der Jahre im Filmgeschäft nie auf ein Genre oder eine Stilrichtung hat festlegen lassen. Der Schauspieler, der einer der wenigen deutschen Stars in Hollywood ist, wechselt munter von Trash zu Arthouse, spielt in Low-Budget-Produktionen ebenso wie in Blockbustern und dreht Dramen, Horror- oder Science-Fiction-Filme. Wenn ein Schurke gesucht wird, greifen Casting-Agenten rund um den Globus zum Telefon, um
den Schauspieler mit den durchdringenden Augen anzurufen.
Udo Kier spielt mit Genuss Sadisten (Hexen bis aufs Blut gequält), Vampire (Blade), Dämonen (Geister), Nazis (Iron Sky) und andere dunkle und fiese Gestalten. Auf diese Rollen wird Udo Kier dann auch besonders angesprochen: "Vampire oder Schurken, daran erinnern sie sich", erzählt der Schauspieler im Januar 2011 . An einen Vampir erinnere auch ich mich, denn es war Andy Warhols Dracula, in dem ich den Schauspieler zum ersten Mal sah. Obgleich der Film recht, sagen wir mal, speziell ist, fand ich sowohl am Film als auch an Udo Kier Gefallen. Meilenweit vom heutigen (Glitzer-) Vampir entfernt, war er sich auch nicht zu schade, in ein blutgetränktes Weißbrot zu beißen. Und obwohl Udo Kier meint, dass die Menschen ihn eher in Mainstream- als in Arthouse-Filmen sehen, hat er zumindest mich dazu gebracht, Breaking the Waves anzusehen.
Apropos Lars von Trier: Mit ihm verbindet Udo Kier eine langjährige Freundschaft,
er ist sogar Pate von von Triers Tochter. Seit Mitte der
80er Jahre tritt der Schauspieler regelmäßig in den Filmen des dänischen
Regisseurs auf - und sei es auch nur als Kellner, wie zuletzt in Nymphomaniac 1. Seit 1991 arbeiten die beiden an einem Projekt, in dem jedes Jahr ein Stückchen Film entsteht - fertig soll das Werk erst in 10 Jahren werden.
Udo Kier spielt nicht nur in speziellen Filmen mit, er ist selbst speziell. Posieren für Sado-Maso-Fotos oder das SEX-Buch von Madonna? Warum nicht? Außerdem besitzt er ein lebensgroßes Plastikpferd namens Max von Sydow und hat sich einen teuren Oldtimer gekauft, nur um morgens beim Kaffeetrinken einen schönen Ausblick zu haben. Der Schauspieler kann sich eben für vieles begeistern, vor allem aber für Kunst. Am Donnerstag startet der Dokumentarfilm Arteholic in unseren Kinos. Darin führt uns Udo Kier durch die europäische Kunstszene und spart auch nicht an Anekdoten aus seinem Leben. Beim Anblick einer Hundeskulptur erzählt er einer Freundin von seinen Hunden Greta (nach Greta Garbo) und Blue, die er immer anruft, wenn er unterwegs ist. "Sie nehmen natürlich nicht ab", scherzt Kier, aber ein Freund würde den Hunden den Hörer hinhalten, damit sie die Stimme ihres Herrchens hören. Vielleicht jaulen sie ihm heute ja ein Ständchen.