Wie uns das Kino die Angst vor dem Altern nimmt

12.10.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Sein letztes Rennen
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Sein letztes Rennen
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Dieter Hallervorden spielt in seinem neuem Film Sein letztes Rennen Paul Averhoff, ein Mann im Altersheim, der es noch mal wissen will und für den Berlin-Marathon trainiert. Ist der Renterfilm das “Motivational Poster” der Kinowelt?

Lasst es uns sagen, wie es ist: Wir werden alle alt. Und ja, am Ende werden wir auch alle sterben. Es gibt nichts definitiveres als das gefühlt immer schneller voranschreitende Altern. Das gesamte Universum ist auf Zerfall ausgelegt und irgendwann wird die Sonne sich ausdehnen und uns alle mit auslöschen, weil auch sie stirbt. “Life is a sexually transmitted disease with 100% mortality rate.” – Ronald D. Laing. Das ist die unglaublich zynische Wahrheit. Kein Wunder, dass dem Alter ein unliebsames Stigma anhaftet. Niemand möchte an die eigene Vergänglichkeit erinnert werden. Nicht von seinem Arzt und erst recht nicht von Hollywood. Das sieht man schon allein daran, wie viele blumige Umschreibungen es für den Tod gibt. Ein erheiternder Film über das Altern und das Sterben scheint durch die deprimierende Natur der Sache ausgeschlossen. Die Betonung liegt auf scheint. In Wahrheit springt hier natürlich die Traumfabrik Hollywood ein und erklärt uns, dass es gar nicht so schlimm ist, älter zu werden. Dass das Glück auch noch im hohen Alter zu einem kommen kann. Wenn der Weg das Ziel ist und das Ziel der Tod, sollten wir zumindest den Anstand haben, die Fahrt zu genießen – wir haben schließlich nur ein One-Way-Ticket gelöst.

Filme über das Alter und den Tod haben aus diesem Grund fast immer eine Komponente, die versucht, uns die Angst vor dem Alter zu nehmen. Dass gerade das dem Jugendwahn verfallene Hollywood solche Botschaften verbreitet, ist auf eine gewisse Weise sehr amüsant. Die Inkarnationen des Renter-Films sehen so aus:

Der Alte-Knacker-will’s-nochmal-wissen-Film
Zu dieser Art gehört auch Dieter Hallervorden in Sein letztes Rennen. Die erfolgreichsten Vertreter dieses Subgenres sind dabei noch gar nicht so alt: Das Beste kommt zum Schluss, About Schmidt, Paulette, Dinosaurier – Gegen uns seht ihr alt aus! und Best Exotic Marigold Hotel. Die Helden dieser Filme sind alt, oft einsam, festgefahren, todkrank oder reif für das Altersheim. Doch kurz bevor die Uhr Zwölf schlägt, macht sich unser alter Knacker (oder Knackerin) noch ein letztes Mal auf dem Weg, etwas zu ändern und dem letzten Rest des Lebens noch einmal Sinn zu verleihen. Paulette vertickt Drogen, Morgan Freeman und Jack Nicholson haken vor dem Tod die ultimative To-Do-Liste ab und in Dinosaurier versuchen die Altersheim-Patienten Lena und Johann auf ihre alten Tage einen beträchtlichen Bankkredit zu bekommen. Das Motto lautet genieße dein Leben, solange es noch geht. Es ist das einzige, was du bekommst. Keine schlechte Botschaft für ein Kinopublikum, das sowieso immer älter wird.

Denn diese Zielgruppe lässt sich eben nur selten von einem Spring Breakers oder Project X aus den Puschen hauen. Der demografische Trend war allerdings abzusehen und kommt keineswegs überraschend. Es ist ja nicht so, dass heutzutage mehr 50-Jährige plötzlich entdecken, dass sie Lust auf Kino haben. Im Gegenteil, es sind genau die gleichen Leute, die vor 10 oder 20 Jahren die Statistik der unter 50-jährigen ausmachten. Wer heute 50 und älter ist, fällt genau in die Baby-Boomer-Generation. Der demographische Wandel macht eben auch nicht vor dem Kino halt. Dafür sinken die Kinozuschauer zwischen 25 und 49. Was das für die Filmindustrie bedeutet, ob es überhaupt messbare Konsequenzen nach sich zieht, bleibt nur abzuwarten oder zu spekulieren. Eine Sache zeigt die Statistik jedoch: Die Filmindustrie kann diesen Anteil (der 2012 immerhin 25% der Kinogänger ausmachte) nicht völlig ignorieren. (Motion Pictiure Assiciation of America)

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