Einst begann er als ehrgeiziger namenloser Gangster, der über Leichen geht, um zum Boss aufzusteigen. Das war vor elf Jahren in Gangster No. 1 von Paul McGuigan (Lucky#Slevin). Am Donnerstag kommt ein ganz anderer Paul Bettany in die deutschen Kinos, nämlich Paul Bettany der Actionheld. Im letzten Jahrzehnt gab es da noch Paul Bettany, den Scene Stealer, Paul Bettany, den Romantic Comedy-Darsteller und Paul Bettany, den Arthouse-Fachmann. Nicht alle dieser Versionen waren erfolgreich und auch das neueste Update muss sich nach dem mauen Legion erst noch an der Box Office beweisen. Zum Kinostart von Priest, für den wir auch ein Videoquiz vorbereitet haben, blicken wir auf einen Charakterdarsteller, der alles tut, um der Festlegung auf einen Rollentypus zu entgehen.
Bevor er zur Schauspielerei kam, verdingte sich Paul Bettany als Straßenmusiker mit einer Gitarre. Dabei lagen ihm die Bühnen dieser Welt im Blut, denn schon seine Eltern verdingten sich im Theater. Erst mit 19 folgte die Entscheidung für die Schauspielerei, die sich als alles andere als halbherzig erwies. Nach der Ausbildung im renommierten Drama Centre London schnupperte Paul Bettany Theaterluft unter anderem bei der Royal Shakespeare Company. Von der Bühne sprang er ins Fernsehen und von dort ins Kino. Dann, nach ein paar Jahren war er da: Paul Bettany, der psychopathische Gangster mit dem charakteristischen rot-blonden Mopp auf dem Kopf. Obwohl Gangster No. 1 von zu wenigen Leuten gesehen wurde, barg der Film die Verheißung eines neuen Talents auf den britischen Leinwänden. Doch wo würde es in den folgenden Jahren hingehen? Vielleicht der ambitionierte Weg eines David Thewlis oder doch lieber die chamäleonhafte Karriere eines Gary Oldman?
Ein Jahr nach Gangster No. 1 folgte ein neuer Hinweis, denn mit Ritter aus Leidenschaft war Paul Bettany der Scene Stealer geboren. Sicherlich war Heath Ledger der Held, doch dessen Herold Geoffrey Chaucer, den Drehbuchautor Brian Helgeland Bettany auf den Leib geschrieben hatte, war die eigentliche Attraktion. Chaucer ist einer von vielen aufgeblasenen Intellektuellen in Paul Bettanys Filmografie, deren Typus zu seinem unterkühlten Äußeren zu passen scheint. Als Dr. Stephen Maturin in Master & Commander – Bis ans Ende der Welt schreit er quasi in jeder Szene nach einer Fortsetzung und einem weiteren Abenteuer mit dem hemdsärmeligen Captain Jack Aubrey (Russell Crowe). Paul Bettany und Russell Crowe sind überhaupt wie zwei Pole, die sich mal abstoßen, mal anziehen und so ein Spannungsfeld zwischen ihren Figuren schaffen. Das hat schon in A Beautiful Mind – Genie und Wahnsinn funktioniert, an dessen Set Bettany seine zukünftige Frau Jennifer Connelly traf.
Die Romantic Comedy-Phase (Wimbledon – Spiel, Satz und… Liebe) war zum Glück nur kurzlebig. Womöglich ist Paul Bettany zu unnahbar, zu verkopft für so ein Genre, vielleicht hat es ihn gelangweilt. Die Intellektuellen mit der düsteren Seite wie in Dogville stehen ihm jedenfalls besser. Ein Comicfranchise hat er zwar auch in seinem Portfolio, aber es ist bestimmt kein Zufall, dass er bei Iron Man und Iron Man 2 ausgerechnet Jarvis, die Computer-Stimme der Vernunft spricht. Umso seltsamer bleibt Bettanys Wechsel ins Actionfach, das mit seinem Scene Stealer Silas in The Da Vinci Code – Sakrileg zaghaft begann und schließlich über den Doppelschlag Legion und Priest von Scott Stewart führte. Doch dieses Mysterium kann Paul Bettany selbst vielleicht am besten klären: “Ich bin ziemlich oberflächlich und werde sehr schnell gelangweilt, deshalb denke ich, während ich so einen kleinen, von Herzen kommenden Film über Charles Darwin mache, Fuck, ich sollte in meinem nächsten Film endlich mal ein paar Vampire killen.”