Mein Lieblingsfilm von Woody - Der Stadtneurotiker

31.08.2012 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Alvie und Annie - Ein seltsames Paar
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Alvie und Annie - Ein seltsames Paar
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Woody Allen ist ein Meister der Beziehungskomödie. Anlässlich des Kinostarts von seinem neuen Film To Rome With Love mit Jesse Eisenberg, Penélope Cruz und Ellen Page habe ich mich zu einer nostalgischen Hommage an sein Meisterwerk Der Stadtneurotiker hinreißen lassen.

In To Rome with Love bringt Woody Allen das Leben seiner Jungstars Jesse Eisenberg und Greta Gerwig durch den Besuch von Ellen Page durcheinander. Die Beziehungskomödie, in der Woody Allen wieder selbst mitspielt, läuft seit gestern in den deutschen Kinos. Seit mehreren Jahrzehnten gilt der passionierte Jazzmusiker als Meister des Genres. Einen der Grundsteine bildete 1977 Der Stadtneurotiker, für den Woody Allen sogar mit einem Oscar als Bester Regisseur ausgezeichnet wurde. Zum Kinostart von To Rome With Love blicke ich zurück auf meinen Lieblingsfilm von Woody Allen.

Gleich vorweg: Der Stadtneurotiker (im Original: Annie Hall) ist chaotisch, teils eine lose Ansammlung von Ideen und ein bisschen verrückt. Der Stadtneurotiker ist aber auch eine der ehrlichsten Beziehungskomödien überhaupt, denn im Grunde wirkt der Film wie ein kinematografisches Haareraufen nach einer unverständlichen, aber notwendigen Trennung. Woody Allen spielt Alvy Singer, einen Comedian in New York City, der die in die Brüche gegangene Beziehung zu Annie Hall (Diane Keaton) reflektiert. Dabei springt der Film immer wieder zwischen glücklichen, traurigen und lustigen Episoden, so dass sich das Bild widersprüchlicher Erinnerungen ergibt, in denen der Erzähler (Alvy/Woody) einen roten Faden der Erklärung sucht. Warum bleibt die Liebe nicht von Dauer? Warum ist das, was Alvy will, nie genug?

Der Einfallsreichtum, mit dem Woody Allen seine Neurosen und Einsichten in die Natur der Liebe präsentiert, verwandelt Der Stadtneurotiker von einer losen Anekdotensammlung in ein heiteres Brainstorming, bei dem immer wieder die tragische Grundierung hervorlugt. Umso schöner wirken die glücklichen Momente in der Beziehung von Annie und Alvy. Der erste Kuss in den dunklen Straßen vertreibt die unangenehme Stimmung, die bei ersten Dates eben mitschwingt. Die Jagd nach entflohenen Hummern in der Küche betont dank der Improvisation von Woody Allen und Diane Keaton eine Vertrautheit, wie sie nur durch die Intimität einer Beziehung entsteht.

Der Stadtneurotiker beweist seine Modernität mit popkulturellen Seitenhieben, dem Bruch der vierten Wand, wenn Alvy uns direkt anspricht, sowie der assoziativen Kombination überzeichneter Kindheitserinnerungen und Cartoon-Einlagen. Im Grunde führt Woody Allen hier erstmals seine Vorliebe für das Beziehungsdrama à la Ingmar Bergman und seine Herkunft als Standup-Comedian zur perfekten Symbiose. Da passt es, dass er als nächstes die viel zu selten gelobte Bergman-Hommage Innenleben und den nüchternen Manhattan drehen würde. Schon Der Stadtneurotiker nimmt die ewige Revision alles Gesagten, die 24-stündige Selbstanalyse seines Pärchens ins Fadenkreuz und zeigt auf, wie Liebe gerade unter dieser erbarmunglosen Lupe verschwinden kann. Dabei sorgt die uneitle Karikatur der New Yorker Intellektuellen für einige Lacher (und den berühmten Auftritt des Medientheoretikers Marshall McLuhan). Wie viel wir uns selbst kaputt machen, ohne dass im Nachhinein die definitive Erklärung auffindbar ist, damit beschäftigt sich Der Stadtneurotiker ebenfalls. Es ist ein verrückter Film, ein exzentrischer, ein chaotischer und damit gleicht er der dennoch liebenswerten Annie Hall.

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