Jude Law spielt Wladimir Putin: Epischer Polit-Thriller von Meisterregisseur zeichnet Aufstieg des "Zaren" nach

31.08.2025 - 16:31 UhrVor 5 Stunden aktualisiert
The Wizard of the Kremlin
Curiosa Films
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Der neue Polit-Thriller The Wizard of the Kremlin erzählt, wie ein Theaterregisseur Wladimir Putins Herrschaft festigte. Wie Jude Law als Putin abschneidet, verrät dieser Film-Check direkt vom Festival in Venedig.

In den rund 156 Minuten von The Wizard of the Kremlin gibt es im Prinzip nur eine relevante Szene mit einer gewöhnlichen russischen Bürgerin, die weder in Politik noch Wirtschaft verwickelt ist. Es ist eine Archivaufnahme, in der eine Angehörige der Seeleute des gesunkenen Atom-U-Boots Kursk ihrer Wut über die Reaktion der Behörden Ausdruck verleiht.

Der seltene Moment roher Emotion bricht herein in einen Film, der durch abgeschottete Zirkel der Macht schwebt, stets an der Seite von Wadim Baranow, dem fiktionalen Theaterregisseur, TV-Produzenten und Strategen von Wladimir Putin. Es ist zunächst ein bizarres Erlebnis, einen Hollywood-Star wie Jude Law in der Rolle des autokratischen russischen Präsidenten zu sehen – noch dazu mit minimaler Make-up-Hilfe. Dieses Erlebnis verdanken wir Meisterregisseur Olivier Assayas (Carlos - Der Schakal), der seinen Polit-Thriller beim Filmfestival in Venedig 2025 vorgestellt hat.

Jude Law spielt in dem Polit-Thriller Wladimir Putin, aber die Hauptrolle gehört Paul Dano

Grundlage für den Film ist Giuliano da Empolis Roman "Der Magier im Kreml", der mit einer Mischung aus realem und fiktionalisiertem Personal vom Aufstieg des Wadim Baranow erzählt, der in der Adaption von Assayas und Emmanuel Carrère von Paul Dano verkörpert wird. Wer sich alt fühlen will, sei daran erinnert, dass Danos erster großer Kinofilm Little Miss Sunshine nächstes Jahr seinen 20. Geburtstag feiert.

Die Sphinx-artige Undurchschaubarkeit seines stillschweigenden Teenagers von damals, hat sich Dano bewahrt. Sein jungenhaftes Gesicht gehört diesmal einem Kind der zusammenbrechenden Sowjetunion, das im Moskau der wilden 90er Jahre von der Theaterbühne ins Reality-TV wechselt, während seine Freunde im Chaos Millionen scheffeln. Selbst seine Freundin Ksenia (Alicia Vikander) verlässt ihn für den ambitionierteren Geschäftsmann Dmitri (Tom Sturridge), der dem realen Oligarchen und Putin-Konkurrenten Michail Chodorkowski nachempfunden ist. Ein Treffen öffnet Baranow jedoch die Tore zur Macht.

Der einflussreiche Geschäftsmann und TV-Mogul Boris Beresowski (Will Keen) musste Präsident Boris Jelzin einmal zu oft an einen Stuhl binden, um eine Rede an die Nation aufrecht durchzubringen. Er stellt Baranow seinen Wunschkandidaten für die Nachfolge Jelzins vor, den Direktor des Inlandsgeheimdienstes FSB, Wladimir Putin.

Beresowski verfällt dem Irrglauben, Putin lenken zu können. An seiner statt macht Baranow Karriere im engsten Zirkel der russischen Macht. Der frühere Theaterregisseur wird für die nächsten 15 Jahre zum Öffentlichkeitsarbeiter und Strategen von Putin, den alle nur als "Zar" bezeichnen. Wie im Roman auch ist Paul Danos Baranow eine fiktionalisierte Version von Wladislaw Surkow, der zwischen 1999 und 2020 in unterschiedlichen Rollen für Putin tätig war.

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Jude Laws Putin ist eines der Highlights des Films

Paul Danos Baranow führt als Erzähler durch den Film, der sich chronologisch durch die russische Zeitgeschichte bewegt. Das reicht von den Sprengstoffanschlägen auf Moskauer Wohnhäuser und dem Zweiten Tschetschenienkrieg 1999 über die Orange Revolution in der Ukraine 2004 bis zur Annexion der Krim 2014 und etwas darüber hinaus. Dabei spielt sich der Film in Hinterzimmern, Büros und Villen ab. In denen bringt Baranow kritische TV-Produzenten auf Linie, zimmert eine Strategie zur Unterwanderung des westlichen Internets zusammen oder erklärt seinem Chef den Wert symbolischer Gesten in der Öffentlichkeit.

The Wizard of the Kremlin rollt eine Timeline der Autokratisierung eines Landes vor unseren Augen aus. Deshalb macht der epische Stoff gelegentlich den Eindruck einer historischen Checkliste, die in 156 Minuten abgearbeitet wird. Ereignis folgt auf Ereignis folgt auf Ereignis. Mit Danos zynischem Baranow als Beobachter und Macher in Personalunion.

Dano spielt Baranow unheimlich ruhig, wie das Auge eines politischen Sturms. Ihm gegenüber sitzt in den Villen und Hinterzimmern der genüsslich aufspielende Jude Law, der zu den Highlights des nüchternen Films gehört. Er weicht den üblichen Schauspielfallen aus, die sich bei der Imitation realer Persönlichkeiten eröffnen. Statt eines rustikalen russischen Akzents und Gesichts-Prothesen beschränkt er sich auf eine schlechte Frisur und ein paar mimische Markenzeichen seines realen Vorbilds. Law spielt Putin als unnahbaren, puren Machtmenschen. Er verzichtet auf den menschelnden Kern anderer Diktatoren-Porträts, wie Der Untergang oder Der letzte König von Schottland.

The Wizard of the Kremlin ist auch ein Geisterfilm

The Wizard of the Kremlin ist allerdings weniger ein Putin-Film als ein Putinismus-Film, das heißt, Regisseur Olivier Assayas versagt uns ein Psychogramm, welches händeringend erklären will, warum, wieso, weshalb, Putin zu Putin wurde. Im Fokus steht, wie er das wirtschaftspolitische System seinen Zielen dienlich gemacht hat und das wird im Film effektiv gezeigt. Helden gibt es nicht, nur ein paar kritische Zwischentöne, vor allem durch Alicia Vikanders Ksenia, die Buranows Werdegang wiederholt für uns kommentiert.

Die Wandlung Buranows in einen Menschen mit Gewissen überzeugt dabei nur bedingt. Am besten ist Paul Dano und damit der Film, wenn Buranow als das begriffen wird, was er ist: Eine geisterhafte Gestalt, die erst in Putins Machtapparat Form erhält. Buranow begreift die Politik als Theater-Inszenierung und sich als Regisseur. In Wirklichkeit spielt auch er nur eine Rolle, die in Windeseile neu besetzt werden kann. Geister wie ihn gibt es im Russland von The Wizard of the Kremlin schließlich genug.

Wir haben The Wizard of the Kremlin beim Filmfestival in Venedig gesehen, das noch bis zum 6. September läuft. Einen deutschen Kinostart hat der Film noch nicht.

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