Provokanter Thriller: After the Hunt stürzt Julia Roberts & Andrew Garfield in ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Wahrheit

29.08.2025 - 18:46 Uhr
Andrew Garfield und Julia Roberts in After the Hunt
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Andrew Garfield und Julia Roberts in After the Hunt
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Julia Roberts trumpft im neuen Thriller After the Hunt auf, in dem sie zwischen die Fronten eines MeToo-Falls gerät. Warum sich der neue Film von Challengers-Regisseur Luca Guadagnino lohnt, erklärt dieser Film-Check aus Venedig.

Vor drei Jahren wurde Dirigentin Lydia Tár gecancelt, und zwar zuallererst auf dem Lido in Venedig. Hier feierte der Psychotrop mit Cate Blanchett 2022 Premiere und schwemmte eine Welle von Memes ins Internet. Julia Roberts wird dank After the Hunt vermutlich nicht zur Meme-Königin aufsteigen, ihr eigenes Tár hat sie dank Challengers-Regisseur Luca Guadagnino jetzt trotzdem bekommen.

After the Hunt mit Julia Roberts eröffnet ein Thriller-Labyrinth und wir sind eingeladen

Julia Roberts dirigiert in After the Hunt keine Sinfonien, aber immerhin ihre Student:innen und Kolleg:innen an der Universität von Yale. Mit scharfem Verstand und Durchsetzungsfähigkeit hat sich ihre Philosophieprofessorin Alma Imhoff in der männerdominierten Domäne hochgearbeitet. Eines Abends hält sie in ihrem weitläufigen Apartment Hof. Ehemann Frederik (Michael Stuhlbarg) verköstigt die Gäste, Alma thront majestätisch über der moralphilosophischen Diskussion, während sich Professorenkollege Hank Gibson (Andrew Garfield) auf der Couch fläzt und Doktorandin Maggie Price (Ayo Edebiri) die beiden beobachtet.

Später wird der angetrunkene Hank die Party mit Maggie verlassen und man kann die Sekunden förmlich zählen, bis Almas einträchtiges Reich implodiert. Am nächsten Abend berichtet Maggie der Professorin von einem sexuellen Übergriff, Hank bekundet ihr gegenüber seine Unschuld.

Der Trailer für After the Hunt:

After The Hunt - Trailer (Deutsch) HD
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Es ist eine einfache Grundkonstellation, aus der Luca Guadagnino und Drehbuchautorin Nora Garrett ein kunstvolles Thriller-Labyrinth konstruieren. Einmal auf der Suche nach der Wahrheit betreten, gerät das Ziel mit jeder Sackgasse ein Stück weiter in die Ferne.

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Der Thriller verweigert einfache Antworten

Sexuelle Übergriffe an US-Elite-Universitäten wie Harvard  und Dartmouth  werden seit Jahren diskutiert, ein realer Fall wird in After the Hunt aber nicht adaptiert. Dafür wirkt die Grundkonstellation auch ein bisschen zu perfekt. Als Opfer präsentiert sich die queere, schwarze Maggie, die sich den Doktortitel – vielleicht oder vielleicht nicht – mithilfe ihrer reichen Eltern erkauft. Als Beschuldigter tritt der weiße Cis-Mann Hank auf, der seine Studiengebühren hart erarbeiten musste und als Belohnung mit seinen Studentinnen flirtet.

Zwischen ihnen findet sich die in einem Dauerzustand intellektueller Überlegenheit befindliche Alma wieder. Die Pionierin in ihrem Feld steht kurz vor einer Anstellung auf Lebenszeit und hatte mit Hank eventuell ein Affärchen am Laufen. Wo man hinschaut, treten Dramatis personae auf, die für einen provokanter Thriller über die Nuancen der MeToo-Bewegung kaum besser geeignet sein könnten.

Sie bilden alle möglichen Aspekte der relevanten Machtverhältnisse ab, sowohl was die Hierarchien an der Universität als auch identitätspolitische Diskurse angeht. Um keine einfachen Antworten zu ermöglichen, vereinen Figuren wie Maggie so viele Widersprüche in sich, dass das Publikum über 138 Minuten in ein stimulierendes Katz-und-Maus-Spiel mit der Wahrheit verwickelt wird.

Hitchcock lässt im neuen Film von Luca Guadagnino grüßen

Das Kunststück von After the Hunt ist, dass dieses Gedankenexperiment als Thriller, als Auseinandersetzung mit den Dynamiken der MeToo-Ära und als glaubhaftes Psychogramm von Alma überzeugt. Guadagninos Gespür für gelebte Räume und Psychen kommt ihm hier ebenso zugute wie Nora Garretts Drehbuch, das einfache Freund-Feind-Muster gekonnt umgeht.

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After the Hunt wandelt auf den Spuren von Alfred Hitchcock. Michael Stuhlbargs Ehemann und Chloë Sevignys Kollegin kreisen um Alma wie die platonische Freundin Midge in Hitchcocks Vertigo - Aus dem Reich der Toten. Ihrer aller Obsessionen bündeln sich in Alma, die zwar keine Lydia Tár ist, keine Täterin. Das sich anbahnende öffentliche Urteil über das Verhalten der "weißen, privilegierten Frau" rüttelt jedoch ebenso an ihrer mentalen Stabilität. Und wie bei Lydia T. verfolgen Alma ein paar Geister der Vergangenheit.

So ist After the Hunt auf seine Weise ein gelungener MeToo-Film wie The Assistant und Tár. Unabhängig von diesem schmalen Sub-Genre verwickelt der Film sein Publikum aber auch in das sowieso schon faszinierende Beziehungsgeflecht um Julia Roberts, Andrew Garfield und Ayo Edebiri. Guadagnino hat mit diesem Trio ein düsteres Gegenstück zu Challengers - Rivalen gedreht, in dem der Sport von Gesprächen über Michel Foucaults "Überwachen und Strafen" ersetzt wird. Nur geht es in der Uni unerbittlicher zu als auf dem Tennisplatz.

Wir haben den neuen Film von Luca Guadagnino beim Filmfestival in Venedig gesehen, wo er außerhalb des Wettbewerbs läuft. After the Hunt startet am 16. Oktober in den deutschen Kinos.

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