Jedes Keramikschälchen im Hintergrund sieht aus, als wurde länger an seiner Platzierung gearbeitet als an den Effekten von Avatar 2. Im Science-Fiction-Film After Yang von Kogonada kommen keine Na'vi vor, dafür ein trauernder Colin Farrell und seine Familie. Allerdings wurde der auf Festivals von einem Hype begleitete Film derart durchkomponiert, dass es den Atem raubt – in mehrfacher Hinsicht. Einen schöneren Sci-Fi-Film als After Yang werdet ihr selten sehen. Trotzdem frustriert er.
In After Yang verliert Colin Farrell sein Robo-Familienmitglied
After Yang ist bereits der vierte neue Film mit Colin Farrell, den ich dieses Jahr gesehen habe, nach The Batman, Dreizehn Leben und The Banshees of Inisherin. Jede der Rollen war unterschiedlich. Er spielte unter Latex den ruppigen Pinguin, gab einen unauffälligen Taucher, der den Helden in sich entdeckt, und ein Landei mit viel zu guter Laune. In Venedig wurde er für Banshees auszeichnet, aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass wir Farrells verlässliche Vielseitigkeit am Ende dieses Jahres für selbstverständlich hinnehmen werden. Wieder.
Das wird sich nach After Yang kaum ändern, in dem der Ire einen Teeladen-Besitzer in der nahen Zukunft spielt. Jake (Farrell) lebt mit Ehefrau Kyra (Jodie Turner-Smith) und Adoptivtochter Mika (Malea Emma Tjandrawidjaja) ein verträumtes Leben. Zum unerwünschten Weckruf wird die Fehlfunktion ihres "Techno-Sapiens" Yang (Justin H. Min), einem menschengleichen Roboter, der ihrer Tochter die chinesische Kultur näher bringen soll.
Jake hat Yang einst in einer Art Second-Hand-Laden erstanden, nun ist er "kaputt" oder, je nach Perspektive, "tot". Ersetzen will er ihn nicht, denn mit einem Familienmitglied würde man das genauso wenig tun. Also begibt sich Jake auf die Suche nach Reparaturen und damit auch in Yangs Erinnerungen.
Der ruhige Science-Fiction-Film taucht in wunderschön gemütliche Räume ab
So nimmt ein betont leises Sci-Fi-Drama über die Natur der Menschlichkeit und Trauer seinen Lauf, das eher von Impressionen und Erinnerungsschnipseln getragen wird, denn einer gradlinigen Geschichte.
Das hier ist, mit anderen Worten, nicht A.I. - Künstliche Intelligenz oder I, Robot oder gar Ex Machina. Wobei die Welt, die Regisseur, Autor und Schnittmeister Kogonada (Columbus, Pachinko - Ein einfaches Leben) entwirft, kaum weniger durchdesignt wurde als die genannten Filme. Vermutlich sogar noch mehr.
Jede Einstellung in After Yang zeugt von exquisiter Schönheit und tadellosem Geschmack. Das ständig in seidiges Zwielicht getauchte Haus von Jakes Familie sieht aus wie der Subreddit r/CozyPlaces in Filmform. Gemütlich, warm und stilvoll wurde es eingerichtet, mit Holz, Glas und Colin Farrells traurigem Schnurrbart. Es ist ein Augenschmaus, genau wie die anderen Innenräume des Films, in denen jedes Detail, jede Tasse, jedes Werkzeug da steht, wo es seit Anbeginn der Zeiten stehen sollte.
Die Menschen (und Maschinen) schleichen und flüstern durch die Räume, als stünden sie vor einem Altar. Nur steht da statt eines Heiligenbildes ein besonders clever designtes Goldfischglas oder eine Kanne Tee. Das gibt dieser Zukunftsvision zunächst etwas Zerbrechliches. Als könnte ein Windhauch (oder eine ausnahmsweise erhobene Stimme) Yangs Maschinenleben auslöschen und eine Wunde in seine Familie reißen.
Je länger After Yang allerdings dauert, desto mehr verhärtet sich diese Zartheit. Eine Welt außerhalb des intimen Familienlebens existiert kaum. Deshalb wirken diese kleinen Lebenswelten aus dem Katalog eines High-End-Möbelhauses nach einer Weile wie Gefängnisse. Was auch Teil einer düsteren Zukunftsvision sein könnte, in der es um die Liebe zu Objekten geht. Aber dafür ähneln die emotionalen Weisheiten von After Yang zu stark einem 08/15-Independent-Drama aus dem Sundance-Wettbewerb. Die Schönheit saugt mit jedem weiteren liebevoll eingerichteten Raum die Luft zum Atmen aus diesem Film.
Er ist atemberaubend, aber erstickt an seinem eigenen Look. Und nicht nur dem. Selbst die süßlichen Klaviernoten des Soundtracks schlagen nach einer Weile wie Stahlhämmer unsere Gefühle zurecht. Aber Yang und Jake, Mike und Kyra – sie alle sind keine Keramikschälchen, die man hin- und herschiebt, verspricht uns der Film. Obwohl sie so in Szene gesetzt werden.
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