Ein Plädoyer für mehr Satire im Kino

02.04.2012 - 08:50 UhrVor 13 Jahren aktualisiert
Iron Sky will mit Space Nazis Satire machen
polyband Medien GmbH
Iron Sky will mit Space Nazis Satire machen
25
22
Satiren machen das Leben erst lebenswert. Gut, das ist ein bisschen übertrieben. Trotzdem brauchen die Kinos der Nation einen ordentlichen satirischen Durchzug und damit meine ich kein laues Lüftchen. Der folgende Text könnte Meinung enthalten.

Ich versuche hier oft, meine Argumentation durch Belege, Zahlen, Statistiken, Blah zu unterfüttern. Heute habe ich keine Lust dazu. Warum auch, ist mein Thema doch vor allem eines: Ansichtssache. Diese Woche startet Iron Sky in den deutschen Kinos. Der Film, der als Nazi-Space-Trash verkauft wird, als feuchter Traum der Fans, leidet unter einigen Fehlern. Er könnte lustiger sein, wilder, böser. Regisseur Timo Vuorensola aber will gar nicht so sehr eine Abstrusität auf die andere türmen. Denn Iron Sky überzeugt nicht, weil er Nazis auf den Mond schickt, sondern weil er sich in der zweiten Hälfte aus dem Fenster lehnt, Satire sein will und sich nicht im selbstironischen Wohlgefallen auflöst. Iron Sky ist keine sonderlich gute Satire, aber er hat mich im Kino einmal mehr erstklassig daherbeißende Vertreter des Subgenres vermissen lassen. Die westliche Welt braucht mehr gute Filmsatiren und Deutschland sowieso.

Zeigefinger hoch
Es gibt unheimlich viele, wahnsinnig ernstgemeinte politische Filme. Sie wollen uns Helden näherbringen (von Gandhi bis The Lady – Ein geteiltes Herz), die uns durch ihre Güte und Willenskraft als Vorbild dienen sollen. Sie wollen an Grausamkeiten erinnern (wie jüngst In the Land of Blood and Honey), um gegen das Vergessen anzugehen. Kurz gesagt, (zu) viele politische Filme geben sich als die Oberlehrer im Raum, die humorlos, gern auch in einfachen Freund-Feind-Schemata, Lehrstunden über das richtige und das falsche politische Handeln mit einem deftigen Schuss Betroffenheit an den Mann bringen. Aber wer bezahlt schon gern 7 Euro, um den Abend mit einem Oberlehrer zu verbringen? Schlimmer noch: Politische Filme, wie ich sie oben beschrieben habe, gehen in der Regel kein Risiko ein. Sie wenden sich gegen allgemein anerkanntes, im Detail undiffernziert abgebildetes Unheil und machen sich allenfalls der filmischen Ausbeutung desselben schuldig. Aber Filme ohne Risiko gibt es genug im Kino und jene, die es den Zuschauern leicht machen ebenfalls.

Nehmen wir dagegen eine Handvoll der besten Satiren aus den 90er Jahren, etwa Election, Starship Troopers, Cable Guy – Die Nervensäge, Happiness, Natural Born Killers und Die Truman Show. Ganz unterschiedliche Filme sind das, die ganz unterschiedliche Ziele verfolgen. Doch sie haben eines gemeinsam: Sie unterschätzen uns Zuschauer nicht. Sie bewerfen uns mit abstoßenden, allzu menschlichen Hauptfiguren oder machen uns zu Mittätern, weil Genießern ihrer Ästhetik und sie überlassen uns, in zugegeben variierenden Graden, die wundervolle Freiheit, eigene Schlüsse zu ziehen. In einer Zeit, in der hierzulande die Politikverdrossenheit regiert, während auf der anderen Seite des Großen Teichs Tea Party und Obama-Enttäuschung ihre Kreise ziehen, scheint die ein oder andere gute Satire bitter nötig.

Und was haben wir? Klar, einen Todd Solondz alle Jubeljahre, dazwischen ein zahmer Mike Judge (Idiocracy), eine lahme Bret Easton Ellis-Verfilmung, die Alex DeLarge zitieren muss, um ihren Coolness-Faktor zu erhalten (Die Regeln des Spiels – Rules of Attraction), einen schwachen Andrew Niccol (Lord of War – Händler des Todes), der seine Hauptfigur und seine Zuschauer viel zu gern hat und Michael Moore, der mit seinen semi-propagandistischen Streifen das ganze Genre in Verruf bringt. Wir leben in einer Zeit der Verwässerung, in einer Zeit, in der Remakes und Adaptionen konsequent den satirischen Biss ihrer Vorlagen abschleifen, bis nur noch die Handlungshülle zu erkennen ist (Dawn of the Dead, Death Race), in der ein bissel Möchtegern-Anarchie schon zum Kult wird (V wie Vendetta).

Tomorrow Is a Latter Day
Wenn überhaupt, so können wir uns auf Trey Parker und Matt Stone verlassen, die gar nicht mal einsamen satirischen Leuchttürme des amerikanischen Fernsehens. Im vergangenen Jahrzehnt haben sie uns leider nur einen Film (Team America) und ein Musical geschenkt, dafür aber viel South Park. Die beiden haben kein Mitleid mit ihren Zuschauern, kein politisches Lager, dem sie treu sind. Jeder kann auf ihrer Zielscheibe landen, ganz so wie es bei einem Terry Southern und einem Stanley Kubrick der Fall war, als sie sich in Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben Atomkriegshysteriker und schwächliche Appeasement-Politiker zum Ziel nahmen.

Dann gibt es da noch Sacha Baron Cohen, der mit Borat sein Satire-Potenzial angedeutet hat und damit auch eine unglaubliche Furchtlosigkeit, an der es gerade bei jüngeren Genre-Vertretern aus den USA mangelt. Der Diktator wird zeigen, ob das alles nur ein Mockumentary-Sturm im Wasserglas war. Vorbildhaft für deutsche Filmemacher, aber auch Hollywood sollte der ein oder andere britische Streifen sein, wie Four Lions und Kabinett außer Kontrolle. Es kann schließlich nicht angehen, dass bissige Satire zum reinen Fernsehgeschäft wird. Sie kann Menschen erreichen, sie zum (Nach)Denken bringen, Fragen stellen, ihnen den Boden unter den Füßen wegziehen, Zuschauer sich unwohl im Sitz winden lassen ob der gegenwärtigen politischen Zustände. Satire soll einiges und kann noch viel mehr. Sie ist eine Bereicherung, aber auch wie gemacht für ein populäres Medium wie dem Film, unter dessen Deckmantel sie zum Schlag in die geistige Magengrube der Zuschauer anhebt. Ob die gegenwärtigen Produktionsumstände in Hollywood, aber auch die Förder-Mentalität in Deutschland eine Blüte der Satire überhaupt ermöglichen, ist leider eine ganz andere Frage.

Welche Satiren aus den letzten zehn Jahren werden eurer Meinung nach die Zeit überdauern?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News