Der zwiespältige Frauenfokus der Berlinale

14.02.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Nackte Mädchen auf der Berlinale - Muss das sein?
© Ulrich Seidl Film Produktion GmbH /Moviepilot
Nackte Mädchen auf der Berlinale - Muss das sein?
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Wer unsere Berlinale-Berichterstattung verfolgt hat, dem ist sicher schon aufgefallen, dass weibliche Hauptfiguren dieses Jahr besonders stark vertreten sind. Diese Entwicklung ist jedoch durchaus mit Vorsicht zu genießen.

Über die Präsenz weiblicher Figuren in den Filmen der diesjährigen Berlinale kann ich mich wahrlich nicht beschweren. Und dennoch: „Es ist nicht alles Gold, was glänzt“ ist nicht nur eine aktuell gern verwendete Ein-Satz-Kritik für Thomas Arslans Wettbewerbsbeitrag, sondern auch eine treffende Umschreibung für meine Bedenken in Hinblick auf den roten Faden der Filmfestspiele. Denn nur weil eine Frau den Dreh- und Angelpunkt einer Geschichte bildet, ist dieser noch lange nicht „emanzipatorisch wertvoll“. Statt sich also in spontaner Freude über die vorbildliche Frauenquote zu ergehen, rate ich dazu, die Darstellung weiblicher Protagonisten einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Taffe Mütter und andere vorbildliche Frauen
Gloria ist bislang mein absoluter Lieblingsfilm des diesjährigen Wettbewerbs und die Chancen stehen gut, dass das auch so bleibt. Meine Begeisterung hat durchaus etwas mit der Entwicklung der weiblichen Hauptfigur zu tun. Zu Beginn des Films ist die knapp 60-jährige Titelheldin auf der Suche nach Eroberungen. Die Scheidung von ihrem Exmann liegt lange zurück, die beiden Kinder hat sie zu großen Teilen allein erzogen, und nun ist die Zeit für einen zweiten Frühling gekommen. Am Ende jedoch lernt Gloria, sich selbst genug zu sein und sich nicht länger über die Beziehung zu einem Mann zu definieren. Aber nicht nur auf der inhaltlichen Ebene, sondern auch durch die Inszenierung ist mir der Film von Sebastián Lelio positiv aufgefallen, denn die Hauptfigur wird hier nicht auf Grund ihres Alters oder Geschlechts diskriminiert, sondern ihre Liebes- und Leidensgeschichte wird ebenso explizit erzählt, als handle es sich um eine Frau Mitte zwanzig oder einen „Mann in den besten Jahren“. Gloria muss sich nicht verstecken.

Doch die chilenische Filmheldin ist nicht die einzige vorbildliche Frau im diesjährigen Wettbewerb. Auch Cornelia, die Hauptfigur des rumänischen Films Mutter und Sohn stellt eine starke Persönlichkeit dar. Sie ist es, die nach dem Autounfall ihres Sohnes die Angelegenheiten in die Hand nimmt und Polizisten und Zeugen besticht, um ihren Sohn vor einer Haftstrafe zu bewahren. Dabei verliert Regisseur Calin Peter Netzer niemals ihre Identität als Frau und Mutter aus den Augen. Er zeichnet ein sehr komplexes Bild seiner Heldin, die zwar in moralischer Hinsicht ganz sicher keine Vorbildfunktion erfüllt, mit all ihren Stärken und Schwächen jedoch eine eindrucksvolle Filmfigur darstellt. Ähnlich differenziert gestaltet Kar Wai Wong seine Kung Fu-Kämpferin Gong Er (Ziyi Zhang). Was ihre Martial Arts Kenntnisse angeht, kann sie es mit jedem Mann aufnehmen. Doch verheimlicht The Grandmaster nicht die Probleme ihres Lebens als Frau. Gong Er muss sich zwischen der Ehe und der Karriere als Großmeisterin entscheiden, während die männliche Hauptfigur, Tony Leung Chiu Wai als Ip Man, selbstverständlich beides haben kann.

Meiner Meinung nach deutlich interessanter als der Film, in dem sie auftaucht, ist die von Nina Hoss verkörperte Emily, die sich in Gold als alleinstehende Frau auf eine gefährliche Reise begibt. Regisseur Thomas Arslan inszeniert sie als eine Person, die nicht nur mit anpacken und die Zähne zusammen beißen kann, sondern die ihren männlichen Mitreisenden auch moralisch überlegen ist. Zweifelhaft bleibt jedoch bis zum Ende, dass die Geschichte ihrer Scheidung im Kontext des Films nicht problematisiert wird. Zudem unterminiert die grundsätzlich wenig überzeugende Inszenierung aller Figuren ihre Funktion als feministische Identifikationsfigur.

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