Wir schauen The Walking Dead - Staffel 6, Folge 4

03.11.2015 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Morgan (Lennie James)AMC
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Seit Beginn der sechsten Staffel von The Walking Dead gehört Lennie James zum Main Cast der Serie. Here's Not Here beschäftigt sich in Form eines umfangreichen Flashbacks mit Morgans Leben, bevor er die Safe Zone in Alexandria erreichte.

Innerhalb von drei Episoden hat die sechste Staffel von The Walking Dead an unglaublichem Tempo zugelegt, sodass die Frage durchaus berechtigt ist, was da noch alles passieren soll. Nicht zuletzt durften wir vergangene Woche bereits den (vermeintlichen) Tod einer wichtigen Hauptfigur bezeugen. In Anbetracht dieses schockierenden Höhepunkts versucht die vierte Episode gar nicht erst, das Vorherige zu übertreffen, sondern traut sich einen Schritt zurück in die Vergangenheit.

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Here's Not Here fungiert als erste große Flashback-Episode, die sich ausschließlich um eine Person dreht, namentlich Morgan (Lennie James). AMC hat diesen Umstand sogar zum Anlass genommen, um die aktuelle Runde nach dem umfangreichen Staffelauftakt um eine weitere Episode mit Überlänge zu erweitern.

I have come to believe that all life is precious.

Obwohl Morgan seit der ersten Staffel in der Zombie-Apokalypse um sein Überleben kämpft, haben wir bis dato nur sporadisch am Schicksal der Figur teilgenommen. Im Grunde lassen sich die Begegnungen zwischen ihm und Rick (Andrew Lincoln) an einer Hand abzählen, was allerdings nicht bedeutet, dass diese keinen Eindruck hinterlassen haben. Ganz im Gegenteil: Clear, diese kleine Ausbrecher-Episode der dritten Staffel, gehört bis heute zu einer der herausragendsten Einträge der The Walking Dead-Historie. Doch was ist in der Zwischenzeit passiert? Immerhin war der Morgan, der damals Rick, Michonne (Danai Jekesai Gurira) und Carl (Chandler Riggs) begegnete und Grauenvolles durchlebt hatte, ein anderer als der Morgan, der im Finale der fünften Staffel an die Tore von Alexandria klopfte. Sicher ist nur, dass sich Morgans Einstellung zum Leben grundlegend verändert hat. Die Frage ist: warum und wie?

Der Teufel neben der Hölle

Zu Beginn der Episode präsentiert sich Morgan als Wahnsinniger. Gequält vom Verlust seiner Frau und seines Sohnes wälzt er sich wie in einem fiebrigen Albtraum auf dem Boden und schreit inbrünstig zusammenhanglose Satzfetzen in der Gegend herum. Verzweifelte Schreie voller Vorwürfe an die eigene Person dringen aus der zerrissenen Seele eines Mannes, den scheinbar jegliche Vernunft verlassen hat. Am nächsten Tag marschiert er blindlings los und tötet alles, was ihm in die Quere kommt. Schnell häufen sich die Kadaver abgeschlachteter Beißer und ein flackerndes Feuer vernichtet die modernden Überreste. Morgan versteht sich als derjenige, der die aus den Fugen geratene Welt aufräumt, sie von allem Unheil säubert. Und zu diesem Unheil gehören auch die Menschen. Eiskalt schlachtet er zwei Passanten ab, ohne überhaupt zu erkennen, dass es sich um Gleichgesinnte handelt. Im Anschluss schmiert er mit Blut Parolen wie "Clear", "Here's Not Here" und "Pointless Acts" auf kalte Steine.

Sprichwörtlich isoliert sich Morgan von seiner Umgebung, wenn er sich in einem Kreis aus angespitzten Holzstöcken verschanzt. Er begibt sich in eine Einbahnstraße, aus der es kein Entkommen gibt. Gefangen im eigenen Wahn treibt es ihn schließlich auf eine Lichtung, die in ihrer unberührten Schönheit der Illustration einer Märchenlandschaft gleicht. Helles, freundliches Licht fällt durch die lieblich raschelnden Bäume auf eine saftig grüne Wiese. Lebhafte Hintergrundgeräusche untermauern genauso wie Bear McCrearys hoffnungsvolle Musik den Augenblick. Die Idylle ist perfekt. Der einzige Mensch, der sie bestaunen kann, realisiert jedoch überhaupt nicht, in welch wundervolles Paradies er sich verirrt hat. Stattdessen durchbricht das Mähen einer Ziege den sanften Moment und der Rüpel folgt seinem Instinkt: Die Kreatur muss sterben. Eine Stimme aus dem Hintergrund macht ihm allerdings einen Strich durch die Rechnung: "Why don't you put the gun down and we'll talk?"

Im Wahn allein: Morgan

Auftritt Eastman (John Carroll Lynch): Ein Mann, der sich in der Mitte seines Lebens befindet, bahnt sich mittels Stockhieb seinen Weg ins Bild und knockt Morgan aus. Ab diesem Punkt ist klar, was uns über die restliche Laufzeit der Episode erwartet. Wie der Gott aus der Maschine erscheint Eastman dem außer Kontrolle Geratenen, um ihn wieder auf den richtigen Pfad zu führen. Als weiser Mentor nimmt er Morgan fortan unter seine Fittiche und lehrt ihm eine wichtige Lektion nach der anderen. Mit der einfachen Frage "What's your name?" fängt alles an. "Kill me!", entgegnet Morgan im entgeisterten Zustand, erhält jedoch nur ein über den Dingen stehendes "Well, that's a stupid name. It's dangerous. You should change it." als Antwort. Binnen weniger Minuten etabliert Drehbuchautor Scott M. Gimple gekonnt eine funktionierende Dynamik inklusive Machtgefälle zwischen den zwei Hauptfiguren der Episode.

Mit spielerischer Leichtigkeit finden obligatorische Bestandteile einer solchen Beziehung zwischen Schüler und Meister ihren Weg in die Episode. Letzten Endes offenbart sich aber genau das Obligatorische als Problem. So sehr sich Lennie James und John Carroll Lynch bemühen, der unaufgeregten Tragik der Geschichte gerecht zu werden, so wenig können sie der Tatsache etwas entgegensetzen, dass Here's Not Here im Grunde nichts zu erzählen hat, was sich über ein Malen-nach-Zahlen-Prinzip hinwegsetzt. Dass Morgan am Ende der Episode ein anderer Mensch ist, haben wir Zuschauer längst erfahren. Interessant ist also nicht, was passiert, sondern wie und warum es passiert. Enttäuschenderweise offeriert ausgerechnet Scott M. Gimple, der mit seinem Skript zu Clear vor zwei Jahren etwas wirklich Vielschichtiges aus seiner Off-Road-Episode herausgeholt hat, einen belanglosen Frage-Antwort-Katalog, der rückblickend ein Geheimnis lüftet, das besser ein solches geblieben wäre.

Meister und Schüler

Unermüdlich predigt Eastman sein Credo vom kostbaren Leben und Morgan lehnt sich wie ein trotziges Kind gegen seinen Mentor auf. So spielen sich die beiden den Ball ein paar Mal zu, bis sich herausstellt, dass die Tür zum Käfig, in den Eastman Morgan einsperrt, nie verschlossen war - vom Symbolbild der hilflosen Ziege, die es zu beschützen gilt, ganz zu schweigen. Schließlich entpuppt sich Eastman selbst als Opfer der Zombie-Apokalypse, das mindestens eine Leiche im Keller vergraben und trotzdem keine Erlösung erhalten hat. Am Ende kommt es, wie es kommen muss: Mit ironischem Kniff kündigt Scott M. Gimple das unabwendbare Ableben des Mentors an; erst dann greift die biedere Läuterung des verlorenen Sohns in Gänze. Ausschlaggebend dafür ist einer der beiden Männer, die Morgan am Anfang der Episode rücksichtslos ermordet hat und nun zombifiziert sein Unwesen treibt.

Wieder in der Gegenwart angekommen will Morgan Eastmans Vermächtnis weitertragen und erzählt seine Leidensgeschichte jenem Mitglied der Wolves, das er beim Überfall von Alexandria verschont hat. Dieser erweist sich allerdings als undankbarer Zuhörer und lässt seinem Sadismus freien Lauf: "I am going to have to kill you, Morgan. I'm going to have to kill every person here. Every one of them. The children, too." Sprich: Wenngleich Morgan selbst Zeugnis dafür ist, dass sich der Mensch verändern kann, gibt es in der Welt von The Walking Dead eine zynische Ader, die ausschließlich vom Bösen durchdrungen wird. Und deswegen legt Morgan zumindest die naive Einstellung von Eastmans "All life is precious"-Mantra ab und verschließt die Tür. Die Hoffnung hat er trotzdem nicht aufgegeben, denn "Everything is about people, everything in this life that's worth a damn."

Heimlicher Star der Folge: Eastmans Ziege

Was bisher geschah:

Staffel 6, Folge 1: First Time Again
Staffel 6, Folge 2: JSS
Staffel 6, Folge 3: Thank You

Die sechste Staffel von The Walking Dead läuft in Deutschland beim Pay-TV-Sender FOX .

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