Wicked 2-Regisseur Jon M. Chu erklärt, wie er für seinen Film die Vorlage ändern musste – inklusive Dorothy, Nessa und neuen Songs

22.11.2025 - 10:15 Uhr
Wicked: Teil 2
Universal
Wicked: Teil 2
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Der heiß erwartete Fantasyfilm-Abschluss Wicked 2 erobert derzeit die Kinoleinwände. Wir trafen Jon M. Chu zum Interview, um über Änderungen zum Musical und neue Lieder zu reden.

Diese Woche ist Wicked: Teil 2 gestartet, um die in Wicked begonnene große Fantasy-Geschichte der Hexen von Oz abzuschließen. In 3 verschiedenen Versionen können Fans das Musical-Finale des Broadway-Hits im Kino erleben. Wer nach dem erneuten Treffen von Elphaba (Cynthia Erivo) und Glinda (Ariana Grande) noch offene Fragen hat, darf außerdem Regisseur Jon M. Chu seine Aufmerksamkeit schenken, den Moviepilot im Interview detailliert über seinen Film ausgefragt hat.

Wicked 2-Deepdive: Jon M. Chu erklärt sein Fantasy-Finale

Auf Tanz- und Musical-Film-Erfahrung konnte Jon M. Chu dank Step Up 2 the Streets und In the Heights schon vor seinem Fantasy-Doublefeature zurückblicken. 2018 überzeugte seine Romantikkomödie Crazy Rich an den Kinokassen. Der 750-Millionen-Erfolg von Wicked hängte all das allerdings vorherige ab und ließ die Erwartungen an die Rückkehr ins Unermessliche steigen. Nun ist Wicked 2 endlich gestartet und im Interview mit Moviepilot sprach Jon M. Chu über Änderungen gegenüber dem Musical, Dorothys Auftritte und mehr.

Achtung, ab hier folgen Spoiler zu Wicked: Teil 2

Moviepilot: Du hast Wicked 1 und 2 zusammen gedreht. Gab es im letzten Jahr trotzdem noch Nachdrehs zu wichtigen Szenen?

Genau, wir haben beide Filme zur gleichen Zeit gedreht. An einem Tag waren wir in der Glizz-Universität und am nächsten Tag schon bei Teil 2. Aber wir wurden durch den Streik unterbrochen. Es waren nur noch zehn Drehtage übrig, als der Streik begann. Also mussten wir sechs Monate warten und dann zurückkommen und Defying Gravity drehen. In dieser Zeit passierte der Schnitt beider Filme. Aber dann legte ich den zweiten Film beiseite und ignorierte ihn ein Jahr lang, um auf die Veröffentlichung des ersten Teils hinzuarbeiten. Erst im Januar dieses Jahres nahm ich Teil 2 wieder zur Hand. Nun hatte ich aber eine völlig neue Perspektive, nachdem ich diese unglaubliche Wicked-Erfahrung [des Erfolgs] von Teil 1 durchlebt hatte!

Das erlaubte mir, zu erkennen: Unser Publikum steht dem Film viel näher, als ich dachte. Ich brauche nicht so viele Hintergrundgeschichten und Rückblenden. Wir konnten direkt einsteigen. Die Geschichte der Freundinnen [Elphaba und Glinda] ist viel wichtiger. In sie war das Publikum sehr investiert. Also musste ich sehen, dass Glinda etwas mehr Zeit bekam. Und ich wollte sicherzustellen, dass Elphabas Abgang sich mutig anfühlte und nicht wie ein Rückzug. Das ist eine sehr feine Linie. [Mit dem Wicked-Erfolg im Rücken] war das schauspielerisch eine ganz neue Welt und Stimmung!

Fan-Reaktion können ein Sequel wie Wicked: Teil 2 also wirklich verändern?

Es gibt definitiv Dinge wie Bowen Yangs Figur Pfannee und Bronwyn James' Shenshen, von denen ich nicht wollte, dass sie einfach verschwinden. In der ersten Version des zweiten Films taten sie das. Aber ich musste ihnen einen Abschluss geben. Also fügten wir ein paar Momente hinzu, damit wir am Ende wussten, auf welcher Seite sie wirklich standen. Zum Beispiel, wenn sie besorgt auf die Hexenjäger blicken, da lesen wir in ihren Gesichtern: "Oh, wir haben uns geirrt. Das hier ist zu weit gegangen."

Auch die Tanznummer zu Beginn war erst nicht so groß wie sie jetzt ist, weil wir in Eile waren. Ich wollte jetzt mehr Tänzer:innen und das Studio [Universal] hat es erlaubt.

Die Dynamik zwischen Elphaba und Glinda ist das Herzstück des ersten Wicked-Films. Fans des Musicals hatten vorab Sorge, weil sie in Teil 2 getrennte Wege gehen. Aber du hast die Geschichte zugunsten von mehr gemeinsamen Momenten verändert ...

Ja, das geschah schon ziemlich früh, weil ich das Problem mit dem zweiten Akt kannte: Man möchte, dass sie zusammen sind, aber sie können nicht zusammen sein. Wie bringt man sie also zusammen?

Und wie überzeugt man Elphaba überhaupt davon, zum Zauberer [von Oz] zurückzukehren? Das, was auf der Theaterbühne passiert, hätte ich im Film niemals geglaubt. Aber Glinda wäre in der Lage, Elphaba zurückzuholen. Ich wollte ein intensives Gespräch, wenn sie sich das erste Mal wiedersehen, bei dem Spannung in der Luft liegt. Das erlaubte uns, etwas früher zurück zu ihnen zu gelangen. Und selbst wenn sie an unterschiedlichen Orten sind, müssen sie mit dem, was die jeweils andere ausgelöst hat, umgehen.

Da ist es nur passend, ihnen auch jeweils einen neuen Song zu geben. Wie seid ihr bei No Place Like Home (für Elphaba) und The Girl in the Bubble (für Glinda) gelandet?

Beim Blick auf die Handlung wurde klar: Sie haben ihren gemeinsamen Song For Good. Und Elphaba hat ihren großen Höhepunkt mit No Good Deed. Aber es fehlte der Moment, wo Glinda beschließt, ihre Blase platzen zu lassen. Das musste entweder eine Szene oder ein Song sein. Das ergab einfach Sinn.

Wir mussten ihre jeweiligen Kämpfe kennen. Beide haben einen "I Want-Song" [– also ein Lied, in dem wir verstehen, was sie sich wünschen]: Elphabas Lied ist No Place Like Home und Glindas ist Couldn't Be Happier. Aber Glindas Lied ist ein subversiver I-Want-Song, weil sie sagt, was sie will, obwohl sie das nicht wirklich will. Elphabas Song ist hingegen ein sehr ehrlicher, offener I-Want-Song, der zugleich fragt: Will ich das wirklich? Es hat also alles funktioniert, indem wir uns ganz darauf konzentriert haben, was diese Charaktere brauchten.

Eine mit Spannung erwartete Entscheidung zu Wicked 2 war natürlich, wie ihr die Dorothy-Handlung aus Der Zauberer von Oz darstellen würdet. Jetzt sehen wir Andeutungen und ein Schattenspiel. Gab es jemals eine Drehbuchversion, in der Dorothy eine größere Rolle hatte?

Es gab eine erste Drehbuch-Version, in der sie echten Dialog hatte. Es blieb dabei aber vage, ob man ihr Gesicht sehen sollte oder nicht. Aber man konnte fühlen, wie der Dialog uns [aus dem Film] herausriss. Es war klar, dass sie keinen Platz in dieser Geschichte hatte. "Es geht um die Freundinnen [Elphaba und Glinda], Dummchen!", sagten wir uns deshalb immer wieder.

Die Regeln des Kinos besagen: Wenn man das Gesicht einer Figur sieht, muss man mehr wissen. Woher kommt sie? Aber das hatte nichts mit uns zu tun. Ich denke also, es war eine kluge Wahl, ihr Gesicht nie zu zeigen. So kann sich jeder seine eigene Dorothy vorstellen.

Ich war sehr gespannt auf den Look des Blechmanns und der Vogelscheuche. Habt ihr euch beim Make-up vom Originalfilm Der Zauberer von Oz inspirieren lassen?

Da wurden wir tatsächlich von W. W. Denslows Zeichnungen des Originalbuches von Frank L. Baum * inspiriert. Dort sind z.B. die Füße der Vogelscheuche gebogen. Solche Details gefielen mir. Natürlich kann man den Film von 1939 nicht völlig vermeiden, weil sie dort auch viel von Denslow übernommen haben. Aber bei uns ging es mehr darum, wie man [Ethan Slaters] Moq durch den Blechmann hindurch sehen konnte. Genauso wäre es seltsam gewesen, wenn man [Jonathan Baileys] Fiyero nicht in der Vogelscheuche erkannt hätte. Das sind also alles echte Prothesen. Lediglich Kleinigkeiten wie Gelenke haben wir [mit CGI] bereinigt.

Wir brauchten viele verschiedene Teile für den Blechmann. Wir hatten alle möglichen Wangenknochen für ihn. Und Tränenflecken, die im Laufe des Films größer wurden. Wollten wir, dass Dampf aus ihm herauskommt, mussten wir mit dem Visuelle-Effekte-Team zusammenarbeiten. Die Ohren sind von der Tasse, die er Nessa am Anfang hinstellt. Wir mussten also vorher eine entsprechende Requisite herstellen, die zu seinen Ohren passt. Seine Brustplatte besteht aus dem früheren Tablett. Das Loch in seiner Brust ist vom Kamin, wo er Holz gehackt und es ins Feuer geworfen hat. Wir erschufen das in der Tradition der Universal-Monsterfilme, die zeigten, wie diese Kreaturen existieren können.

Ich habe lange nicht geglaubt, dass das funktionieren würde und sagte dem Team immer wieder: "Es wird am Ende bestimmt doch computeranimiert." Aber sie meinten: "Nein, wir können das, Jon." Und am Ende klappte es wirklich.

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Am Broadway-Musical Wicked wurde zuweilen Nessas "Heilung" von ihrem Rollstuhl kritisiert. War das der Grund, warum du die Szene im Film zu einem Schweben (statt Laufen) geändert hast?

Ja. Ich empfand es immer als seltsame Aussage, dass es Nessas ganzer Traum ist, laufen zu können. Ich habe schon vorher mit Menschen mit Behinderung gearbeitet. Mein Bruder ist Autist. Ich bin also sehr sensibilisiert, was Ableismus angeht [die diskriminierende Reduktion eines Menschen auf seine Beeinträchtigung]. Ich sprach mit einigen Schauspielenden, die auf Rollstühle angewiesen sind, und die sagten: "Ich lieben Wicked. Nessarose hat mich so begeistert! Aber in dem Moment, als ich sie aufstehen sah, zerbrach mein Herz. Denn dadurch wusste ich: Ich könnte diese Rolle niemals selbst spielen."

So versuchten wir herauszufinden, wie wir uns durch diese Situation hindurch manövrieren konnten, ohne dabei die Geschichte zu sehr zu ändern. Wir erkannten: Es geht um ein Gefühl. Es geht um Zauberei. Das Grimoire-Buch interpretiert Nessas Wunsch. Aber was wünscht sie sich wirklich? Sie will nicht gehen, sie will ihre Liebe zu Boq! Sie will diese Nacht im Ozdust-Club zurück. Sie will in der Luft schweben, so wie sie sich an diesem Tag gefühlt hat! Und wenn man die Magie des Grimoires nicht zurücknehmen, kann ergibt es Sinn, dass Dorothys Schuhen noch immer Magie innewohnt, wenn sie später dreimal klickt, um wieder nach Hause zu kommen.

Man musste es nur anders denken. Wir brauchten ein paar Wochen, um die Lösung zu finden. Aber dann konnten wir Schauspielerin Marissa Bode [die selbst im Rollstuhl sitzt] besetzen. Ich bin stolz darauf, dass wir Rampen und Zugänglichkeit in einer fiktiven Fantasiewelt wie Oz einbauen konnten, ohne eine große Sache daraus zu machen.

Das Ende des Theater-Musicals und das Ende der Buchvorlage Wicked: Die Hexen von Oz * von Gregory Maguire sind sehr unterschiedlich. Gab es jemals eine Diskussion, welchen Schluss ihr wählen würdet? (Im Buch stirbt Elphaba, im Musical täuscht sie ihren Tod nur vor.)

Wir hatten nur die Rechte am Musical, das auf dem Buch basiert. Die Rechte am Buch gehörten uns nie. Also war ich an die Show gebunden. Natürlich haben wir über alle möglichen Enden gesprochen. Aber für mich lag die Kraft des Endes darin, dass es nicht komplett zugeschnürt war: Es darum ging, ins Unbekannte aufzubrechen.

Glinda sagt nicht: "Ich werde Glinda, die Gute, sein." Sie sagt: "Ich werde versuchen, Glinda, die Gute, zu sein." Wir müssen jeden Tag für uns selbst wählen, ob wir böse ("wicked") oder gut sind. Das Beste, was wir tun können, ist, es zu versuchen. An manchen Tagen werden wir böse sein. Aber das Unbekannte ist der Ort der Möglichkeiten. Und das ist hoffnungsvoll. Das bedeutet nicht "glücklich bis ans Ende aller Tage", es bedeutet: Wer wir jetzt sind, wird beeinflussen, wie wir in Zukunft sein werden. Und das war das Ziel des Films: Dass [Elphaba und Glinda] sich gegenseitig beeinflusst haben, bessere Menschen zu werden. Was auch immer die Zukunft für sie bereithalten mag: Wir können hoffen, dass das moralische Fundament dafür gelegt wurde, dass sie den rechten Weg einschlagen.

Dieses Interview wurde gekürzt und verdichtet. Wicked: Teil 2 läuft seit dem 19. November 2025 in den deutschen Kinos.

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