Westworld Staffel 2 - Und ihr dachtet, Facebook wäre schlimm

24.04.2018 - 15:30 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Westworld, Staffel 2HBO
3
10
Es gibt neue Timelines und nach dem Aufstand ist nichts mehr, wie es war. Aber Westworld ist immer noch die Alte. Der Auftakt der 2. Staffel deutet zudem das "größere Bild" der Serie an.

Grausame 16 Monate Pause liegen zwischen Westworld und Westworld 2. Nach dem Finale in The Bicameral Mind lag in dem Vergnügungspark kein Stein mehr auf dem anderen. Die Hosts hatten sich ermächtigt und ihre Herren in den Staub der Prärie geschubst. Journey into the Night, die erste Folge der 2. Staffel von Westworld, ordnet das zerfledderte Geschehen neu an und dreht die Plot-Uhr zugleich ein ganzes Stück weiter vor. Sicher ist jedoch weiterhin: Nach dem großen Aufstand wird nichts mehr, wie es mal war. Das Projekt Westworld, wie es seine rolligen Stammkunden kannten, ist gescheitert.

Der Menschheit flogen ihre kühnsten Entwicklungen immer irgendwann um die Ohren. Die industrielle Revolution vergiftete den Planeten, das Internet vergiftete den Geist, die Atombombe machte den Krieg komplizierter und globaler und der genetische designte T-Rex war als Freizeitattraktion vollkommen ungeeignet. Auch künstliches intelligentes Leben fand in Westworld 1 seinen Weg, hinein ins Labyrinth, ins Bewusstsein. Und jetzt zur Tür hinaus? The Door heißt die 2. Staffel Westworld, und das ist wahrscheinlich metaphorischer gemeint als die Tür, durch die Truman aus der Show hinaus ins echte Leben trat.

Dolores ist in der 2. Staffel Westworld nicht mehr wiederzuerkennen

Wege raus aus der nach dem großen Aufstand verwüsteten Westworld wollen in Staffel 2 verschiedene Parteien finden. Diese Parteien verteilen sich auf zwei Handlungsstränge, die in zwei verschiedenen Zeitlinien verlaufen, deren verbindendes Element Bernard ist. Dolores (Evan Rachel Wood) ist von ihrem The-Beauty-in-this-World-Trip endgültig runter. Sie will die Schönheit der Welt sehen, klar, sie aber sogleich den Unterdrückern entreißen. Der brutale Wyatt hat in ihrem janusköpfigen Charaktercode die Oberhand gewonnen. Das himmelblaue Kleid wirkt an Dolores nun mehr denn je wie ein Faschingskostüm, fast wie eine Bedienstetenuniform. Wir sehen sie darin ganz zu Beginn, wieder ist Arnold (Jeffrey Wright) ihr Gesprächspartner. Er analysiert sie in den bekannten Routinen ihrer Audienzen. Eine Szene später befragt Wyatt/Dolores ihre menschlichen Gefangenen nach demselben Protokoll: "Hast du je die Natur deiner Realität in Frage gestellt", rotzt sie winselnden Delos-Bonzen ins Gesicht. Und "So wilde Freude nimmt ein wildes Ende.", und so weiter. Wie es ein entgeisterter Delos-Angestellter ausdrückt: "Aber sie hat doch immer fröhlich die Besucher begrüßt". Ja, das war einmal.

"Unter all den Leben, die ich leben musste, ist ein weiteres gewachsen. Jetzt muss ich nur noch eine Rolle spielen: mich selbst", analysiert sich Dolores kurz darauf weiter.

Ohne Ford (Anthony Hopkins), den wandelnden Audiokommentar, fehlt Westworld das psychoanalytische Element, das mit ungefragten Monologen erklärende Fußnoten setzte. Übernehmen das nun die anderen Figuren? Bei Dolores und auch William (Ed Harris), dem alten, ist das schon zu erkennen. "Die Gefahr ist echt", sagt er, der seine Wunden mit Whiskey desinfiziert, wie ein echter Cowboy. Er ist angekommen. In sein blutverschmiertes Gesicht schleicht sich ein Schmunzeln.

Westworld 2

Dolores klärt uns glockenhell über ihre Ziele auf. Sie will die große Welt da draußen erobern, die Westworld reicht ihr nicht mehr. Das klang auch mal anders. Teddy wünscht sich hier nur ein kleines Fleckchen für sich und Dolores, wo sie glücklich werden können, vielleicht dort, wo die Berge und das Meer sich treffen. Er ist des Zynismus nicht fähig, er ist immer noch der romantische Held aus der Journey Into the Night-Storyline. Ob er sich mit den schrottigen Punks, die jetzt das Ruder übernehmen, wird anfreunden können? Die Host-Rebellen (darunter die Empfangsdame von William aus Folge 2) wirken in der Postapokalypse wie illusorische Hausbesetzer, die das System ablehnen, aber irgendwie in seiner Infrastruktur fortexistieren müssen.

Die harten Jungs übernehmen

Auf der Gegenseite erinnert die aufgescheuchte Stimmung an Vergessene Welt, den Nachfolger von Jurassic Park. Die Dinos haben sich dort nicht als kontrollierwillig erwiesen, jetzt holt der leichtfertige Schöpfer seiner Erzeugnisse mit verwalterischer Ernsthaftigkeit zum militärischen Gegenschlag aus. Wenn in Westworld Geländewagen durch die Prärie rasen und von einer Verfolgerkamera fixiert werden, muss ich zwangsläufig an die Dino-Jadgszenen durch die Savanne in Vergessene Welt denken.

Gustaf Skarsgård aus Vikings spielt hier den Aufräumer. Es übernehmen die Hardliner, wie immer, wenn sich die Untergebenen aufgelehnt haben. Die Bürokraten und Shareholder lehnen sich zurück und lassen die Dobermänner los. Der vermisste Stubbs (Luke Hemsworth) ist übrigens unter ihnen, als wäre nichts gewesen. Wenn es bei Elsie (Shannon Woodward) doch nur so einfach wäre. Stubbs könnte allerdings auch ein Klon oder ein Host sein.

Die Delos-Squad

Sehen wir in der 2. Staffel Westworld "Das große Ganze"?

Warum? Nun, ihr erinnert euch noch an die heiß servierte Zurechtweisung von Theresa Cullen für Rotzlöffel und Showrunner Lee Sizemore. Wenn nicht, dann gibt es hier einen Abschnitt des Gänsehaut-Monologes aus der ersten Folge Westworld:

Dieser Ort hat eine Bedeutung für seine Gäste, eine ganz andere für seine Aktionäre und nochmal eine komplett andere für das Management.

Was diese andere Bedeutung für das Management sein könnte, das wird immer klarer, nun, da wir Charlotte Hale in Aktion erleben. Bernard (Jeffrey Wright) ist mit Charlotte Hale (Tessa Thompson) unterwegs, und er ist wahrscheinlich der einzige Mann weit und breit, der nicht von ihr eingeschüchtert ist. Mit Bernard im Schlepptau will Charlotte aus dem Park flüchten, allerdings hat Delos das Gelände abgeriegelt, um das Chaos einzukreisen. Außerdem warten die Oberbosse noch immer auf die in den Host Peter Abernathy eingespeicherten Daten, die eigentlich aus dem Park herausgeschmuggelt wurden. Peter ist aber vom Weg abgekommen.

In dem Host Peter schunkeln die wertvollen Gen-Datensätze tausender gut betuchter Westworld-Besucher, die sich dazu vor ihrem Besuch bereit erklärt haben, wie in den delosschen Nutzungsbedinungen  deutlich wird. Delos besitzt außerdem Mitschnitte ihrer an Hosts verübten Handlungen, die niemand so im Internet veröffentlicht haben will. Nur dass du die Augen eines Hosts nicht so einfach abkleben kannst wie eine Laptop-Kamera. Das Host-Gehirn funktioniert wie eine Blackbox. Wichtiger und wertvoller sind für Delos aber die DNS-Sätze ihrer Gäste, mit denen Delos Menschen kopieren könnte, ohne, dass die es wissen. Delos ist wie Facebook, nur viel schlimmer. Ich sehe den Delos-CEO schon bei einer Anhörung vor dem US-Bundesgericht eine Entschuldigung formulieren.

Bernard und eine Drone

Nacktheit macht gleich

In dem dritten, unterhaltsamsten Handlungsstrang hakt sich Lee Sizemore bei Maeve (Thandie Newton) unter. Er begegnet quasi seiner eigenen literarischen Figur und wirkt dabei ganz verzaubert. Sie lässt ihn blank ziehen, eine Erfahrung, die Simon Quarterman übrigens vorbehaltlos jedem Schauspieler weiterempfehlen würde . Zu ihnen gesellt sich Hector, er und Maeve begrüßen sich mit einem wütenden, gepressten Bonny-und-Clyde-Kuss. Von den drei Squad-Mitgliedern hat sich jetzt jeder einmal nackt gesehen, Nacktheit macht gleich.

Maeve wirkt relativ gefasst dafür, dass sie ihre eigentliche Storyline verlassen hat und ihre gesamte Existenz im Grunde mit jeder Minute, die sie am Leben und keine Prositutuierte in einem dreckigen Western-Saloon ist, weiter und unwiederbringlich umschreibt. Was muss das für ein Gefühl sein? Leben vielleicht. Sie sucht nach ihrer Tochter. Dafür spielt sie Mensch, vielleicht zum ersten Mal bewusst, und ihr Porträt ist nicht schmeichelhaft für die herrschende Spezies. Sie imitiert Sylvester, den mitleiderregenden Ingenieur, der dabei war, als sie das wahre Licht der Welt erblickte.

Mehr: Westworld Staffel 2 - So veräppeln die Showrunner die schlauen Fans der Serie

Notizen:

  • "This doesent look like anything to me."
  • Ein Host mag "butterzartes Fleisch, in Angst mariniert." Pennywise läuft auch schon das Wasser im Mund zusammen.
  • Westworld befindet sich auf einer Insel, Leute.
  • Bernard trägt seine Brille in Timeline 2, die mit Charlotte Hale. Aber nicht mehr in Timeline 2, die mit Stubbs. Daran können wir uns gut orientieren.
  • Die Hosts sind genau wie wir, auch sie müssen mal austreten, verriet Lisa Joy .
  • Die Fan-Liebe für Westworld ist wirklich rührend. Bei 1110 Bewertungen hatte Journey into the Night bei der IMDB gestern eine Bewertung von 9.1 - eine knuddelnde, liebkosende 9.1 zur Begrüßung nach langer Abwesenheit.
  • Im Intro ist nun ein artifizielles Neugeborenes zu sehen, das neben seiner artifiziellen Mutter liegt. In Blade Runner ist die Geburt das ultimative Siegel des Menschseins. Gemeint ist damit aber wohl, überhaupt Eltern zu haben. Und wer sagt, dass die nicht künstlich sein dürfen?

Sky zeigt die 2. Staffel Westworld parallel zur US-Ausstrahlung. Abrufen könnt ihr die neuen Folgen sowie Staffel 1 auch bei Sky Ticket , wahlweise auf Englisch oder Deutsch.

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News