Vergesst Zombie-Action: Das Beste an The Last of Us versteckt sich im Detail

10.02.2023 - 09:00 UhrVor 1 Jahr aktualisiert
The Last of UsHBO
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Die Videospiel-Adaption The Last of Us wurde lange als Nachfolger zu The Walking Dead gehandelt. Dabei hat das wirkliche Highlight der Serie (fast) nichts mit Zombies zu tun.

The Walking Dead endete 2022 nach 11 Staffeln und sorgte bei mir vor allem für Enttäuschung. Zu oberflächlich wurden mir die übriggebliebenen Figuren abgehandelt, zu sehr mit dem Finger auf Fortsetzungen verwiesen. Deshalb setzte ich meine Hoffnung beim postapokalyptischen Serien-Nachschub nicht auf die Walking Dead-Sequels, sondern lieber auf einen Neuling: The Last of Us.

Dabei kannte ich The Last of Us als Nicht-Gamerin eigentlich nur vom Hörensagen von Videospielenden, die auf seltsamste Weise davon schwärmten, wie die Spielerfahrung sie emotional zerstört habe. Die unübersehbare Beliebtheit der Vorlage zusammen mit dem Qualitäts-Sender HBO gaben mir die Hoffnung, es hier endlich mal wieder mit einer besseren Endzeit-Serie mit guter Action und gruseligen Zombies zu tun zu bekommen.

Nach den ersten Folgen The Last of Us bei WOW * weiß ich es besser: Spannung, Kämpfe und Pilz-Monster sind durchaus nicht von schlechten Eltern, aber was mich wirklich jede Woche aufs Neue packt und in die Serie zieht, sind die kleinen Momente, die The Last of Us zu wahrer Größe verhelfen. Dagegen sind die Apokalypse und ihre Zombies geradezu langweilig.

Die "Kleinigkeiten" in The Last of Us überflügeln jeden Zombie-Kampf – und sind leicht zu übersehen

Interessanterweise sind besagte Momente eher versteckten Highlights: Einmal an der falschen Stelle geblinzelt oder aufs Smartphone geschaut, lassen sie sich leicht übersehen. Und doch finden sie sich in jeder Folge von The Last of Us und werten die Serie auf. (Achtung, ab hier folgen Spoiler zu Episode 1-4.)

The Last of Us: Pedro Pascal als Joel

Nehmen wir uns zum Beispiel Episode 2, die mit der indonesischen Wissenschaftlerin Dr. Ratna (Christine Hakim) beginnt. Sie erklärt: Das einzige Mittel gegen die Pilz-Infektion, die sich ab 2003 rasend schnell ausbreitet, sei es, ihren Ursprung, die indonesische Stadt Jakarta, zu bombardieren. Eine Entscheidung, die auch ihre eigene Familie töten würde.

Dr. Ratnas Mimik und ihre brechende Stimme lassen beim Ringen um Professionalität die Verzweiflung angesichts des unabwendbaren Untergangs durchblitzen. Denn kurz vor ihrem eigenen Ende will die Frau nur eines: ihre Familie noch einmal in die Arme schließen. Das ist großes Kino, in dem ein Gesicht zur menschlichen Leinwand wird.

Später in derselben Folge verlassen Joel (Pedro Pascal), Ellie (Bella Ramsey) und Tess (Anna Torv) die Quarantäne-Zone und Tess wird gebissen. Joel fordert sie auf, ihm ihre Wunde zeigen. Doch als sie dafür auf ihn zutritt, weicht er vor ihr zurück. Es ist nur ein kleiner Schritt nach hinten, doch der schmerzt beim Zuschauen mehr als jede Schusswunde.

The Last of Us: Ellie & Tess

Joels plötzliche Angst vor der Person, die ihm eigentlich am nächsten steht, mag nachvollziehbar sein. Aber der gesuchte Abstand offenbart auch einen unbequemen Charakterzug, bei dem Selbsterhalt über allem steht. Keine Ansteckung zu riskieren, ist wichtiger, als einen geliebten Menschen in die Arme zu schließen. Es ist ein kleiner Schritt für Joel, aber eine verheerende Aussage für die Menschlichkeit in The Last of Us.

The Last of Us ist das bessere The Walking Dead, weil es so menschlich ist

The Last of Us zeigt uns also nicht nur eine globale Katastrophe, sondern macht sie durch kleine Momente auf persönlichster Ebene erfahrbar. Im Positiven zeigt sich das in Folge 3 mit Bill (Nick Offerman) und Frank (Murray Bartlett), die zaghaft zueinanderfinden. Wie man sich eben in einer Welt verhalten würde, in dem jeder ein potenzieller Feind ist, der es nur auf die eigenen Vorräte abgesehen haben könnte. Die kurzen, authentisch wirkenden Einblicke in ihre Liebesgeschichte machen diese fast perfekte The Last of Us-Episode trotz tragischem Ende zu einem Lichtblick.

Ja, die uns bekannte Welt existiert in der Serie nicht mehr, doch The Last of Us verdeutlicht, warum es sich lohnt, trotzdem nicht aufzugeben. Für die Auslotung ihrer zutiefst menschlichen Beziehung wird der Weltuntergang auf angenehme Weise zur Nebensächlichkeit.

The Last of Us - S01 E03 Trailer (English) HD
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Etwas Ähnliches passiert am Ende von Episode 4, wenn wir den grimmigen Joel zum ersten Mal lachen sehen. Lange versuchte er sich einzureden, es sei nur ein nerviger Job, das Teenager-Mädchen Ellie von A nach B zu bringen. Hier durchbricht sie zum ersten Mal seine emotionalen Schutzmauern – mit schlechten Witzen aus einem alten Buch.

Erst kämpft er noch dagegen an. Aber wenn Pedro Pascal das peinlich berührte Kichern schließlich aus sich herausbrechen lässt, ist es eine Erlösung und ein eindeutiger Hinweis darauf, wie sich die Beziehung der beiden weiterentwickelt hat. Genau solche unerwarteten kleinen Glücksmomente halten die emotionale Balance in der zerstörerischen Serie aufrecht.

Deswegen freue ich mich nun jede Woche aufs Neue auf The Last of Us. Nicht auf klickende Fungus-Zombies und Verfolgungsjagden durch verlassene Städte, sondern auf den nächsten Moment Zwischenmenschlichkeit, der mich entweder entzücken oder fertigmachen wird.

Am Ende haben ich und die Gamer:innen also doch etwas gemeinsam, wenn es um die mitreißende Seh-Erfahrung geht: The Last of Us ist eine Serie, die nicht nur geschaut, sondern gefühlt werden will. Das schafft sie, weil sie ihren Figuren die kleinen Freiräume schenkt, sich als Charaktere wirklich zu entfalten – und hat damit dem großen The Walking Dead-Ende einiges voraus.

The Last of Us Podcast: Warum auch Nicht-Gamer dieses Serien-Highlight schauen müssen

Die Endzeit-Serie The Last of Us ist die Live-Action-Adaption eines der gefeiertsten Videospiele der letzten 10 Jahre. Lohnt sich die Serie mit Pedro Pascal und Bella Ramsey für Fans der Vorlage? Und wie wirkt sie auf Nicht-Gamer?

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In der spoilerfreien Podcast-Besprechung der kompletten ersten Staffel The Last of Us sprechen wir unter anderem über die unglaubliche Nähe zur Videospielvorlage und die Unterschiede zum Zombie-Hit The Walking Dead.

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