Unheimlicher als viele Horror-Filme: Meister-Regisseurin kehrt mit verstörender wahrer Geschichte ins Kino zurück

04.01.2024 - 15:00 UhrVor 4 Monaten aktualisiert
Priscilla
Mubi
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Sofia Coppola ist eigentlich kein Name, den man mit dem Horror-Kino verbindet. Und trotzdem lässt sich ihr neuestes Werk als ein äußerst unheimlicher Ausflug in die Geschichte umschreiben.

Nachdenkliche Bilder, ein ausgefeiltes Produktionsdesign und jede Menge Popmusik: Das ist das Kino von Sofia Coppola. Seit Beginn ihrer Regiekarriere folgt sie Figuren, die selbst in vollen Räumen verloren wirken und in ihre Gedankenwelt verschwinden, angefangen bei The Virgin Suicides über Lost in Translation bis zu On the Rocks.

Auch in ihrem neuesten Film, Priscilla, stecken viele Dinge, die unmittelbar mit Coppolas Stil verbunden sind. Die Geschichte einer jungen Frau, die im Deutschland der ausklingenden 1950er Jahre einem amerikanischen Soldaten über den Weg läuft und sich in diesen verliebt, geht allerdings in eine noch viel düsterere Richtung.

In Sofia Coppolas Priscilla-Biopic verwandelt sich Elvis Presley in ein heimliches Horror-Monster

Priscilla erzählt von der jungen Priscilla Beaulieu (Cailee Spaeny), die in New York geboren wird, jedoch bald nach Deutschland ins ferne Wiesbaden kommt. Dort ist ihr Adoptivvater, der beim US-Militär ist, stationiert. Ein trostloser Ort, vor allem für ein junges Mädchen, das die Welt entdecken will, aber ausschließlich mit Verboten konfrontiert wird.

Hier könnt ihr den Trailer zu Priscilla schauen:

Priscilla - Trailer (Deutsch) HD
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Priscilla ist eine von Coppolas einsamen Protagonistinnen und fühlt sich überall wie eine Fremde, eine Außenseiterin. Als sie auf einer Party den zehn Jahre älteren, einfühlsamen Mann kennenlernt, soll sich ihr Leben schlagartig verändern. Plötzlich lebt sie den Traum aller Mädchen an ihrer Schule: Sie datet Elvis Presley (Jacob Elordi).

Auf den ersten Blick wirkt Priscilla wie ein Nachklapp zu Baz Luhrmanns opulentem Elvis-Biopic, das vor zwei Jahren ins Kino kam und zum Überraschungserfolg avancierte. Der Film drehte sich um die Beziehung zwischen Elvis Presley und seinem hinterlistigem Manager Colonel Tom Parker. Priscilla tauchte nur als Nebenfigur auf.

Mehr als ein verspäteter Elvis-Nachklapp: Priscilla ist ein Albtraum und gleichzeitig eine Fantasieerfüllung

Coppola füllt aber nicht nur eine Lücke, die sich bei Luhrman aufgetan hat. Ihr Film folgt einer eigenen Vision. Ihre Priscilla-Geschichte entfaltet sich zwischen den schüchternen Bildern eines Coming-of-Age-Films und einer unverhofften Fantasieerfüllung. Für einen kurzen Moment ist Priscilla das glücklichste Mädchen auf dem Planeten.

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Nach und nach schleichen sich allerdings bedrohliche Töne in den Film. Die dunklen Ecken der Räume werden größer. Der eben noch gemütliche Teppichboden gleicht einer Sumpflandschaft, aus der es kein Entkommen gibt. Und Graceland, das mächtige Presley-Anwesen in Memphis, verwandelt sich in ein kaltes Gefängnis.

Priscilla ist kein klassischer Horror-Film mit Jump-Scares und anderen vertrauten Kniffen des Genres, die uns einen Schauer über den Rücken jagen. Wenn Coppola in zärtlichen Bildern zeigt, wie ihre Protagonistin von einer toxischen Beziehung gelähmt wird, stockt mehrmals der Atem, gerade in den alltäglichen Situationen.

Bei der Inszenierung von Priscilla greift Sofia Coppola auf gängige Muster des Horror-Kinos zurück

Die großen Bühnenauftritte, das Scheinwerferlicht und die jubelnden Mengen bleiben Priscilla fern. Der gefeierte King des Rock'n'Roll ist hier zuerst ein charmanter Gentleman, bevor er sich in eine bestimmende, unterdrückende Macht verwandelt, ohne dass er je konkret als solche bezeichnet wird. Für die Außenwelt bleibt Elvis ein Star.

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Coppolas aufmerksame Beobachtungen zeigen jedoch die erstickenden Worte, die seinen Mund verlassen. Die einengenden Gesten, mit denen er Priscilla an ihren Platz verweist. Irgendwann wird der Film so unbehaglich, dass die Art von Anspannung entsteht, wenn man sich mit einem verschleierten Horror-Bösewicht in einem Raum befindet.

Insgeheim wissen die Figuren, dass sie sofort die Flucht ergreifen sollten, aber noch ist der Schrecken nicht ausgesprochen. Vielleicht spielt sich das alles nur im Kopf ab. Doch dann ist es meistens schon zu spät. Von Sekunde zu Sekunde kann man sehen, wie sich die Stimmung verändert und das Gegenüber von einem Besitz ergreift.

Ein Biopic als heimlicher Horror-Film: Priscilla bewegt sich auf den Spuren von Spencer mit Kristen Stewart

Nach Spencer, in dem Kristen Stewart als Prinzessin Diana im britischen Königshaus ums Überleben kämpft, ist Priscilla ein weiterer herausragender Film, der sich dem Leben einer historischen Persönlichkeit über (versteckte) Horror-Elemente annähert. Obwohl Coppola den Horror selten deutlich ausformuliert, steckt er definitiv in ihrem Film.

Coppola taucht tief ein in Priscillas Innenleben. Von urteilenden Blicken und erniedrigenden Gesten wird sie zurechtgewiesen. Jedes Mal, wenn sie vorsichtig Anlauf zum Ausbruch nimmt, schnürt ihr Elvis die Luft ab. Aber die Eskalation passiert einfach nicht. Alles ist normal. Und genau das macht Priscilla so ungemütlich, so unheimlich.

Priscilla läuft ab heute, dem 4. Januar 2024, in den deutschen Kinos.

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