TV-Serien zu Kinofilmen – Ade, Qualitätsfernsehen?

14.05.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Martin Freeman in Fargo
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Martin Freeman in Fargo
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Statt originelle Geschichten mit originellen Figuren zu erzählen, setzen TV-Serien in großem Umfang etablierte Franchise-Erfolge des Kinos fort. Schafft sich das Qualitätsfernsehen mit seinen neuen Superhelden und Serienkillern etwa schon wieder ab?

Was das Kino von True Detective lernen könne, habe ich mich vor einigen Wochen an dieser Stelle etwas zugespitzt gefragt. Weil die HBO-Serie nicht einfach nur Vorteile des – na ja – neuen seriellen Erzählens zu nutzen versteht, sondern sich dabei auch filmischer Mittel bedient, die im gegenwärtigen Genrekino leider zunehmend Seltenheitswert haben. Offenbar war das allerdings eine vollkommen naive Utopie meinerseits, so das Fernsehen aktuell den genau umgekehrten Weg zu gehen scheint: Statt mit neuen Geschichten eine aufregende Alternative zum ja nicht nur an erzählerischen Defiziten leidenden Kino-Mainstream zu bilden, eifert das TV-Seriensystem nun in großem Umfang bereits gemachten Leinwanderfolgen nach. Schlimmer noch: droht sich nun auch dort jenes Übersättigungsgefühl einzustellen, das schon im monokulturellen Kinoangebot weite Kreise zieht.

Vom großen auf den kleinen Bildschirm
Die Frage, was das Kino etwa von Bates Motel, Hannibal, Fargo, Rosemary’s Baby oder Constantine lernen könne, erübrigt sich wohl vollständig, wenn es seine langweiligen Franchise-Strategien, künstlich beatmeten Konzernfiguren oder auch deren irrelevante Erneuerungsversuche lediglich aufs Fernsehen auswalzt. Wenn es mit Marvel’s Agents of S.H.I.E.L.D., The Flash, Marvel’s Daredevil, Marvel’s Agent Carter oder Marvel’s Luke Cage den ohnehin merklich überfrachteten Kinomarkt an Tentpole-Produktionen und Superhelden-Blockbustern auch noch fernsehseriell zu ergänzen versucht. Ist das jetzt Quality-TV 2.0 oder schon längst das besiegelte Ende jener Serien, die sich mit eigentlich originellen Formaten als neue Erzählinstitution behaupten wollten?

In der US-amerikanischen TV-Seriengeschichte hat es natürlich immer schon Bemühungen gegeben, bestimmte gewinnbringende Stoffe von der Leinwand auf den Fernsehschirm zu übertragen. Imbiss mit Biss, eine Serienvariante von Alice lebt hier nicht mehr, die auch in Deutschland äußert populäre TV-Adaption Alien Nation – Spacecop L.A., der Serienklassiker In der Hitze der Nacht, die langlebige Sitcom Private Benjamin und mit Abstrichen auch Terminator: S.C.C. gelten als rentable TV-Konvertierungen berühmter Kinovorlagen. Mit Flipper und Buffy – Im Bann der Dämonen wären sogar mindestens zwei Beispiele anzuführen, bei denen die jeweilige Kinovorlage nur wenig bekannt oder sogar dahingehend gefloppt ist, dass eine Neuauflage in Fernsehform mehr oder weniger sinnfällig erschien.

Tradition der Misserfolge
Insgesamt jedoch waren entsprechende Versuche vergleichsweise selten von Erfolg gekrönt, viele sind als künstlerische wie kommerzielle Desaster sogar vollständig in Vergessenheit geraten. So fühlten sich etwa gleich zwei Fernsehserien (jeweils aus dem Hause ABC und NBC) bemüßigt, in minderwertiger Form an das Meisterwerk Casablanca anknüpfen zu müssen. Auch der Cop-Klassiker Serpico, das Sci-Fi-Opus Westworld oder die beiden kultisch verehrten Filme um Bill & Ted inspirierten teils gleichnamige TV-Serien, die entweder nur eine Staffel überdauerten oder sogar noch während ihrer Ausstrahlung vorzeitig abgesetzt wurden. Die Liste ähnlicher Quoten-Katastrophen ließe sich mit Planet der Affen, Der Mann vom anderen Stern, Ferris Bueller, The Crow: Stairway to Heaven oder Tremors munter fortsetzen. Und auch um deutlich hinter den Erwartungen zurückgebliebene TV-Adaptionen wie beispielsweise Die Abenteuer des jungen Indiana Jones ergänzen.

Diese Realserien – entsprechende Cartoons sind noch mal ein ganz anderes Feld – liegen relativ lange zurück. Sie sind als Versuche zu werten, Kinohits innerhalb eines so gesehen zweitklassigen Mediums mit geringeren Produktionsmitteln und weitgehend unbekannten Schauspielern fortzusetzen, und als solche gingen sie wahrscheinlich sogar vollkommen in Ordnung. Im Goldenen Zeitalter sogenannter Qualitätsserien allerdings (eine nicht uninteressante Diskussion ergab sich dazu unterhalb des Texts zu True Detective) gelten solche Modelle zu Recht als überholt, erinnern an ein Fernsehen von gestern, das für originäre Stoffe und interessante Erzählexperimente keinen Bedarf sah. Oder überhaupt Serien als ebenbürtige, mindestens eigene Kunstform begreifen musste.

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