Toni Erdmann - Warum der Oscar-Erfolg ausbleiben könnte

24.02.2017 - 11:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Toni ErdmannNFP/Filmwelt
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Die Oscar-Nacht steht bevor und mit Toni Erdmann ist auch ein deutscher Beitrag dabei. Ob sich Fans der tristen Komödie Hoffnungen machen dürfen, verraten wir euch hier.

Die letzte Oscar-Nominierung für einen deutschen Beitrag in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film liegt sieben Jahre zurück. Eine solch lange Durststrecke musste der deutsche Filmmarkt seit Jahrzehnten nicht mehr hinnehmen. Damals war Das weiße Band - Eine deutsche Kindergeschichte, der am Vorabend des Ersten Weltkrieges spielt, vom österreichischen Regisseur Michael Haneke nominiert, jedoch "bloß" eine Koproduktion von Österreich, Frankreich und Deutschland. Werfen wir einen Blick auf den letzten deutschen Oscargewinner, müssen wir 10 Jahre in der Zeit zurückgehen. Im Jahr 2007 triumphierte das Stasi-Drama Das Leben der Anderen vom damaligen Regiedebütant Florian Henckel von Donnersmarck. Jetzt findet sich mit der Tragikomödie Toni Erdmann wieder ein deutscher Film auf der Nominierungsliste, dessen Chancen gar nicht mal so schlecht stehen. Immerhin zählt Maren Ades Werk zum Favoritenkreis in der Nacht von Sonntag auf Montag. Trotzdem solltet ihr euch nicht allzu große Hoffnungen auf eine Auszeichnung des Kritikerlieblings machen.

Toni Erdmann

Toni Erdmann könnte den Oscar-Wählern zu sperrig sein

Es gab im vergangenen Jahr nur wenige Filme, die bei internationalen Kritikern solche Begeisterung auslösten wie Toni Erdmann. Die Tragikomödie kommt etwa auf einen hervorragenden Metascore  von 93. Allerdings besteht die Academy nur aus wenigen Filmkritikern, und der üblichen Oscar-Wählerschaft könnte das Werk schlichtweg zu sperrig sein. Da wäre zum einen die enorme Laufzeit des Films: Mit 162 Minuten muss der Zuschauer bei dem Film viel Geduld mitbringen, zumal der Schnitt von Maren Ade, das Einzige, was sich dem Film wirklich vorwerfen lässt, nicht sehr diszipliniert daherkommt. Gepaart mit dem skurrilen Humor - ihr erinnert euch an die Nackt-Party und Toni Erdmanns haariges Kostüm - dürfte es der Film bei den "typischen" Oscar-Wählern schwer haben. Diese könnten sich möglicherweise eher für ein klassisches Drama wie The Salesman - Forushande begeistern.

Der Erfolg auf großen Preisverleihungen blieb aus

Toni Erdmann war zwar oftmals der Kritiker- und Publikumsliebling, wenn es aber um die wichtigen Preise ging, hatte der deutsche Film sehr oft das Nachsehen. Wir erinnern uns allein an das Filmfestival in Cannes. Dort feierte der Film seine Premiere und galt als unangefochtener Top-Favorit. Immerhin knackte Toni Erdmann den Festival-Rekord des internationalen Kritikerspiegels mit 3,8 der möglichen 4 Punkte. Dennoch musste sich der Top-Favorit im Rennen um die Goldene Palme dem Sozialdrama Ich, Daniel Blake geschlagen geben. Toni Erdmann blieb so "nur" der FIPRESCI-Preis der Filmkritiker. Auch bei anderen großen Preisverleihungen wurde der Film geschlagen. Der BAFTA-Award ging an den letztjährigen Oscar-Gewinner Son of Saul und der Golden Globe unerwartet an den französischen Psychothriller Elle. Dieser ist zwar nicht mal für den Oscar nominiert, doch es ist unwahrscheinlich, dass sich das Blatt für Toni Erdmann ausgerechnet bei der Oscar-Verleihung wendet. Daran dürfte auch der Europäische Filmpreis kaum etwas ändern, bei dem Maren Ades Werk der Abräumer des Abends war.

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In der Kategorie werden gern politische Statements gesetzt

Doch Toni Erdmann steht vor einer weit größeren Hürde als nur der filmischen Qualität oder der Oscar-Wählerschaft. Die Oscars sind immer wieder auch eine politische Veranstaltung, die gerne als Sprachrohr genutzt wird, um eine politische Botschaft zu senden. Selten zuvor war die Zeit dabei so geeignet wie in diesem Jahr. Der Rechtsruck in der Gesellschaft und der neue US-Präsident Donald Trump könnten einige Gewinner zu solchen Botschaften verleiten. Wie gut das ankommt, zeigte Meryl Streep bei ihrer Golden Globe-Rede, die um die Welt ging. Aber auch die Oscar-Wähler können ein Zeichen setzen. Bis vor ein oder zwei Wochen galt Toni Erdmann noch als Favorit auf den begehrten Goldjungen. Doch wie die Experten von Gold Derby  zeigen, hat sich das Blatt nun zugunsten von The Salesman - Forushande gewendet. Das von Donald Trump verhängte Einreiseverbot betraf nämlich auch den iranischen Regisseur Asghar Farhadi, der daraufhin erklärte, nicht an der Oscar-Verleihung teilnehmen zu wollen. Aus Solidarität und um ein klares Zeichen gegen die von Donald Trump vermittelten Werte zu setzen, werden viele Oscar-Wähler ihre Stimme wohl dem iranischen Drama geben, das seither die Favoritenrolle einnimmt.

Obwohl Toni Erdmann in der Nacht von Sonntag auf Montag also durchaus Chancen auf einen Sieg hat, sollten Fans des deutschen Films sich nicht allzu große Hoffnungen auf den ersten deutschen Oscargewinner seit 10 Jahren machen. Dafür spricht zu viel gegen das Vater-Tochter-Beziehungsdrama mit Sandra Hüller und Peter Simonischek in den Hauptrollen. Es sei denn, das Glück ist in dieser Nacht doch einmal auf der Seite von Toni Erdmann.

Glaubt ihr, dass Toni Erdmann trotzdem den Oscar gewinnen kann?

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