Show Me a Hero mit Oscar Isaac - Folge 1 & 2

18.08.2015 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Show me a HeroHBO
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Zwei Jahre nach dem Ende seiner letzten Serie Treme kehrt The Wire-Schöpfer David Simon mit der Miniserie Show Me a Hero zu HBO zurück. In der Hauptrolle: Oscar Isaac.

Es ist kaum zu glauben, dass wir die neue Serie von David Simon innerhalb von nur drei Wochen vorgesetzt bekommen. Tatsächlich geht die Double Feature-Programmierung, die HBO bei der sechsteiligen Miniserie vorgenommen hat, schon bei den ersten Episoden von Show Me a Hero auf. Selbst mit dem zukünftigen X-Wing-Piloten Oscar Isaac in der Hauptrolle beschäftigt sich die Serie doch zuvorderst mit dem Bau von Sozialwohnungen in einer unbedeutenden Stadt, der die Geschichtsträchtigkeit und Atmosphäre des großen Nachbarn New York City eindeutig abgehen. Es geht um Bürokratie, Lokalpolitik, richterliche Anordnungen und wir können davon ausgehen, dass Simon seine Konflikte nicht per Trial by Combat auflösen wird. Glücklicherweise bieten die im Doppelpack gezeigten ersten beiden Episoden von Show Me a Hero genügend Zeit, um sich auf die Humangeographie einer Stadt einzulassen, die wir Zuschauer als Petrischale der gegenwärtigen US-Gesellschaft interpretieren können, dürfen und wohl auch sollen.

"Zeig mir einen Helden und ich schreibe dir eine Tragödie" (F. Scott Fitzgerald)
Willkommen also in Yonkers im Februar 1987. Um die 194.000 Einwohner lebten damals in der Stadt, die nördlich des New Yorker Viertels Bronx gelegen ist. Einer von ihnen ist der junge Stadtrat Nick Wasicsko (Oscar Isaac), der sich in der ersten Episode daran macht, den alteingesessenen Bürgermeister Angelo Martinelli (James Belushi) herauszufordern. Wirkt seine Kampagne zunächst chancenlos, weil sich die politischen Standpunkte der beiden kaum unterscheiden, kommt die langsam aufflammende Wut der Bürger Nick gelegen.

Eine Gerichtsentscheidung zwingt Yonkers auf, den sozialen Wohnungsbau zu desegregieren. Auf Initiative der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) sollen nämlich die ärmeren und vor allem schwarzen oder lateinamerikanischen Einwohner der Stadt nicht mehr in Wohnsiedlungen abgeschoben werden, die sie räumlich vom Rest der Bevölkerung isolieren. Die Bildung von Ghettos ist die Folge, die einen Ausbruch aus der Armut erschweren. Geografisch argumentiert die NAACP damals damit, dass so gut wie alle der nicht-weißen Einwohner von Yonkers in Sozialwohnungen westlich der Saw Mill River-Allee leben, es sich also um eine praktizierte Rassentrennung ohne legale Grundlage handele. Der Stadtrat von Yonkers ignoriert daraufhin die Anordnung, Sozialbauten im Rest der Stadt zu bauen. Das Vielversprechende an Show Me a Hero ist nun, dass Nicks Rolle in dieser wahren Geschichte von einem erschreckend pragmatischen Detail abhängt. Als Stadtrat stimmte er dafür, das Urteil anzufechten, der Bürgermeister stimmte dagegen - weil Martinelli wusste, wie aussichtslos der Versuch ist. Während sich wütende weiße Mittelschichtler in den Sitzungen im Rathaus einfinden, die Angst vor Kriminalität, sinkenden Immobilienwerten oder einfach "diesen Leuten" haben, schlägt Nick Kapital aus der Angelegenheit. Er gewinnt und muss in der ratlos bis ironischen Schlussszene der ersten Folge einsehen, dass Martinelli Recht hatte.

Für jene Zuschauer, die sich hobbymäßig selten mit den lokalpolitischen Verwicklungen in den USA befassen oder daran gewöhnt sind, dass Ron Swanson dazwischen über Fleisch monologisiert, könnten die Geschehnisse im Rathaus von Yonkers erst einmal ein abschreckendes Hindernis sein. Das Drehbuch von David Simon und William F. Zorzi schwirrt durch diverse Sitzungen, als sei es gewillt, die traditionelle Einführung der ersten halben Stunde (zwei Beobachterinnen im Saal stellen uns in einer Szene gar die wichtigsten Player mit Namen vor) schnellstmöglich hinter sich zu lassen. Genau das kommt Show Me a Hero jedoch zugute, learning by watching lautet das Motto. Wikipedia und alte New York Times-Artikel sind für die ultimative Multimedia-Erfahrung zu empfehlen. Die zeitgemäße musikalische Begleitung durch Bruce Springsteen sowie die gerade in den Rathaus-Szenen übersichtliche Inszenierung von Paul Haggis verwandeln das angestaubte Protokoll eines 30 Jahre alten Eklats in ein erstaunlich aktuelles Period Piece, das seine Epoche erfreulicherweise nicht als Schauwert begreift. Dezidiert simonesque ist die Serie in ihrer unerbittlichen Aneignung systemischer Abläufe - zuweilen wähnt man sich in einer früheren Inkarnation des Rathauses von Baltimore. Der Trumpf ist, wie bei allen Serien von David Simon, das menschliche Element.

Per Hubschrauberflug wird die Stadt zunächst erforscht, doch erst am Boden tun sich unsichtbare Grenzen auf. In der Erzählung selbst, die den Repräsentanten der Stadtbezirke und Protestierenden dem gern übersehenen Kern der Debatte gegenüberstellt: Menschen in den Sozialblöcken wie Alma (Ilfenesh Hadera), die ihre Kinder in der Dominikanischen Republik zurücklassen muss, um sich etwas in Yonkers dazuzuverdienen. Doreen (Natalie Paul) aus der Vorstadt, nach dem Tod ihres Freundes allein und schwanger in den Projects. Oder die Pflegerin Norma (LaTanya Richardson-Jackson), die an Diabetes erkrankt und ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen kann. Wenn die erblindende Norma die rote Markierung an der Klingel ihres Kunden nicht finden kann, scheint das Rathaus weiter weg denn je. Auch weil das dortige Gerangel um den Wohnungsbau mit seinen kaum verborgenen rassistische Ressentiments, Geschrei, Flug-Windeln oder dem KKK-T-Shirt (!) in der Menge die Menschen, um die es letztlich gehen sollte, noch nicht tangiert. Was sich neben der räumlichen und narrativen Trennung auch im Casting niederschlägt: Auf der einen Seite Oscar Isaac, Winona Ryder, Jim Belushi, Jon Bernthal, Bob Balaban, Catherine Keener, Alfred Molina - vertraute Hollywood-Gesichter. Auf der anderen einige Jungdarsteller, die hier ihre erste große Serien-Rolle ergattern. Unbekanntes Territorium nicht nur für uns Zuschauer.

Mit dem Beeper-Prolog auf dem Friedhof samt Klingel-Rahmung gegen Ende der ersten Folge sowie dem unangenehm ehrlichen Dialog mit Ex-Kollegin Vinni Restiano über das Leben im Politik-Entzug (Winona Ryder, atemberaubend ihr verdientes Comeback einfordernd), hängen düstere Vorahnungen über den Geschehnissen in Show Me a Hero. Hier mag sich das "mini", der zeitige Abschluss, in der Miniserie am ehesten zeigen. Dabei bietet sich Nick Wasicsko natürlich als im Titel versprochener tragischer Held an. Er wird von der Androhung eines Bankrotts dazu gezwungen, sich auf die "richtige Seite der Geschichte" zu stellen, seine Pflicht zu tun und die Durchsetzung des desegregierten Wohnungsbaus zu unterstützen. Nicht weil es sein Gewissen befiehlt. Es ist purer politischer Pragmatismus. So wird er von vier seiner Stadträte verlassen. Sie fürchten die Wut ihrer weißen Unterstützer ebenso wie der gesichtslose Kardinal, der sich gegen die großzügige Unterstützung der sozial Schwächeren und für die Spenden seiner weißen Gemeinde entscheidet. Nick, ein "schwacher Bürgermeister" ohne Vetorecht und vollständig von den Mehrheiten im siebenköpfigen Stadtrat abhängig, ist in den Schlussminuten handlungsunfähig. Vielleicht müssen wir die Helden auf der anderen Seite der Stadt suchen.

Anmerkungen am Rande:

  • TIL: LaTanya Richardson-Jackson ist die Ehefrau von Samuel L. Jackson. Außerdem: Samuel L. Jackson ist gerne glatzköpfig. Danke, Wikipedia .
  • Berühmte Kinder oder Einwohner von Yonkers: Jon Voight, DMX, Mary J. Blige, Anthrax, Linda Lovelace und David "Son of Sam" Berkovitz.
  • Yonkers Yonkers Yonkers. 
  • "Hey, this mayor thing. When does the fun part start?"
  • "Wie regieren wir all das? Ist dieses Land immer noch ein utilitaristisches Experiment? Regieren wir auf eine Art, die die beste für die Mehrheit von uns ist?", fragt David Simon im Interview mit Salon . Drachen und Zombies findet er übrigens nicht so prall.

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