Sci-Fi-Kracher: Neben Tenet sieht Avengers einfach nur traurig aus

30.07.2020 - 15:45 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
Tenet ist Spektakel fürs KinoWarner Bros./ Disney
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In Tenet explodieren echte Flugzeuge, Avengers 4 entstand in düsteren Kammern. Christopher Nolan wird heute 50, seine Filme besitzen aufgrund ihrer Effekte Krawallgarantie.

Für Tenet baute Christopher Nolan eine Stadt. Wenn Tom Cruise Mission: Impossible dreht, will er seinen Körper und den Abgrund spüren. Was fühlt Brie Larson, wenn sie Avengers: Endgame dreht?

In der Blockbuster-Landschaft bilden sich gerade zwei Extreme heraus: Da sind die fließbandartig hergestellten CGI-Welten, die nicht nur, aber vorrangig der MCU-Fabrik entstammen. Abseits davon produziert Hollywood immer mehr Blockbuster, die handgemachte Spezial-Effekte in den Vordergrund stellen.

Tenet, Top Gun, Tom Cruise: Action, die die Leinwand erschüttert

Letzte Woche sprach  Tenet-Darsteller Himesh Patel über seine Erfahrung beim Sci-Fi-Event. Aus seinen Worten quoll glückselige Begeisterung. Es sei "atemberaubend", dass der Regisseur hier nahezu ohne CGI-Hilfe auskomme. "Selbst das Zeug, von dem du glaubst, dass es unmöglich ist, wurde vor der Kamera gedreht" - also direkt auf dem Set und nicht am Computer gerendert.

Begleitbuch The Secrets of Tenet: Inside Christopher Nolan's Quantum Cold War

Für Nolan-Fans

Zum Deal

Das Tenet-Marketing ist darauf gesteuert, seine echten Set-Pieces gegen die pappige Standard-CGI-Ware der Konkurrenz auszuspielen. Wir haben zum Beispiel im Vorfeld erfahren, dass Nolan für eine gewaltige Szene, die bereits im Trailer zu sehen ist, eine echte Boeing 747 sprengte. Ein besonderes Erlebnis für Tenet-Stars wie Robert Pattinson:

Ich erinnere mich, dass ich beim Dreh dachte: 'Wie oft wird sowas überhaupt noch in einem Film passieren?'

Die ganze Filmcrew ist eingebunden in diese Schauwert-Sequenzen, erklärt Patel. Sie erlebt die Effekte hautnah. Der Stunt lässt die Produktion vibrieren, lädt sie mit Adrenalin und Energie auf, die dann an das Filmpublikum im Kinosaal weitergegeben wird, bestenfalls.

Effekte sehen billig aus: Der einsame Dreh eines Avengers-Films

Die Schilderungen von Dreharbeiten der durchorganisierten Filme des MCU wirken dagegen schrecklich deprimierend. Als Brie Larson zum Beispiel die Post-Credit-Szene für Captain Marvel drehte (die zu Endgame überleitete), war keiner ihrer Schauspielkollegen vor Ort .

Ich wusste nicht, was wir drehten. Es war sonst niemand da, ich war allein vor einem Green Screen. [...] Ich sagte, 'Wo ist er überhaupt? Ist er im selben Raum? In welchem Raum bin ich?'

Das klingt nach Hollywood-Dystopie und entfremdeter Blockbuster-Arbeit. Während die MCU-Macher eine wichtige Schauspielerin eine Szene isoliert vor Green Screen filmen lassen, baut Nolan für Tenet eine ganze Stadt in Kalifornien. "Das Set würde sicherlich als eines der größten durchgehen, die je im Freien errichtet wurden", erzählt der The Dark Knight-Macher. "Es ist kolossal."

Die Making-of-Bilder von Endgame sind in der Regel übersät mit grünen Platten und Tüchern.

Dreharbeiten von Endgame

Nolan spart mit visuellen Effekten einerseits, weil er ihre Hässlichkeit fürchtet: “Die alten Techniken funktionieren besser. Nach einer Weile sehen die zeitgenössischen visuellen Effekte billig aus." Er spart, aber er verzichtet nicht darauf, schrieb die CGI-Expertin Sonya Teich  dieses Jahr in ihrem Essay über den Übereinsatz der digitalen Tricktechnik in der Filmwelt. Für seinen letzten Film Dunkirk nutzte Nolan vor allem praktische Effekte, die später mit CGI angereichert wurden.

Tenet: Nolans Macht über den Blockbuster sichert seine Einzigartigkeit

Diese Arbeitsteilung ist eine Strategie, mit der sich Nolan den Einfluss auf die Gestaltung seiner Blockbuster erhält. Denn CGI ist der natürliche Feind des Autorenkinos im Blockbuster. Nutzt eine Produktion wie Captain Marvel viel CGI, gibt die Regisseurin einen großen Teil ihrer kreativen Macht ab.

Die Gestaltung der CGI-Sequenzen findet abseits des eigentlichen Drehs statt und wird häufig von verschiedenen Firmen übernommen, mit denen die Regisseure kaum in Kontakt treten. Die Installation praktischer Effekte leitet der Regisseur auf dem Set an. Sofern er sich nicht dafür entscheidet, eine Second Unit damit zu betrauen, behält er die Kontrolle. Im MCU ist die Abhängigkeit von der Technik derweil ein systemeigenes Merkmal.

Endgame, Captain Marvel und Co. sind ohne CGI kaum denkbar. Trotzdem hat bisher kein MCU-Film einen Oscar für Visuelle Effekte erhalten.

Blockbuster zerbrechen an überambitionierten CGI-Versuchen

Marvel ist damit nicht alleine, es gibt in der Filmwelt ähnlich irritierende Beispiele. Wir befinden uns gerade womöglich in einer Übergangsphase wie damals zu Beginn des Jahrtausends, als der Dwayne Johnson-Scorpion King in Die Mumie kehrt zurück Kinogängern Alpträume bereitete.

Nach dem Boom der letzten 15 Jahre gelangen Visuelle Effekte jetzt an ihre Grenzen, weil die Studios immer mehr von der Technik verlangen. Cats brach unter seinem überambitionierten Unterfangen zusammen, Menschen als Katzen mit echten Schauspielergesichtern in einer Miniaturwelt tanzen zu lassen.

Alles scheint möglich, selbst James Dean zurückzuholen , also probieren die Studios alles aus. James Cameron will mit visuellen Techniken, die wir uns noch gar nicht vorstellen können, das Kino revolutionieren und bringt deswegen die Avatar-Fortsetzungen nach etlichen Verschiebungen erst im übernächsten Jahrzehnt nach dem Start des ersten Teils in die Kinos.

Der offenbar ultimativ haptische Tenet startet (hoffentlich) nur 9 Monate nach dem ultimativ digitalen Cats. Zu jeder digitalen Neuerung bricht eine analoge Gegenbewegung auf. In Berliner Cafés sitzen Kreative mit klapprigen Schreibmaschinen neben Menschen, die ihre Drehbuch-Pitches in das neueste iPhone tippen.

Mit Flugzeug: Der beeindruckende Trailer zu Tenet

Tenet - Trailer 2 (Deutsch) HD
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Ähnliche werbewirksame Geschichten wie jene zu Tenet verbreiten sich derzeit im Umfeld anderer Großproduktionen:

Diese Filme suchen Schauwerte, die die Leinwand durchbrechen sollen im Kontrast zu den toten, flachen CGI-Welten, die wir sehen, aber nicht spüren können. Der Film soll zur Erfahrung und zum Erlebnis werden - mit dem Kino als idealer Konsumumgebung.

Filme wie Tenet mit ihren explodierenden Städten und Flugzeugen setzen auf die Co-Abhängigkeit von Film und Abspielstätte, die gerade neu verhandelt wird. Mad Max: Fury Road, vielleicht der eindrücklichste Vertreter dieser Blockbuster-Gattung, knallt selbst im besten Heimkino nicht durch Mark und Bein wie im Lichtspielhaus um die Ecke.

Das Kino entwickelt sich damit zu einer Zirkusarena, die uns unmittelbare Stunts und Pyrotechnik bietet: bebenden Krach, markerschütternde Lebensgefahr, scheinbar ohne Auffangnetz. Kein Wunder, dass Christopher Nolan ein digitaler Release von Tenet so abwegig erschien, wie einen Film ohne Michael Caine zu drehen.

Tenet startet am 26. August in den deutschen Kinos.

Kompliziert wie ein Nolan-Film: Podcast zu Dark

Was wir wissen, ist ein Tropfen. Was wir nicht wissen, ein Ozean. Wir versuchen im Streamgestöber-Podcast auch bei Dark trotzdem von Anfang bis ... Anfang zu erklären und aufzuschlüsseln:

Die drei Dark-Fans Esther, Max und Andrea schlüsseln Jonas' Werdegang chronologisch über alle drei Staffeln hinweg auf, entwirren die Stammbäume, interpretieren das emotionale Ende und beantworten eure offenen Fragen.

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Worauf freut ihr euch bei Nolans Tenet? Die Action oder die Rätsel?

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