Wenn ein Geburtstagsständchen mit einem dröhnenden "Verpiss Dich!" quittiert wird und man sich nur Sekunden später vor der Tür und im Regen befindet, kann man wohl kaum von einem gelungenem Tag sprechen. Verdammt! Und dabei war ich wirklich gut vorbereitet. Ron Perlman wirkt in Interviews eigentlich immer sehr sympatisch. Das Geburtstagskind scheint jedoch etwas schlechte Laune zu haben. Warum rennt er auch im Hellboy-Kostüm rum?
Ich finde ja Hellboy und auch Hellboy II - Die goldene Armee echt gelungen und eigentlich kommt nie was Schlechtes bei rum wenn Guillermo del Toro und Perlman die Köpfe zusammenstecken. Oft genug haben sie das ja nun schon unter Beweis gestellt. Ein Hellboy 3 würde mich zumindest in Entzücken versetzen und wenn man Perlmans eigenen Aussagen Glauben schenkt, geht es ihm nicht anders. Vielleicht deshalb auch das Kostüm, aber ist das nicht etwas übertrieben? Ich zünde mir eine Zigarette an.
Der Regen tröpfelt leicht auf meinen Kopf. Ich hole das kleine Zigarrenetui, welches ich liebevoll in rotes Geschenkpapier gewickelt habe, aus meiner Tasche. Perlman selbst ist ja passionierter Zigarrenraucher. In dem Zimmer, aus dem ich mich vor fünf Minuten unfreiwillig verabschieden musste, stand der Rauch förmlich. Man konnte ihn kaum erkennen. Das viele Make-up hat das übrige getan. Vier Stunden in der Maske würden jeden normalen Menschen mürbe machen, aber Perlman hatte sogar während der Dreharbeiten noch einen strengen Trainingsplan. Das nennt man wohl vollen Einsatz für eine Rolle. Allerdings hatte er ja auch zu früheren Zeiten einige Rollen gespielt, die ein hohes Maß an Make-up erforderten. Man schaue sich nur seine Performance in der Fernsehserie Die Schöne und das Biest von 1987 an. Auch hier dauerte es jeweils vier Stunden um Ron Perlman in das Biest zu verwandeln, wofür er 1989 mit einem Golden Globe Award ausgezeichnet wurde.
Aus der Ferne hört man ein Motorrad dröhnen. Verrückt bei diesem Wetter auf zwei Rädern unterwegs zu sein. Das Dröhnen kommt langsam näher und entfernt sich wieder. Zu sehen bekomme ich das Gefährt nicht. Echt verrückt. In Sons of Anarchy spielt Perlman einen dieser Verrückten. Die Serie rund um die fiktive Motorradgang Sons of Anarchy Motorcycle Club Redwood Original lief bis zum letzten Jahr in sieben Staffeln im amerikanischen Fernsehen und war bei Zuschauern und Kritikern beliebt. Dabei konnte der sonst so hart wirkende New Yorker nicht einmal Motorrad fahren und hatte sogar Bammel davor. Aber am Ende hat es ja doch geklappt und die Fans der Serie konnten über mehrere Jahre dem Treiben von Jackson "Jax" Teller (Charlie Hunnam) und Clarence "Clay" Morrow (Ron Perlman) zuschauen.
Die Tropfen werden immer dicker. Einer landet auf der halb aufgerauchten Zigarette. Mit einem leisen Zischen erlischt der Glimmstängel. Der Tag hat super angefangen und geht gleich super weiter. Lustlos schnippe ich sie weg. Vielleicht hat Ron sich ja inzwischen beruhigt. Wer ist denn bitte an seinem Geburtstag so schlecht drauf? Oder ist er gerade einfach "in character", wie es so schön heißt? Perlman ist einer der vielfältigsten Schauspieler die ich kenne und dann sowas. Was hat der Mann nicht schon alles gespielt. Vom Neandertaler in Am Anfang war das Feuer 1981, über einen deformierten Mönch in Der Name der Rose an der Seite von Sean Connery und Christian Slater, bis hin zum Romulaner in dem viel gescholtenen Star Trek - Nemesis. Wandelbar und überall einsatzfähig, sowas können nicht viele Schauspieler von sich behaupten. Und das trotz seines markanten Äußeren. Ein weiteres Markenzeichen ist seine tief grollende Stimme, welche ihn auch zu einem beliebten Synchronsprecher für Film und Videospiel macht. Ob das von den vielen Zigarren kommt?
Oft ist Perlman in Nebenrollen zu sehen. Sei es nun in dem Kurzfilm The Punisher: Dirty Laundry, in Outlander oder dem genialen Drive von Nicolas Winding Refn um nur ein paar zu nennen. Schon komisch, dass Ron Perlman mit Nachdruck Regisseur Refn bat ihm die Rolle des jüdischen Gangsters zu geben, der unbedingt wie ein italienischer Gangster wirken will. Aber eigentlich auch irgendwie nahe liegend. Perlman soll gemeint haben, dass es doch perfekt passen würde. Immerhin sei er selber jüdisch und aus New York. Das Ergebnis kann sich definitiv sehen lassen.
Der Regen wird immer heftiger. Was wird jetzt nur aus meinem Artikel? Ich wende mich um zum gehen, da hält ein schwarzer Wagen direkt vor mir, eine große, tief grummelnde Gestalt entsteigt dem Automobil und baut sich vor mir auf. Ich schaue nach oben und blicke in das schiefe Grinsen von Ron Perlman. "Sorry, aber meine Sekretärin hat irgendwie Mist gebaut. Ich hab in nem Café auf dich gewartet. Wusste nicht, dass wir uns hier treffen. Eigentlich sollen hier keine Journalisten hin, weißt du." Ich sehe ihn verdattert an und schaue kurz über meine Schulter. Dann sehe ich ihm wieder ins Gesicht. "Aber ... wenn du hier bist ... wer ist dann ...?" Ron folgt meinem Blick und sein Gesicht friert ein. "Oh Kacke. Da hat meine Sekretärin wohl doppelt Mist gebaut. Naja, jetzt, wo du es eh weißt, ist's ja auch egal. Lust auf ne Zigarre mit mir und Red?" Ich bin schockiert und außer mir vor Freude zugleich. Kein Wort verlässt meine Lippen. Ron nimmt meine Schulter und führt mich langsam zu Tür. "Ich hoffe du magst kubanische. Du hast doch nicht etwa versucht zu singen, oder? Bitte sag mir, dass du nicht gesungen hast. Er hasst das." Ich grinse kurz. Perlman lässt den Kopf hängen. "Oh Kacke!"