Quatsch mit Tiefgang - In der Wiederholungsschleife

04.10.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Bill Murray in Und täglich grüßt das Murmeltier
Sony Pictures
Bill Murray in Und täglich grüßt das Murmeltier
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Nach den Filmklamotten und Parodien geht es im dritten Teil der Reihe um die vermeintlich höchste Kunst im Kinoquatsch-Metier. Im Kontext unsinniger Handlungselemente erfordert es nämlich ein besonderes Geschick, um einen gewissen Tiefgang zu erzeugen.

Im letzten Teil dieser Reihe geht es um Filme, die sich ähnlich wie die vorangegangenen Beispiele nicht gewissenhaft an einem ausgetüftelten und linearen Plot entlang hangeln, sondern auf komplexere Erzählstrategien zurückgreifen. Im Unterschied zu den Arbeiten von Louis de Funès, ZAZ oder Mel Brooks wird deren herrlich köstlicher Quatsch aber - wie in Der diskrete Charme der Bourgeoisie von Buñuel - von etwas tieferliegenden, einem Gefühl zum Beispiel, zusammengehalten. Auf diese Weise können sie uns offenbar jeden Blödsinn auftischen, ohne dass wir uns zu irgendeinem Zeitpunkt veralbert vorkommen müssen. Und hin und wieder schaffen sie es sogar, dass wir sie mit mehr als nur einem Lachen in Erinnerung behalten. So oder so ähnlich funktioniert es jedenfalls aus meiner Sicht in drei sehr speziellen Filmen aus den USA.

In der Wiederholungsschleife

In der beliebten Komödie Und täglich grüßt das Murmeltier (1993) folgen wir dem eitlen und äußerst griesgrämigen Meteorologen Phil Connors (Bill Murray), der in einer von ihm verhassten Kleinstadt namens Punxsutawney immer wieder ein und denselben Tag durchleben muss. Der Misanthrop ist in einer unerbittlichen Zeitschleife gefangen, ohne dass wir als Zuschauer zu irgendeinem Zeitpunkt nachvollziehen können, warum dem eigentlich so ist.

Die Komödie kommt überraschenderweise ohne Science Fiction- oder Fantasy-Elemente aus und verzichtet somit darauf, auf irgendwelche übersinnlichen oder extraterrestrischen Wurzeln des Übels zu verweisen. Nein, Bill Murray versteht es nicht, wir verstehen es nicht und der Clou ist, dass das vollkommen egal zu sein scheint. Nach einer Reihe von Suizidversuchen und "Das wollte ich immer schon mal machen"-Aktionen geht es für ihn und für uns nur noch darum, wie er das Herz von Andie MacDowell an nur einem Tag erobern kann. Das ist die treibende Kraft des Films und der Grund, warum die Ursache des Mysteriums letztlich unbeantwortet bleiben darf. 

Im (Liebes)Taumel

In Paul Thomas Andersons romantischer Komödie Punch-Drunk Love (2002) spielt der Komiker Adam Sandler einen unausgeglichenen, frisch verliebten Sonderling, der durch den Erwerb großer Mengen von Pudding, Millionen Bonus-Flugmeilen gutgeschrieben bekommt. Der Film beginnt mit einer äußerst surrealistischen Szene, die das Wesen der Komödie in vielerlei Hinsicht vorwegnimmt. Von weitem sehen wir ein Auto, das einen leergefegten Boulevard in Los Angeles entlang fährt. Plötzlich gibt es eine Explosion, ein Laster hält vor einer Einfahrt und ein paar Männer stellen dort hastig ein altes Harmonium ab. Dann geschieht folgendes: 

Es gibt viele interpretatorische Ansätze für die symbolische Bedeutung des Harmoniums in Punch-Drunk Love. Auch Sandlers Figur Barry Egan bietet eine Fülle an Deutungsmöglichkeiten. Das kommt auch nicht von ungefähr, denn vieles an und in diesem Film ist sehr rätselhaft. Dazu gehören unter anderem Details wie der extravagante blaue Anzug, den Barry Egan permanent trägt, das beschädigte Harmonium und die seltsame Firma, in der seltsame Dinge produziert und gestapelt werden. Alle diese Dinge scheinen für die Handlung des Films keine besondere Rolle zu spielen. Doch zum Glück betritt Emily Watson schon früh die Bühne und alles ergibt mit der Zeit einen liebestaumelnden Sinn. Irgendwie.  

Im Unterbewusstsein

Das dritte Filmbeispiel erzählt die Geschichte eines ehemaligen Liebespaares, das sich durch eine neue Technologie jeweils aus dem Gedächtnis löschen lässt und trägt im Original den wunderbaren Titel Eternal Sunshine of the Spotless Mind (Vergiss mein nicht!) (2004). Möglich macht diesen dezidierten Quatsch die fiktive Firma Lacuna, Inc., die sich darauf spezialisiert hat, Menschen von ihren schmerzhaften Erinnerungen zu befreien. In der folgenden Szene sitzt das Filmpaar Jim Carrey und Kate Winslet zusammen im bedrohten Refugium einer schönen Erinnerung, während Jims Gedächtnis durch ein paar Angestellte der Firma von seiner Ex-Freundin allmählich "befreit" wird. Jims Unterbewusstsein wehrt sich allerdings zunehmend gegen diesen Eingriff, was zu einer Reihe von kuriosen Erinnerungs-mash-ups führt.  

Der amerikanische Drehbuchautor Charlie Kaufman ist bekannt für seine originellen und vielschichtigen Geschichten. Seine Werke Being John Malkovich (1999) und Adaption (2002) sind mindestens so reich an erzählerischen Ideen wie Vergiss mein nicht!. Ganz zu schweigen von den visuellen Einfällen der jeweiligen Regisseure Spike Jonze und Michel Gondry. Ich würde an dieser Stelle sogar behaupten wollen, dass die versteckte Pforte im siebeneinhalbten Stock eines Bürogebäudes, durch welche die Figuren in Being John Malkovich in den Kopf des Schauspielers John Malkovich gelangen, als Handlungselement noch absurder ist, als der Ritt durchs Unterbewusstsein, der sich nach einem Besuch bei Lacuna, Inc. entspinnt. Im Gegensatz zu seinen filmischen Vorgängern fühlt sich Kaufmans' Liebesgeschichte für meinen Geschmack aber nicht nur schräg sondern auch sehr wahrhaftig an, was vor dem Hintergrund der Ereignisse eine wirklich beachtliche Qualität darstellt. 

Was insgesamt auffällt ist, dass die ausgewählten Filme allesamt befreit davon zu sein scheinen, ihre zentralen und unsinnigen Handlungselemente in irgendeiner Form begründen zu müssen. Und das wissen sie wahrlich zu nutzen. Aberwitzige Ideen, bizarre Konstruktionen, verrückte Ereignisse und Erzählebenen geben sich hier gegenseitig die Klinke in die Hand. Die Filme loten wie entfesselt ihr irrsinniges Universum aus, treiben es auf die Spitze, um dabei – im Kern – so wahrhaftig und berührend von der Liebe zu erzählen, dass das ganze Drumherum, die Einfälle, die abseitigen Details nicht willkürlich erscheinen, sondern vor dem Hintergrund der eigentlichen treibenden Kraft, ihre volle Gültigkeit besitzen. Das ist Quatsch mit Tiefgang, nicht ganz so kunstvoll wie bei Buñuel, dafür aber unglaublich unterhaltsam.

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