Jean-Luc Godard zum 80. Geburtstag

03.12.2010 - 08:50 Uhr
Der Blick in experimentelle Sphären
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Er lässt sich in keine Schublade pressen: Jean-Luc Godard scheißt auch noch mit 80 auf den Mainstream. Ob sein Kino kommerziellen Erfolg hat oder nicht, ist ihm völlig Banane. Hauptsache eine kleine intellektuelle Elite versteht, was er meint. Und diese gratuliert Godard heute.

Bon anniversaire, Jean-Luc Godard!

80 Jahre und über 140 Filme – der unangepasste Revolutionär des europäischen Arthauskinos hat heute Geburtstag. Ob seine Filme nun gefallen oder nicht: Jean-Luc Godard ist einer der bedeutendsten französischen Regisseure und der Kopf der Nouvelle Vague, die in den 1960ern die Filmästhetik revolutionierte. Seiner Kreativität entspringen Meisterwerke wie Elf Uhr nachts und Die Verachtung ebenso wie regimekritische, gar dadaistische Essayfilme, deren Interpretation ganze Doktorarbeiten beschäftigt. Montage als ausdrucksstarkes Leitmotiv, der Bruch mit sämtlichen Konventionen sowie die Vermengung von Kunstrichtungen stellen vielleicht die drei Elemente dar, die den über 90 Spielilmen von Jean-Luc Godard gemein sind.

Godard, der unangepasste Film-Revoluzzer

1930 in Paris geboren, wächst Jean-Luc Godard im schweizerischen Nyon auf und lernt beim Studium in der französischen Hauptstadt nach dem Zweiten Weltkrieg junge Filmemacher wie Jacques Rivette, François Truffaut und Eric Rohmer kennen. Die drei verdingen sich als Filmkritiker und experimentieren im Medium Film anfangs mit dem Dokumentarfilm. 1959 dann der große Durchbruch mit dem starken Debüt Außer Atem – einem der wichtigsten französischen Filme überhaupt. Vorwiegend mit Handkamera gefilmt und durch etliche Jumpcuts auseinandergerissen, legt Außer Atem den Grundstein für die filmische Bewegung der Nouvelle Vague.

In den folgenden Jahrzehnten manifestiert sich Jean-Luc Godard als linker Intellektueller, als unangepasster Filmästhet, als unverständlicher Revoluzzer. Von Alphaville zur Geschichte der Nana S. , von Die Außenseiterbande zum verstörenden Weekend und dem emblematischen Eine Frau ist eine Frau – Jean-Luc Godard ist stets im Gespräch. Auch, und leider oft vor allem, wegen seiner leidenschaftlichen Ehe und Hassliebe zu Anna Karina, die wöchentlich in den Klatschblättern stand.

Godard heute

Auch heute, mit 80 Jahren, ist Jean-Luc Godard immer mal wieder für eine Schlagzeile gut. Seine jüngsten Filme – sozialistisch angehauchte Essayfilme – zogen zwar nur noch Hardcore-Cineasten in französische Kinos, aber dennoch erregt der “Opa der Nouvelle Vague” weiterhin die Gemüter. Ob er antisemitisch sei oder nicht, hatten wir vor einiger Zeit hier auf moviepilot diskutiert. Im Vorfeld der Verleihung des Ehren-Oscar an ihn hatten einige US-Blätter erneut die Debatte angestoßen, ob Jean-Luc Godards Antizionismus antisemitisch auszulegen sei. Er liebe Tennis und Zigarren, sagt Godard in seinen seltenen Interviews. Zynisch und misanthropisch sei er, sagen seine Gegner. Ihm ist das egal: Wer wissen möchte, was ihn interessiert, was er sagen möchte, der kann sich mit seinen etwa 140 Filmen und Videos beschäftigen. Für Jean-Luc Godard ist Kino kein Ort von Popcorn und 3D – Kino ist ein Ort des Denkens, in dem der Mensch erst mündig wird. Ist dieser Anspruch zu hoch ans Kino? Jean-Luc Godards letzter Kinofilm war ein Flop, gerade einmal ein paar Tausend Zuschauer wollten Film Socialisme sehen.

Scheissegal, denkt Jean-Luc Godard. Sein nächster Film ist das Projekt Adieu au langage, in dem es um einen Mann und eine Frau geht, die plötzlich keine gemeinsame Sprache mehr haben.

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