Gewinnt mit Godard ein Antisemit den Ehrenoscar?

05.11.2010 - 08:49 Uhr
Jean-Luc Godard, der Antisemit?
Nouveaux Pictures, abc
Jean-Luc Godard, der Antisemit?
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Nun können die Franzosen nicht nur wegen Sarkozy auf die Straße gehen, sondern gleich noch wegen Kino-Ikone Jean-Luc Godard, dem Vater der Nouvelle Vague. Verleiht die Academy am 13. November einem Antisemiten den Ehrenoscar?

Die Verleihung des Ehrenoscars an Jean-Luc Godard hatte bereits im Vorfeld für Irritationen gesorgt. Erst hatte die Frau des Filmemachers nichts verstanden, als die Academy of Motion Picture Arts and Sciences anrief, um den Geehrten nach Los Angeles einzuladen, dann sagte der fast 80jährige ab. Er wolle keine strapaziöse Reise auf sich nehmen, hieß es. Nun sorgt ein Artikel in der New York Times für Aufregung, nach dem Jean-Luc Godard dem Antisemitismus anhängen würde.

Die jüdische Presse hatte bereits vor längerem über Godards antisemitische Einstellung geschrieben. Umso mehr freut es das Jewish Journal nun, dass die Empörung auch in die Feuilletons der großen Blätter angekommen ist. Im Artikel der New York Times hatte der Journalist Michael Cieply versucht, eine Debatte nachzuskizzieren, die fast so alt wie die Academy Awards selbst ist: Darf ein Filmemacher mit dem Oscar für sein Werk geehrt werden, wenn seine persönlichen Ansichten gegen demokratisch-liberale Werte verstoßen?

Godards antisemitischen Aussagen

Dass Jean-Luc Godard eine anti-zionistische und pro-palästinensische Einstellung hat und im Nahostkonflikt stets die Seite der Palästinenser einnimmt, ist seit den 60er Jahren bekannt. Dass aber Antizionismus und Antisemitismus grundsätzlich zusammenfallen, ist ein Trugschluss. Ob Jean-Luc Godard per se antijüdisch eingestellt ist, wird nun derzeit in der Presse diskutiert. Und das, obwohl sein Kommentar, Schindlers Liste zeige ein verfehltes Bild von Auschwitz, schon ein wenig geschmacklos war und vor 15 Jahren zu Empörung geführt hatte.

Cieply verweist in der New York Times auf mehrere Quellen, die direkte antisemitische Aussagen von Jean-Luc Godard zitieren. So habe er im Jahre 1985 in einem Interview mit der französischen Zeitung Le Matin gesagt, Hollywood stehe unter der Fuchtel von jüdischen Wucherern. Zudem soll dieses Zitat von Godard seinen Antisemitismus belegen: “Was ich interessant am Kino finde, ist die Idee des Verschuldetseins. Der wahre Produzent entspricht gleichwie dem Bild des zentraleuropäischen Juden.” Veröffentlicht sind diese Zitate unter anderem in der 2008 erschienenen Godard-Biographie Everything Is Cinema: The Working Life of Jean-Luc Godard von Richard Brody.

Zwiespalt in der Academy?

Die Academy sei nun gespalten in der Ansicht über den Ehrenoscar für Jean-Luc Godard, heißt es. Die einen empörten sich über die Idee, einen möglichen Antisemiten zu ehren. Die anderen seien der Meinung, die persönlichen Ansichten eines Filmemachers verteufelten nicht gleich sein Gesamtwerk. Schließlich ist Jean-Luc Godard der Erschaffer von Außer Atem, Die Verachtung und Elf Uhr nachts – Filme, die in Hollywood seit Jahrzehnten mehr oder weniger ignoriert wurden. Es sei zudem nicht das erste Mal, dass ein kontroverser Filmemacher geehrt würde: D.W. Griffith (Geburt einer Nation, Intoleranz) erhielt 1936 den Oscar und Elia Kazan (Endstation Sehnsucht, Jenseits von Eden), der Kollegen als Kommunisten verraten hatte, bekam 1999 den Ehrenoscar.

Das Jewish Journal hingegen bezieht keine eindeutige Stellung gegen die Verleihung und zitiert selbst “mildernde Umstände”, nach denen in der französischen Gesellschaft verwurzelte antisemitische Beleidigungen nicht per se rechtsextremistisch seien. Auch die Los Angeles Times wundert sich über die Aufmachung der New York Times. Cieplys Artikel, der auf Seite 1 am 1. November erschienen war, spitze einen Konflikt zu, der so nicht bestünde.

Was meint ihr: Verdient Jean-Luc Godard seinen Ehrenoscar?

Mehr zu den Academy Awards 2011 auf unsere Seite zum Oscar.

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