Bei Netflix ist mit Frankenstein ist am Freitag Guillermo del Toros' Neuverfilmung des berühmten Gothic-Romans von Mary Shelley gestartet. Das Buch war 1818 ein früher Science-Fiction-Vertreter, wurde über 200 Mal adaptiert und inspirierte zahllose weitere Geschichten und Figuren. Mit Blick auf die Neuinterpretation stellt sich nun natürlich Frage, welche Änderungen gegenüber der Buchvorlagen del Toro vorgenommen hat.
Im Großen und Ganzen hält sich der vor allem als Fantasy-Regisseur bekannte Filmemacher nah an die Vorlage: beispielsweise, wenn es um den Start der Geschichte in der Arktis oder um Frankensteins Erschaffung seines Monsters geht. Mit fünf größeren Unterschieden geht er dann allerdings doch eigene Wege.
Entsprechend gilt ab hier: Achtung, es folgen Spoiler für Netflix' Frankenstein sowie den 207-jährigen Roman.
1.) Perspektiv-Verschiebung: Guillermo del Toro macht Frankensteins Kreatur zur Identifikationsfigur
Mary Shelleys Buch nimmt zunächst die Perspektive des arktischen Kapitäns Robert Walton ein (im Film: Lars Mikkelsen als Captain Anderson) ein, bevor es in Victor Frankensteins (Oscar Isaac) Rückblick und dann auch in die Geschichte der Kreatur (Jacob Elordi) eintaucht. Insofern stimmen Buch und Film grob überein. Die Gewichtung von Gut und Böse wird im Netflix-Film jedoch anders gesetzt.
Frankenstein tritt in der Verfilmung fast durchgehend als arroganter Forscher auf. Seine Schöpfung zeichnet Monster-Liebhaber del Toro in der eigenen Geschichte hingegen bemitleidenswerter und menschlicher als bei Mary Shelley. Dort ist die Kreatur am Ende durchaus böse und sagt sogar als Opfer seiner Umstände: "Ich bin bösartig, weil ich unglücklich bin." Entsprechend tötet die rachsüchtige Kreatur rücksichtslos Victors Freunde und Familienmitglieder, um den Wissenschaftler dazu zu bewegen, ihm eine Gefährtin zu erschaffen. Die Reue dieses Ungeheuers kommt erst ganz am Ende. Jaco Elordis Monster tritt durchweg deutlich ambivalenter auf.
2.) Netflix' Frankensteins erfindet Christoph Waltzs Gönner Harlander
Die Rolle des wohlhabenden Händlers Henrich Harlander, die Christoph Waltz in Guillermo del Toros Frankenstein spielt, existiert in der Buchvorlage nicht. Bei Mary Shelley verfolgt Victor die Erschaffung künstlichen Lebens auf eigene Faust, ohne einen reichen Geldgeber. Dass ein Finanzier der Leichenexperimente hofft, der eigenen tödlichen Syphilis-Erkrankung zu entkommen, indem sein Gehirn in einem neuen Körper weiterlebt, wurde im Netflix-Film also komplett dazu erfunden.
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3.) Im Buch bereut Frankenstein seine Kreatur sofort
Wie Dr. Frankenstein im Buch auf seine eigene Schöpfung reagiert, weicht stark von der Buchvorlage ab: Im Roman ist er entsetzt vom Aussehen seines Geschöpfes und flieht daraufhin aus seinem Labor. Er wird nach seiner Überarbeitung mehrere Monate von einem Jugendfreund gesundgepflegt und verdrängt seine Tat anschließend, bevor das Monster ihn sechs Jahre später erneut heimsucht.
In Guillermo del Toros Film ist Frankenstein durchaus stolz auf sein erschaffenes Leben. Er versucht zunächst die Kreatur zu trainieren, bevor er schließlich aufgibt und seinen Labortum mitsamt (wie er glaubt) seiner Schöpfung zerstört.
4.) Frankensteins Familie: Bruder Wilhelm und Liebe Elizabeth erhalten neue Rollen
Auch bei Frankensteins Familie mischt Guillermo del Toro die Karten neu: Zunächst einmal heißen Victors Eltern jetzt Leopold und Caroline Frankenstein (statt wie im Buch Alphonse und Justine aus Genf). Außerdem ist sein Bruder Wilhelm nun kein kleiner Junge mehr, der beim Versteckspiel als erstes Opfer von dem Monster erwürgt wird. Stattdessen lernen wir Frankensteins Bruder William (Felix Kammerer) als nur wenige Jahre jüngeren Mann als Victor kennen, der im Labor hilft und mit Elizabeth verlobt ist.
Elizabeth (Mia Goth) wiederum ist in der Romanvorlage eigentlich Victors adoptierte Cousine, die seit ihrer Aufnahme in die Familie mit fünf Jahren eine enge Beziehung zu dem gleichaltrigen Sohn des Hauses führt. Sie ist von Anfang an mit Victor verlobt, bevor die Kreatur sie in der Hochzeitsnacht der beiden ermordet. Im Netflix-Film ist Elizabeth hingegen mit Harlander verwandt sowie mit dem jüngeren Frankenstein-Bruder William liiert (und heimlich von Victor begehrt), bevor sie ihr Interesse auf die Kreatur selbst richtet. Hier ist ihr Tod bei ihrer Hochzeit ein Unfall.
5.) Das Ende verändert: Frankensteins Monster ist jetzt unsterblich
Genau wie im Film ist Frankensteins Kreatur auch bei Mary Shelley übermenschlich stark und groß. Die übersinnlichen Selbstheilungskräfte und angedeutete Unsterblichkeit des künstlich erschaffenen Wesens hat Guillermo del Toro allerdings neu dazu interpretiert.
Der Roman endet anders als der Film. Im Netflix-Film blickt das Monster weinend einem ewigen Leben ins Auge. Im Buch stellt es nach Victors Tod in Aussicht, es wolle sich selbst auf einem Scheiterhaufen verbrennen (obwohl ungewiss bleibt, ob es dieses Vorhaben durchführt).
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